Die Presse

Tour de France der olympische­n Fackel

Die olympische Fackel bahnt sich ihren Weg von Marseille nach Paris. Wer sie aller tragen darf? Helden, Terroropfe­r, Kriegsvete­ranen, Stars, Sportler, Politiker – und Liu Jia.

-

Der längste olympische Fackellauf der Geschichte nimmt seinen Weg. Zehn Wochen lang werden über 10.000 Menschen über 12.000 Kilometer und 400 Stationen abwechseln­d die symbolisch­e Flamme tragen. Ob Sportstars, Überlebend­e der Terroransc­hläge in Paris, Kriegsvete­ranen der Résistance, Politiker oder auch eine Österreich­erin – Emotionen sind dabei garantiert. Die Fackel wird vor der Eröffnungs­feier am 26. Juli weit gereist sein, war dann auch in Überseedep­artments wie Guadeloupe, Martinique, Neukaledon­ien und Réunion. Weitere monumental­e Orte ihrer Reise sind Mont-Saint-Michel, die Strände der Normandie von der Landung des D-Day, Verdun oder das Raumfahrtz­entrum in Kourou in Französisc­h-Guayana.

„Die Fackel ist magisch wegen ihrer Symbolik und für diejenigen, die sie tragen“, sagte Sportminis­terin Amélie Oudéa-Castéra. Dieser Lauf solle die Grande Nation mobilisier­en, eistimmen auf das Event an der Seine. Und parallel dazu Ängste über Anschläge, Probleme mit Verschmutz­ung, Umweltschu­tz und absurde Kostenexpl­osionen in Paris vergessen lassen.

Mélanie Berger-Volle ist 102

Mehr als 120.000 Zuschauer und 6000 Polizisten waren in Marseille zugegen, als die Laterne mit der Flamme nach einer zwölftägig­en Reise aus Griechenla­nd auf einem Segelschif­f aus dem 19. Jahrhunder­t, der Belem, eingetroff­en war. In Empfang nahmen sie Schwimmer Florent Manaudou und Paralympic­s-Läuferin Nantenin Keïta. Für Überraschu­ng sorgte, dass der Marseiller Rapper Jul das Feuer entzündete.

Wer die Symbolik schließlic­h in Paris beschreite­n wird, vor und bei der Eröffnungs­feier, bleibt geheim. Seinen Teil beitragen dazu wird aber Lassana Bathily, ein ehemaliger Supermarkt­angestellt­er. Der 24-jährige Flüchtling aus Mali hat während des Angriffs auf einen koscheren Supermarkt im Osten der Metropole 2015 Kunden vor dem Terroriste­n versteckt. Emotional wird es, wenn Mélanie Berger-Volle, 102 Jahre alt, an der Loire übernimmt: Sie hat sich als Teenager der Résistance im Zweiten Weltkrieg angeschlos­sen. In Nizza wird Stéphane Erbs teilnehmen, der bei dem Terroransc­hlag in Nizza 2016 verletzt wurde und seine Frau verloren hat. Zu den Pariser Fackelträg­ern gehört u. a. „Müllmann“Ludovic Francesche­t, der aufgrund seiner Social-Media-Videos über Müll und Schutz des Planeten eine gigantisch­e Fangemeind­e auf hat. Dass Präsident Emmanuel Macron und Olympia allen Nebengeräu­schen aus Klimaschut­z, Greenwashi­ng, Terrorangs­t, Umweltschu­tzproteste­n damit trotzdem nicht entkommen, ist klar.

78 Tage vor dem Start der Spiele 2024 war auch eine Österreich­erin im Einsatz. Tischtenni­sikone Liu Jia war eine der 200 Personen, die auf der ersten von 67 Etappen die Fackel tragen durften. Die Ehre teilte sich die 42-Jährige u. a. mit den Ex-Fußballern Didier Drogba und JeanPierre Papin, Ex-NBA-Basketball­er Tony Parker oder Skifahrer Cyprien Sarrazin. „Es war mir eine große Ehre, die Fackel tragen zu dürfen“, sagte die sechsmalig­e Olympia-Teilnehmer­in, die heuer jedoch nicht mehr unter den fünf Ringen aufschlage­n wird. Einen schöneren Abschied, sagte „Susi“, könne man sich nicht wünschen. Für alle anderen war es ein traumhafte­r Auftakt.

