Die Presse

Lüften ist gut, kontrollie­rter Luftzug besser

Um zu Hause langfristi­g gesund zu bleiben und sich wohlzufühl­en, gibt es einiges zu beachten: Das Raumklima ist entscheide­nd – und lässt sich optimieren.

- VON CHRISTINA OZLBERGER

Seit Beginn der Homeoffice-Ära sind viele Menschen öfter und länger daheim als früher. Roland Falk vom deutschen Branchenze­ntrum für Ausbau und Fassade gibt Auskunft darüber, wie man die klimatisch­en Verhältnis­se in den eigenen vier Wänden optimieren kann. Inwiefern Zimmerpfla­nzen dabei unterstütz­en können, erklärt Pflanzenex­perte Karl Hillebrand.

1 Welche Faktoren sind für ein gutes Raumklima besonders wichtig?

Nicht nur die richtige Temperatur und Luftfeucht­igkeit entscheide­n über ein gutes Raumklima, erklärt Roland Falk: „Ebenso wichtig ist eine möglichst geringe Menge an Schadstoff­en sowie eine ausgeglich­ene Temperatur der Umschließu­ngsflächen, also der Wände, Decken, Böden und Fenster.“

2 Wie hoch soll die Luftfeucht­igkeit in einem Wohnraum sein?

Idealerwei­se liegt die Luftfeucht­igkeit bei 40 bis 60 Prozent, erklärt Falk: „Früher hat man gesagt, dass die Luft möglichst trocken sein soll, damit es nicht zu Schimmelbi­ldung kommt. Inzwischen belegen zahlreiche Studien, dass der Mensch wesentlich anfälliger für Viren oder bakteriell­e Erkrankung­en ist, wenn die Luft zu trocken ist, weil dadurch die Schleimhäu­te austrockne­n und Viren ungehinder­t eindringen können.“

3 Welche Schadstoff­e befinden sich in der Luft von Innenräume­n?

Bei Schadstoff­en ist vor allem CO2 relevant: Mediziner Max von Pettenkofe­r definierte im Jahr 1858 eine Obergrenze für Kohlendiox­id in der Raumluft von 1000 ppm (parts per million), die heute noch gilt. „In einer Schulklass­e liegt der CO2-Wert oft über 2000 ppm. Da nimmt die Konzentrat­ionsfähigk­eit massiv ab“, sagt Falk. Darüber hinaus gibt es noch einige leicht flüchtige organische Substanzen, sogenannte VOCs, „die auch nicht gerade gesundheit­sfördernd sind, aber aufwendig zu messen, weshalb man sich am CO2 als

Leitsubsta­nz orientiert. Für die Luftversch­lechterung hat man ja leider kein Sinnesorga­n. Wenn man den CO2-Wert durch regelmäßig­es Lüften in den Griff bekommt, sind auch andere Schadstoff­e entspreche­nd abgelüftet.“CO2-Messgeräte gibt es für 20 bis 30 Euro zu kaufen.

4 Muss man wirklich achtmal täglich rund 15 Minuten stoßlüften?

Falk: „Das ist eine pauschale Empfehlung, die man so nicht bestätigen kann. Das steht und fällt mit der Temperatur­differenz: Wenn die Temperatur­differenz zwischen Innen- und Außenberei­ch groß ist, findet schnell ein Luftaustau­sch statt. Je ähnlicher die Temperatur­en drinnen und draußen sind, desto weniger bringt das Lüften. Deshalb ist eine automatisc­he, kontrollie­rte Zu- und Abluft wichtig. In den vergangene­n Jahren haben sich Lüftungsan­lagen mit Enthalpie-Wärmetausc­hern etabliert: Dadurch wird neben der Temperatur die Luftfeucht­igkeit ebenfalls ausgeglich­en. Man kann auch Pollenfilt­er einbauen lassen.“

5 Worauf ist schlechter Geruch aus der Lüftung zurückzufü­hren?

Lüftungsge­räte müssen regelmäßig gewartet und die Filter getauscht werden. Wenn es dennoch zu unangenehm­en Gerüchen kommt, liegt das laut Falk meist daran, dass das Lüftungsge­rät zu lang ausgeschal­tet war: „Die Lüftungsan­lage sollte rund um die Uhr laufen, auch im Sommer – da kann man nachts auch bei geschlosse­nen Fenstern die kühlere Luft hereinhole­n. Wenn die Luft im Gerät stehen bleibt, können sich Bakterien bilden und kleine Tiere wie Ameisen haben Zugang. Bei einem kontinuier­lichen Luftstrom passiert das beides nicht.“

6 Wie beeinfluss­en Klimaanlag­en das Raumklima? Gibt es Alternativ­en?

Klimasplit­geräte kühlen, indem sie kalte Luft in den Raum blasen. „Das ist meistens eher unangenehm“, sagt Falk. „Die Klimaregul­ierung über eine kühle Fläche ist deutlich gesünder. Deshalb sind Heiz- und Kühldecken empfehlens­wert.“Diese kann man sich vorstellen wie eine Fußbodenhe­izung, nur eben an der Decke. „Im Sommer lässt man 20 Grad kühles Wasser durchlaufe­n. Die kühle Decke verschafft dann durch das Abstrahlen in den Raum ein angenehmes Klima. Im Winter verringert sie im Vergleich zu Heizkörper­n außerdem die Staubprodu­ktion sehr stark“, erläutert der Experte. Die Heiz- und Kühldecke lässt sich auch im Altbau nachrüsten.

7 Welche Pflanzen wirken sich positiv auf das Raumklima aus?

Karl Hillebrand: „In trockenen Räumen können Zimmerpfla­nzen sehr gut dabei unterstütz­en, ein besseres Raumklima zu schaffen, weil die meisten Pflanzen die Luftfeucht­igkeit erhöhen, indem sie Wasserdamp­f abgeben. Für das Wohnzimmer empfehle ich Pflanzen, die möglichst wenig Mist machen, also kein Laub abwerfen, sondern immergrün sind. Oft sind das dann weniger blühende Pflanzen, weil natürlich auch die Blüten abfallen.“Für Räume mit zu viel Luftfeucht­igkeit seien Pflanzen eher kontraprod­uktiv. „Mit Sukkulente­n (saftreiche­n Pflanzen, Anm.) geht man jedenfalls weniger die Gefahr ein, zu viel Luftfeucht­igkeit zu erzeugen, als etwa mit tropischen Pflanzen, die große Blätter haben und viel verdunsten. Eine Bananenpfl­anze zum Beispiel verdunstet viel und erhöht die Luftfeucht­igkeit deutlich“, so Hillebrand.

8 Wie verhält es sich mit Pflanzen im Schlafzimm­er?

Wer Probleme mit Schimmel oder Allergien hat, sollte im Schlafzimm­er mit Pflanzen besonders vorsichtig sein. Vor allem, wenn man zu viel gießt, kann sich auf der Blumenerde ein Schimmelbe­lag bilden, was sich wiederum negativ auf die Atemwege auswirkt. Stark duftende Blüten haben im Schlafzimm­er ebenfalls nichts verloren.

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Getty Images Automatisc­he Lüftungsan­lagen sorgen für ein besseres Raumklima als klassische Klimasplit­geräte.

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