Schwammerln suchen fürs Labor
Die Herstellung essenzieller chemischer Ausgangsstoffe ist oft alles andere als nachhaltig. Jessica Michalke erforscht bisher ungenützte biologische Quellen, um Abhilfe zu schaffen.
Gleich am Beginn fragen wir, woher das Material kommt.
Ich fand Synthese schon immer faszinierend“, sagt Jessica Michalke, Postdoktorandin am Institut für Physikalische Chemie der Montanuni Leoben. Gemeint ist der Prozess der gezielten Herstellung von chemischen Verbindungen. Damit eine Synthese wie gewollt funktioniert, braucht es oft sogenannte Katalysatoren – also Verbindungen, die eine chemische Reaktion begünstigen, dabei aber selbst nicht verbraucht oder verändert werden.
Katalysatoren wurden das Spezialgebiet von Jessica Michalke. Die gebürtige Oberösterreicherin studierte zunächst Technische Chemie an der Johannes-Kepler-Uni in Linz. Im Lauf ihres Studiums wurde dort das Institut für Katalyse gegründet, an dem sie ihre Doktorarbeit zum Thema Katalyse mit unedlen Metallen verfasste.
Ungewöhnliche Forschung prämiert
Der Fokus des Instituts ist die Entwicklung von Synthesemethoden mit nachhaltigen und einfach verfügbaren Ausgangsmaterialien. Das ist auch die Grundlage von Michalkes jüngstem Forschungsprojekt, das kürzlich mit einem „Disruptive Innovation“-Förderungspreis der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) prämiert wurde. In dem Pilotprojekt entwickelt sie einen nachhaltigen Katalysator für die Herstellung von Essigsäure.
Denn diese Säure findet sich nicht nur im Salatdressing. Sie ist auch ein essenzieller Ausgangsstoff für die Kunststoffproduktion und wird in großen Mengen in der Pharma- und Kosmetikindustrie gebraucht: Mehr als 18 Millionen Tonnen werden pro Jahr weltweit produziert. Dazu wird der sogenannte MonsantoProzess eingesetzt, bei dem Essigsäure mit Edelmetall-Katalysatoren aus Methanol und Kohlenstoffmonoxid entsteht. Die hierfür benötigten Edelmetalle stammen allerdings oft aus Minen in Südafrika und der Republik Kongo mit problematischen Bedingungen. Kinderarbeit und die Unterdrückung der Minenarbeiter werden von Organisationen wie Amnesty International immer wieder angeprangert.
„Es war klar, um hier eine Alternative zu finden, muss man sich schon am Beginn der Entwicklung eines Katalysators fragen: Woher kommt das Material, und ist das nachhaltig?“, erzählt Michalke über die Entstehung des Projekts. „Am besten wäre etwas, das nachwächst und dessen Nutzung kein Ökosystem bedroht.“
Eine potenzielle Lösung entdeckte sie dann bei einem Vortrag über die Vielzahl der Vanadium-Verbindungen in Fliegenpilzen. Michalke konnte gar nicht glauben, in welch großen Mengen der Pilz dieses Metall anreichert, das auch ein effektiver Katalysator für die Herstellung von Essigsäure ist. Und der Pilz erfüllt noch weitere Voraussetzungen als idealer Rohstoff: Er ist weit verbreitet, einfach zu finden und höchst giftig, also garantiert kein Lebensmittel für Menschen.
In ihrem neuen Projekt möchte die Chemikerin ihr im Laufe ihrer Doktorarbeit erworbenes Wissen über Pyrolyse für die Aufbereitung des Pilzmaterials anwenden. Dabei wird das organische Material des Fliegenpilzes verkohlt: Übrig bleibt ein Kohlenstoffpulver, das reich an Vanadium ist und der Essigsäurereaktion als Katalysator beigemischt werden kann.
Für diese Arbeit wechselte Michalke zum Team von Christoph Rameshan am Institut für Physikalische Chemie der Montanuni Leoben. „Das Institut ist für unsere Idee perfekt ausgestattet“, sagt Michalke. „Ich kann hier direkt mit Experten unterschiedlicher Analysemethoden untersuchen, wie der Katalysator sich verändert, wenn seine Effektivität mit der Zeit abnimmt – und ihn so immer mehr optimieren.“
„Ich will ein Teil der Lösung sein“
Schlussendlich soll eine nachhaltige Katalysemethode für Essigsäure entstehen, die hoffentlich im Rahmen eines größeren Forschungsprojekts mit Partnern aus der Industrie weiterentwickelt werden kann.
„Ich möchte mit meiner Forschung ein Teil der Lösung sein“, betont Jessica Michalke. „Es ist klar, dass nicht die ganze chemische Industrie in Kürze mit Fliegenpilzen arbeiten wird, aber wir wollen eine Alternative aufzeigen, die vielleicht eine nachhaltigere Katalyse im großen Stil anstoßen kann.“