Wie kann man Treibhausgas-Emissionen vorhersagen?
Ein neues Modell von Forschenden der WU Wien schafft Berechnungen und Prognosen rund um den CO2-Ausstoß in kürzerer Zeit als bisher.
Jährlich kommt ein neuer Datenpunkt dazu, der unser Modell genauer macht.
Lukas Vashold, WU Wien
Klimaforschende erfassen den CO2-Ausstoß mit mathematischen Modellen, die auch reale Verbrauchsdaten verwenden. Zum Beispiel für den Verkehrssektor, wie viel Kraftstoff pro Jahr insgesamt verbraucht wird oder wie viele Kilometer gefahren wurden. Diese Kilometeranzahl wird seit 2015 bei jedem „Pickerl“erhoben und fließt in die Berechnung mit ein.
Die zukünftige Entwicklung der Emissionen – und damit der Temperatur auf unserem Planeten – vorherzusagen ist etwas schwieriger. Hier verwenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sogenannte IntegratedAssessment-Modelle. Diese hochkomplexen mathematschen Berechnungsmethoden versuchen eine Vielzahl von Einflüssen der Gesellschaft, Wirtschaft, Energieproduktion und Politik auf den CO2-Ausstoß und andere relevante
Indikatoren mathematisch abzubilden. Diese Modelle brauchen jedoch enorme Computerleistungen. Für nur einen Simulationsdurchgang laufen die Rechenzentren teilweise über mehrere Monate. Jesús Crespo Cuaresma, Professor für Makroökonomie, und Lukas Vashold vom Department für Volkswirtschaft der WU Wien haben jetzt ein ergänzendes, schlankeres Modell entwickelt.
„Es ist unglaublich wichtig, dass unseren Entscheidungsträgern klar ist, was mit unserem Klima passiert, wenn wir so weitermachen wie bisher“, so Lukas Vashold. „Deswegen wollten wir eine simplere und trotzdem effektive Methode finden, Emissionen unter der Annahme eines Business-as-usualSzenarios für die verschiedenen Sektoren vorherzusagen.“Und damit den Temperaturanstieg prognostizieren – denn der direkte Zusammenhang von CO2 in der Atmosphäre und globaler
Erwärmung ist seit mehr als hundert Jahren bekannt.
Das Modell verwendetet historische Treibhausgasdaten, die z. B. von der Europäischen Kommission aufbereitet werden. Vashold: „Wir haben berechnet, wie verschiedene Faktoren in den vergangenen 40 Jahren, wie das Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum und Klimaschutzmaßnahmen, den Treibhausgasausstoß, weltweit und länderspezifisch, beeinflusst haben. Damit können wir diese sehr gut in die Zukunft projizieren.“
Ein Blick auf die Weltemissionen
Da das neue Modell um einiges „schlanker“ist, braucht die Berechnung nur ein paar Tage. Und eventuell ist es auch robuster: Denn es werden weniger unsichere Annahmen getroffen und stets konkrete Messdaten verwendet. Darüber hinaus verbessert die Simulation sich automatisch mit jedem
Jahr. „Jährlich kommt ein neuer verlässlicher Datenpunkt dazu, der unser Modell noch genauer macht“, erklärt Vashold. Das Projekt wurde kürzlich in Nature Communications Earth & Environment publiziert. Die Daten lassen sich aber auch von jedermann und
-frau einsehen: Sie wurden unter anderem in die neue World Emission Clock integriert.
Die Berechnungen ergaben interessanterweise teilweise starke Abweichungen von der offiziellen Vorhersage einzelner Länder. So sagt zum Beispiel das österreichische Umweltbundesamt im Verkehr ein leichtes Absinken des Treibhausgasausstoßes, vorher, das WU-Modell zeichnet aber ein weniger rosiges Bild, mit weiter leicht steigender Tendenz. Noch mehr Anreiz für die Politik, hier endlich praktikable Lösungen zu finden.