Russland startet Offensive bei Charkiw
In der Region im Osten des Landes toben heftige Gefechte. Russland versucht, mit gepanzerten Fahrzeugen durchzustoßen. Die Ukraine wehrt sich erbittert.
Schon seit Wochen setzen Russlands Streitkräfte die ukrainischen Verteidiger unter Druck. Jetzt haben Moskaus Truppen eine Offensive nahe der strategisch wichtigen Stadt Charkiw gestartet. Der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskij, berichtete am Freitag von einem „heftigen Kampf“in der ostukrainischen Region. „Russland hat eine neue Welle von Gegenoffensivaktionen gestartet“, sagte er bei einer Pressekonferenz. Die ukrainischen Truppen setzten sich massiv zur Wehr, sagte Selenskij.
Das Verteidigungsministerium in Kiew berichtete, die russischen Streitkräfte seien im Schutz gepanzerter Fahrzeuge bei Charkiw vorgerückt, mit dem Ziel, die ukrainischen Verteidigungslinien zu durchbrechen. Der Angriff habe um fünf Uhr früh begonnen. Die Attacken seien „zurückgeschlagen“worden, so das Ministerium. Zugleich gestand es aber ein, dass es weiterhin „Kämpfe unterschiedlicher Intensität“gebe. Charkiw ist seit Monaten heftigen russischen Luftangriffen ausgesetzt. Berichten zufolge soll Russland in der
Region mehrere Zehntausend Soldaten zusammengezogen haben.
Schon am Tag zuvor sei der Frontabschnitt bei Wowtschansk von russischen Kampfflugzeugen aus der Luft mit Gleitbomben bombardiert worden, gab Kiew bekannt. Über Nacht habe die russische Artillerie die ukrainischen Linien zur Vorbereitung des Angriffs beschossen.
Probleme bei Nachschub
„Die Streitkräfte der Ukraine halten ihre Stellungen: Es ist kein Meter Boden verloren gegangen“, schrieb der Gouverneur des Gebiets Charkiw, Ihor Synjehubow, auf Telegram. Eine Gefahr für die Großstadt Charkiw sehe er einstweilen nicht. Der russische Militärblogger Rybar schrieb zu den Gefechten in der Region: Es gehe zunächst darum, die Kampfzone auszuweiten und im Gefecht die feindlichen Stellungen aufzuklären.
Für die ukrainische Armee bedeutet die Offensive ein weiteres Problem an der etwa 1000 Kilometer langen Front im Osten und Süden des Landes. Zuletzt ist sie bereits bei
Bachmut und Awdijiwka zurückgedrängt worden. Nicht genannte Quellen im ukrainischen Militär sagten dem Portal Ukraijinska Prawda, dass nun auch die vier Dörfer Striletsche, Krasne, Pylne und Boryssiwkavon von russischen Truppen erobert worden seien.
Den ukrainischen Verteidigern fehlen immer noch ausreichende Mengen an Waffen und Munition. Vor allem bei der Versorgung mit Granaten und Raketen für die Artillerie ist die Ukraine den Russen derzeit deutlich unterlegen. Ein innenpolitischer Streit in Washington hatte für mehrere Monate den Nachschub aus den USA unterbrochen.
Mittlerweile wurde weitere Unterstützung in Höhe mehrerer Milliarden Dollar beschlossen. Am Freitag hieß es, Washington bereite ein neues, 400 Millionen Dollar schweres Hilfspaket vor. Russland versuche nun, die Zeit bis zum Eintreffen dieser Waffen an der Front auszunutzen, sagte der Kommandant des ukrainischen Heeres, Olexander Pawljuk, dem britischen Magazin „Economist“. (APA/AFP)