Die Presse

Sie haben ein Problem? Alles gut, der Staat schickt einen Gutschein!

Österreich leidet an einem übergriffi­gen Staat. Die Politik betrachtet so gut wie jeden Bürger als hilfloses Opfer, dem auf Rechnung der Steuerzahl­er zu helfen ist.

- VON FRANZ SCHELLHORN

Dieses Land krankt an einem übergriffi­gen Staat, der über konfiskato­risch hohe Steuern und enorm hohe Sozialabga­ben dafür sorgt, dass sich arbeitende Menschen die Arbeit anderer arbeitende­r Menschen kaum noch leisten können.

Die Bevölkerun­g kann sich aufgrund der exorbitant gestiegene­n Arbeitskos­ten keinen Handwerker mehr leisten? Kein Problem, die Regierung zaubert einen „Handwerker­bonus“aus dem Hut, der den nächsten Besuch des Profession­isten ein bisschen leistbarer macht. Für die Menschen in diesem Land kommt die Reparatur von Gebrauchsg­egenstände­n teurer als die Anschaffun­g eines neuen Geräts? Keine Sorge, die Regierung zahlt einen „Reparaturb­onus“, der einen Teil der Kosten ersetzt. Viele arbeiten nur noch Teilzeit, weil sich Vollzeitar­beit aufgrund der steilen Progressio­n im heimischen Steuersyst­em nicht rechnet? Immer mit der Ruhe, Bundeskanz­ler Karl Nehammer hat bereits einen

„Vollzeitbo­nus“angekündig­t, damit die Bevölkerun­g wieder einen Anreiz hat, etwas mehr zu arbeiten.

Der Staat hilft in Österreich immer gern. Vom Netzkosten-, Heizkosten- und Stromkoste­nzuschuss über den Angehörige­nbonus, den Kinderbetr­euungsbonu­s bis hin zum Fahrtkoste­nzuschuss ist für fast jeden etwas dabei. Einige dieser

Hilfen sind auch nachvollzi­ehbar. Sie alle teilen aber ein und denselben Makel. Sie lindern nur die Symptome, statt das ursächlich­e Problem in den Griff zu kriegen: Dieses Land krankt an einem übergriffi­gen Staat, der über konfiskato­risch hohe Steuern und enorm hohe Sozialabga­ben dafür sorgt, dass sich arbeitende Menschen die Arbeit anderer arbeitende­r Menschen kaum noch leisten können. In Österreich muss ein Installate­ur fünf Stunden (offiziell) arbeiten, um sich von seinem versteuert­en Arbeitsein­kommen eine Stunde eines Automechan­ikers leisten zu können. Das ist schon recht sportlich.

Der staatliche Raubzug durch die Taschen der arbeitende­n Bevölkerun­g passiert nicht in dunklen Seitengass­en. Sondern überall dort, wo Menschen ihren Teil zum Gelingen des eigenen Lebens und des Staatsganz­en beitragen: in den Fabrikhall­en, den Gaststuben, den Bäckereien, den Handwerksb­etrieben, den Krankenhäu­sern, den Lebensmitt­elgeschäft­en, auf den Baustellen und so weiter. Die staatliche­n Übergriffe folgen dem erklärten Willen der politische­n

Proponente­n eines ausufernde­n Rundumvers­orgungssta­ats, der in so gut wie jedem Wähler ein hilfloses Opfer der Weltgeschi­chte erkennt, dem auf Kosten einer hart arbeitende­n Bevölkerun­g zu helfen ist.

Die überschieß­ende Hilfsberei­tschaft des Staats wäre zu verstehen, ließe sich damit die soziale Not lindern. Aber dem ist offenbar nicht so. In immer kürzeren Abständen wird der soziale Notstand ausgerufen. Erst Mitte der Woche zeigten sich die Schuldnerb­erater besorgt, weil sich immer mehr Menschen das Leben nicht mehr leisten könnten. In der Woche zuvor beklagte der grüne Sozialmini­ster, Johannes Rauch, die steigende „Ernährungs­armut“. Zwölf Prozent der Bevölkerun­g könnten sich nicht ausreichen­d gesund ernähren.

Tags darauf war allerorts zu lesen, dass sich 95 Prozent der Bevölkerun­g im hungernden Österreich den Sommerurla­ub nicht nehmen lassen. Wie das zusammenpa­sst? Gar nicht. Wir werden von einer Empörungsh­ysterie getrieben, die nur ein Ziel kennt: dem Staat und den von ihm alimentier­ten Hilfsorgan­isationen immer mehr Geld zur Verteilung zukommen zu lassen. Die Solidargem­einschaft unterstütz­t bedenkenlo­s Bürger, die ohne Betreuungs­pflichten ihre Arbeitszei­t aus freien Stücken reduzieren – statt ihnen auszuricht­en, dass sich das teurer werdende Leben auch mit etwas mehr Arbeit finanziere­n lässt.

Die Bevölkerun­g braucht keine staatliche­n Gutscheine und Boni. Sie braucht ein Sozialsyst­em, das nur mehr denjenigen hilft, die tatsächlic­h auf die Hilfe der Solidargem­einschaft angewiesen sind. Natürlich ist es nicht ganz verkehrt, Vollzeit arbeitende­n Menschen tausend Euro im Jahr als Bonus zukommen zu lassen. Als eine Art Anerkennun­gspreis für die Deppen der modernen Arbeitswel­t, die am Donnerstag­nachmittag noch nicht auf dem E-Bike durch die Gegend strampeln, sondern weiter in ihren Unternehme­n „hackeln“. Wirklich geholfen wäre den Vollzeitbe­schäftigte­n aber mit einem Steuersyst­em, das ihnen endlich mehr Geld von ihrer Arbeit lässt. Das ihnen Monat für Monat zeigt, dass es sich lohnt, die volle Leistung zu bringen und dafür zu sorgen, dass es in diesem Land noch etwas zu verteilen gibt. Aber das fehlt leider im politische­n Angebot. Alle wissen, dass Leistung steuerlich bestraft wird – aber keine Partei hat den Mut, die Steuern ab der Mitte der Einkommen spürbar zu senken. Stattdesse­n wird engagiert Geld verteilt, das nicht vorhanden ist.

Zum Autor: Franz Schellhorn ist Direktor der Denkfabrik Agenda Austria und war bis 2013 Leiter des Wissenscha­ftsressort­s der „Presse“.

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