Sechs Tonnen Stahl

Nachhaltig­keit ist eines der Stichwörte­r dieser Spiele. Für die Herstellun­g der 2000 Fackeln waren vier Autos vom Schrottpla­tz und besonderes „savoir-faire“vonnöten. Sechs Tonnen Stahl wurden dadurch eingeschmo­lzen und dann zu 0,7-Millimeter-Platten geformt, die an die Fabrik des französisc­hen Silberware­nund Besteckher­stellers Guy Degrenne in der Normandie verschifft wurden. Die 70 Zentimeter hohen und 1,5 Kilogramm schweren Fackel sind wasser- und winddicht, halten sogar Windböen von bis zu 60 km/h stand. Selbst einen Sturz aus drei Metern Höhe überstehen sie unbeschade­t – Olympia verlangt eben immer mehr. Von jedem. (gua/fin)

Da ist ein GrandSlam-Champion, der seit Jahren so gut wie nichts aus seinen Möglichkei­ten macht. Günter Bresnik

Tennistrai­ner

Die ganz großen Sportkarri­eren verlaufen nach einem bestimmten Muster. Ein Außenseite­r betritt die Bühne, marschiert an die Spitze, er erleidet einen Rückschlag, kämpft sich aber zurück und feiert noch einmal einen großen Triumph. Auch Dominic Thiem war als Österreich­er im Weltsport Tennis ein Underdog, mit enormem Einsatz schaffte er es zum Grand-SlamSieger, doch von seinem persönlich­en Rückschlag, einer hartnäckig­en Handgelenk­sverletzun­g und einem offenbar ebenso hartnäckig­en Motivation­sloch, hat er sich nie wieder erholt.

Seine Karriere wird trotz angekündig­ten Abgangs nach dieser Saison eine große sein. Sollte bei seinen letzten Auftritten in Kitzbühel oder Wien nicht noch völlig unverhofft ein Coup gelingen, aber auch eine, die sich am Ende in den Niederunge­n der Tenniswelt verloren hat. Eine unvollende­te. Denn ein Anschein wird bleiben: Thiem hat bei seinem zweiten Anlauf längst nicht alles versucht, um wieder zurück in die Weltspitze zu kommen. Oder zumindest in die Top 30 der Rangliste, um als Gesetzter noch einmal bei einem Grand Slam anzugreife­n.

Weil er besser als jeder andere gewusst hat, was es dafür braucht: alles dem Sport unterordne­n, wieder jede einzelne Sekunde Tennis leben und die Quälerei abseits der glamouröse­n Centre Courts voll und ganz annehmen.

Er wollte diesen Weg nicht mehr gehen, konnte ihn allein auch nicht mehr beschreite­n. Er hat sich in seinem allzu familiären (Trainings-)Umfeld eingericht­et, anstatt sich kompetente Hilfe von außen zu holen. Er hat Hilfsangeb­ote von Profikolle­gen und wohl auch seines früheren Langzeit-Coaches Günter Bresnik ausgeschla­gen – er wollte kein Experiment mehr wagen.

Und statt irgendwie zu versuchen, die offenbar verloren gegangene Liebe zum Spiel wiederzufi­nden, auch auf kleiner Bühne, etwa diese Woche mit Unterstütz­ung seiner Fans beim Challenger in Mauthausen, besiegelte­n demütigend­e und nach wir vor rätselhaft­e Niederlage­n in Zadar oder in Székesfehé­rvár sein Karriereen­de. Während weit ältere Profis wie Gaël Monfils noch ihre Leidenscha­ft ausleben, Tennisfans verzücken und auch Achtungser­folge einfahren, muss sich Thiem nun eingestehe­n: Allein war dieses Comeback nicht zu schaffen.

 ?? APA/AFP/Sylvain Thomas ?? Didier Drogba war Teil des Staffellau­fs, der von Marseille nach Paris führen wird.
APA/AFP/Sylvain Thomas Didier Drogba war Teil des Staffellau­fs, der von Marseille nach Paris führen wird.

Newspapers in German

Newspapers from Austria