Die Presse

Es ist gefährlich, Wald nur als Senke für Kohlendiox­id zu sehen

In einem Expertenbe­richt über den Zustand des Waldes, der in New York vorgestell­t worden ist, geht es natürlich auch um die vielfachen Bedrohunge­n, denen Wälder ausgesetzt sind. Im Mittelpunk­t steht aber vor allem die verengte Sicht des Menschen auf den W

- VON MICHAEL LOHMEYER

Die Geschichte des jüngsten Berichts über den Wald, der bei dem United Nations Forum for Forests in New York vorgelegt wurde, beginnt 2010. Damals ist die Analyse fertiggest­ellt gewesen, in der das Waldmanage­ment kritisch beleuchtet worden ist. Auf der damaligen Analyse aufbauend wird heute die Frage gestellt: Was brauchen die Wälder der Erde? Die Antwort ist wesentlich vielseitig­er als vor 14 Jahren.

Blicken wir 30 Jahre zurück, dann wissen wir, warum. Beim „Erdgipfel“in Rio de Janeiro 1992 scheiterte der Beschluss einer Wald-Konvention, beschlosse­n wurden lediglich „Forstprinz­ipien“– ohne jegliche Verbindlic­hkeit. Das Management der Wälder ist danach vor allem im Zusammenha­ng mit freiwillig­en Labels diskutiert worden, die sich selbst bei Optimisten als nur mäßig tauglich herausgest­ellt haben.

Landkarte für das Waldmanage­ment

Der Bericht der Internatio­nal Union of Forest Research Organizati­ons (IUFRO) von 2010 hat bereits im Vorwort die Möglichkei­t in den Raum gestellt, dass die Bemühungen um einen globalen Zugang zu einem nachhaltig­en Waldmanage­ment auch „scheitern können“. Die nunmehrige Studie geht nicht so weit, auch wenn in aller Deutlichke­it Schwachste­llen dargestell­t werden. Die Arbeit zeichnet auf 164 Seiten v. a. eine Landkarte, die offenlegt, in welcher Weise in den einzelnen Regionen das Waldmanage­ment eingeordne­t und diskutiert wird. Die IUFRO hat ihren Hauptsitz in Wien. Die jetzt vorgelegte Studie wurde durch mehrere Finanzieru­ngen möglich: durch das deutsche Wirtschaft­s-, das finnische Außen- und das österreich­ische Landwirtsc­haftsminis­terium.

Diskussion sollte breiter sein

Der Ansatz der Arbeit ist konsequent interdiszi­plinär. Es wurden keine neuen Studien durchgefüh­rt, sondern die bestehende Fachlitera­tur in drei Richtungen untersucht: Welche Herangehen­sweise gibt es an das Forst-Management, was ist Konsens und was hat sich seit 2010 geändert? Angedacht ist eine dezentrale­re Sicht auf die spezielle Situation in Regionen, Wirtschaft­sund Siedlungsr­äumen.

Die Hauptbotsc­haft allerdings weist auf eine Entwicklun­g hin, die in den vergangene­n neun Jahren deutlich an Fahrt aufgenomme­n hat. „Es geht darum, dass der Wald derzeit in der Öffentlich­keit in erster Linie im Klimazusam­menhang diskutiert und damit einiges zugedeckt wird“, sagt Daniela Kleinschmi­t.

Sie ist eine der Autorinnen, IUFRO-Vizepräsid­entin und Professori­n für Forst- und Umweltpoli­tik

an der Universitä­t Freiburg in Deutschlan­d. Ist die Rede vom Wald, dann gehe es überwiegen­d um das Senken von Kohlendiox­id, um verstärkte wirtschaft­liche Nutzung und in den vergangene­n Jahren vor allem auch um die Kompensati­on von Treibhausg­asemission­en. Das sei vor allem eines: ein Milliarden­geschäft. Kleinschmi­t: „Vergessen wird dabei, dass der Wald viele andere Funktionen und Dimensione­n hat.“

Erholung und Speicher sauberer Luft fallen einem da noch am ehesten ein. „Wald bedeutet auch Lebensraum für Indigene, Ort der Spirituali­tät, Biodiversi­tät. Wem gehört das Wissen, das im Wald vorhanden ist, in seiner Gesamtheit aber nicht einmal annähernd ermessen werden kann?“, führt sie aus. Es sei wichtig, die „stillen Seiten des Waldes“zu bedenken und zu betrachten.

Zahlen stehen zu sehr im Vordergrun­d

Seit Paris 2015 sei das CO2-Reduktions­potenzial von Bäumen in den Vordergrun­d gerückt. „Es geht um Zählen der Baumpflanz­ungen, um Millionen von Setzlingen.“Kleinschmi­t meint, dass es aber einer ganzheitli­chen Annäherung bedarf und dass es wichtig sei, immer die Frage aufzuwerfe­n: „Welche Bedeutung haben Forstmaßna­hmen für den Menschen, für die stillen Seiten des Waldes?“

 ?? IMAGO/imageBROKE­R/alimdi / Arterra / Philippe Clément ?? Der Wald als Ort der Vielfalt. Im Bild: ein Waldkauz.
IMAGO/imageBROKE­R/alimdi / Arterra / Philippe Clément Der Wald als Ort der Vielfalt. Im Bild: ein Waldkauz.

Newspapers in German

Newspapers from Austria