Die Presse

Wie ein gewachsene­s kleines Dorf

Hinter dem Haus sanfte Grasberge, vor dem Balkon mächtige Dreitausen­der. Man kann sie vom Chalet aus bewundern, muss aber doch einmal hinauf. Zu Besuch im Naturdorf Oberkühnre­it im Pinzgau.

- VON MADELEINE NAPETSCHNI­G

In den frühen Zweitausen­dern, als das Naturdorf Oberkühnre­it in Neukirchen am Großvenedi­ger entstand, war der enorme Boom der Chaletdörf­er in den Alpen noch nicht ganz abzusehen. Anders als die Hüttensied­lungen, die jetzt aus dem Boden schießen, befindet man sich hier auf einem langsam und natürlich gewachsene­n Areal.

Dieses „Naturdorf“auf der Sonnenseit­e des Salzachtal­s und mit frontaler Sicht auf die Hohen Tauern ist das Werk der Familie EnsmannHei­m. Zwei, drei Generation­en packen mit an, schildert Gastgeber René Steixner bei einem Rundgang über das zwei Hektar große Grundstück. Angefangen hat es mit der Begeisteru­ng seines Schwiegerv­aters für die Arbeit mit Holz. Nach und nach errichtete dieser einzelne urige Chalets, auch heute macht die Familie vieles selbst.

Gemütlichk­eit und Auslauf

Zentrum der dorfähnlic­hen Anlage bildet das Café. Dort sitzt man beim Frühstück und hausgemach­tem Kuchen, deponiert alle möglichen Wünsche, plaudert mit anderen, die vorbeikomm­en, und kostet zu speziellen Gelegenhei­ten den Kaiserschm­arrn mit Granggln oder die Kasnockn im Pfandl von Anika Steixner EnsmannHei­m, der Gastgeberi­n. Kleine Wege schlängeln sich durch die Gartenanla­ge am Hang, vorbei an Blumen, Kräutern, Gemüse, Obstbäumen.

Sie verzweigen sich zu den acht Chalets, zum Zirbensaun­ahäuschen und zur Yogaplattf­orm, verlaufen weiter zu einem Haus mit Apartments, führen hinauf zum Stall und kleinen Streichelz­oo (es gibt hier auch Schafe) und hinunter zu den Terrassen mit dem Apfelgarte­n, auch einen Teich und eine Kapelle gibt es. Jetzt weiß man, woher die selbstgema­chte Marmelade stammt, die jeden Tag in der Früh vor der eigenen Hütte wartet. Dass hier Hühner und Wachteln Eier auch für die Gäste legen und der Honig von eigenen Bienenstöc­ken kommt.

Der Gast kann sich nur mehr schwer vorstellen, dass da am Waldrand ursprüngli­ch nur eine kleine Hofstelle und sonst grüne Wiese waren – so eingebunde­n wirkt alles Und gemütlich, entspannt, ganz im Sinne der Gastgeber, die einem zum digitalen Detoxen zwischendu­rch raten. „Oft ist die erste Frage beim Einchecken nach dem WLAN-Passwort“, lacht Steixner. Weil es nicht nur viele Tiere, sondern auch viel Auslauf hier gibt, spricht das vor allem Familienur­lauber an. Wenn der Hund mitkommen soll – gern, kein Problem.

Wandern über Almweiden

Einerseits ist man tatsächlic­h zum Entspannen da, im Frühling vielleicht zu einer ärztlich begleitete­n F.X.-Mayr-Kur, anderersei­ts ist die Gegend zu prächtig, um buchstäbli­ch nichts zu tun. Auch da bekommt man jede Menge Anregungen von den Gastgebern, wo man sich am besten in der Gegend umschaut und wo man einkehren kann. Wanderwege verheute. laufen direkt an Oberkühnre­it vorbei (und im Winter eine Skipiste).

Welche mittelschw­eren Bergtouren René Steixner empfiehlt, wo er doch lang als Betriebsle­iter der Wildkogel-Arena gearbeitet hat, des mittelgroß­en Skigebiets weit oberhalb, und jeden Gipfel kennt? Da ist einmal die Südseite der Kitzbühele­r Alpen, nicht allzu steile Grasberge mit Almweiden und Hochmooren und einem Weitwander­weg, der alles verbindet. Vorbei an herausrage­nden Bergen wie dem Großen Rettenstei­n (2362 m). Ob man im Dürnbachta­l zur Steiner Hinteralm, ins Mühlbach- oder ins Trattenbac­htal wandert – man wird dort immer wieder auf den langen Hohe-TauernPano­rama-Trail stoßen, der durch den ganzen Oberpinzga­u führt (und weiter vorbei am Zeller See übers Rauriserta­l bis nach Hüttschlag ins Großarltal). Hier oben hat man eine fantastisc­he Aussicht auf noch höhere Berge als auf jene, in denen man unterwegs ist.

Großvenedi­ger immer im Blick

Denn diese Gegenübers­eite ist Nationalpa­rkgebiet mit einem Dreitausen­der nach dem anderen. Tief in die Hohen Tauern schneiden lange, idyllische Täler ein, etwa das Habachtal mit dem Ziel Thüringer Hütte und seinen zahlreiche­n Smaragdvor­kommen. Westlich davon liegen das Unter- und das Obersulzba­chtal, ebenfalls historisch­e Bergbaugeb­iete. Und über allen trohnt der mächtige Großvenedi­ger (3657 m), den man schon in der Früh bestaunt, wenn man die Vorhänge aufgezogen hat.

 ?? Photoart Reifmüller ?? Chalets, Café, Garten und viel Platz dazwischen: Naturdorf Oberkühnre­it in Neukirchen am Großvenedi­ger.
Photoart Reifmüller Chalets, Café, Garten und viel Platz dazwischen: Naturdorf Oberkühnre­it in Neukirchen am Großvenedi­ger.

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