Faust lässt sich nicht stören
Der Auftritt der Letzten Generation im Wiener Burgtheater führte vor Augen, wie sinnlos solcher Aktionismus ist. Er predigt den Bekehrten.
Wir haben die Botschaft schon zu oft gehört, uns fehlt nicht der Glaube, höchstens die Konsequenz.
Faust geht einen Pakt mit dem Teufel ein, nur um seine Wünsche zu erfüllen“, predigte eine Angehörige der Letzten Generation, eine Aufführung von Goethes „Faust“störend, am Donnerstagabend im Burgtheater: „Er ist sich der Konsequenzen nicht bewusst.“Man darf sie sanft korrigieren: Er ist sich sehr wohl bewusst. „Das Drüben kann mich wenig kümmern“, sagt Faust kurz vor der Unterschrift, „schlägst du erst diese Welt zu Trümmern, die andere mag darnach entstehn.“
Kann sein, dass das in Martin Kušejs chaotischer Fassung – in der z. B. das Haus von Philemon und Baucis schon vor dem Vertrag mit Mephisto abgerissen wird – nicht ganz klar wird, aber ein Weltenzertrümmerer à la Faust lässt sich durch ein Trüppchen von gutmeinenden Demonstranten sicher nicht von seinem Treiben abhalten.
Und das Theaterpublikum? „Zwar sind sie an das Beste nicht gewöhnt“, sagt der Direktor im Stück, „allein, sie haben schrecklich viel gelesen.“Gewiss auch, dass es gut für das Klima wäre, wenn alle Welt weniger Fleisch äße und mit dem Flugzeug flöge. Sie haben die Botschaft gehört, nicht nur einmal, und ihnen fehlt auch nicht der Glaube. Ihnen fehlt höchstens die Konsequenz. Und die kann man ihnen nicht beibringen, indem man zum x-ten Mal den Zeigefinger hebt. Das ist ungefähr so wirksam wie die Gefahrenhinweise auf den Zigarettenpackungen, nämlich gar nicht.
Im Gegenteil: Es fördert die Abstumpfung. So ist eine Klimaschützeraktion im Burgtheater, was die Briten „preaching to the converted“nennen. Man predigt den ohnehin schon Bekehrten. Das lässt diese nicht handeln, sondern gähnen.
„Ein Komödiant könnt einen Pfarrer lehren“, sagt Wagner zu Faust. In diesem Sinn: Wir könnten gute, nicht doktrinäre, ja: auch komische Theaterstücke über den Klimawandel und das Engagement dagegen brauchen. Was wir nicht brauchen, sind aktionistische Moralpredigten. Weder auf der Bühne noch im Saal.