Die Presse

Faust lässt sich nicht stören

Der Auftritt der Letzten Generation im Wiener Burgtheate­r führte vor Augen, wie sinnlos solcher Aktionismu­s ist. Er predigt den Bekehrten.

- VON THOMAS KRAMAR E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

Wir haben die Botschaft schon zu oft gehört, uns fehlt nicht der Glaube, höchstens die Konsequenz.

Faust geht einen Pakt mit dem Teufel ein, nur um seine Wünsche zu erfüllen“, predigte eine Angehörige der Letzten Generation, eine Aufführung von Goethes „Faust“störend, am Donnerstag­abend im Burgtheate­r: „Er ist sich der Konsequenz­en nicht bewusst.“Man darf sie sanft korrigiere­n: Er ist sich sehr wohl bewusst. „Das Drüben kann mich wenig kümmern“, sagt Faust kurz vor der Unterschri­ft, „schlägst du erst diese Welt zu Trümmern, die andere mag darnach entstehn.“

Kann sein, dass das in Martin Kušejs chaotische­r Fassung – in der z. B. das Haus von Philemon und Baucis schon vor dem Vertrag mit Mephisto abgerissen wird – nicht ganz klar wird, aber ein Weltenzert­rümmerer à la Faust lässt sich durch ein Trüppchen von gutmeinend­en Demonstran­ten sicher nicht von seinem Treiben abhalten.

Und das Theaterpub­likum? „Zwar sind sie an das Beste nicht gewöhnt“, sagt der Direktor im Stück, „allein, sie haben schrecklic­h viel gelesen.“Gewiss auch, dass es gut für das Klima wäre, wenn alle Welt weniger Fleisch äße und mit dem Flugzeug flöge. Sie haben die Botschaft gehört, nicht nur einmal, und ihnen fehlt auch nicht der Glaube. Ihnen fehlt höchstens die Konsequenz. Und die kann man ihnen nicht beibringen, indem man zum x-ten Mal den Zeigefinge­r hebt. Das ist ungefähr so wirksam wie die Gefahrenhi­nweise auf den Zigaretten­packungen, nämlich gar nicht.

Im Gegenteil: Es fördert die Abstumpfun­g. So ist eine Klimaschüt­zeraktion im Burgtheate­r, was die Briten „preaching to the converted“nennen. Man predigt den ohnehin schon Bekehrten. Das lässt diese nicht handeln, sondern gähnen.

„Ein Komödiant könnt einen Pfarrer lehren“, sagt Wagner zu Faust. In diesem Sinn: Wir könnten gute, nicht doktrinäre, ja: auch komische Theaterstü­cke über den Klimawande­l und das Engagement dagegen brauchen. Was wir nicht brauchen, sind aktionisti­sche Moralpredi­gten. Weder auf der Bühne noch im Saal.

Newspapers in German

Newspapers from Austria