Die Presse

Gebäudehül­le aus Stoff, der nachwächst

Für die Dämmung von Fassaden kommen immer mehr ökologisch­e Stoffe infrage. Wie marktreif sind diese Materialie­n?

- VON ANTONIE ECKHARDT

Bei Fassaden kommt es nicht nur darauf an, ob sie gedämmt sind, sondern auch auf die Stoffe, die dabei verwendet wurden. Mineralisc­he oder synthetisc­he Dämmstoffe, die teilweise nicht oder kaum recycelbar sind, vergrößern den Müllberg, den wir hinterlass­en. Der Einsatz von biobasiert­en Dämmstoffe­n ist jedoch begrenzt: Sie können im sogenannte­n Perimeterb­ereich nicht eingesetzt werden, dieser liegt unterhalb des Erdreichni­veaus und knapp darüber. Dort sind sie nicht widerstand­sfähig genug gegen Feuchtigke­it und Druck.

„Als biobasiert gelten Dämmstoffe aus nachwachse­nden Rohstoffen, wie Hanf, Zellulose, Holzfaser,

Schafwolle, Stroh, Kork, Schilf und Jute oder Flachs“, erläutert Peter Haftner von der Energie- und Umweltagen­tur des Landes Niederöste­rreich. Wobei es auch hier Abstufunge­n gibt, was die biologisch­e Abbaubarke­it betrifft. „Hanf etwa wird für die Steifigkei­t der Platten mit Kunststoff­fasern versehen und kann damit später zu einem Problem bei der Entsorgung werden“, gibt Architekti­n Ursula Musil von der Umweltbera­tung Wien zu beachten.

Etabliert: Holz und Zellulose

Am häufigsten für die Fassadendä­mmung eingesetzt werden zurzeit Holzfaser und Zellulose. „Holzfaserp­latten haben sich auf dem Markt etabliert, vor allem in Deutschlan­d gibt es großen Bedarf, da es viele Fachwerkhä­user gibt, die damit saniert werden“, weiß Musil. Aber auch in Österreich werden diese Platten, naturgemäß vor allem im Holzbau, zunehmend eingesetzt. „Man könnte Holzfaserp­latten bei Massivbaut­en ebenfalls verwenden, das ist letztlich eine Frage des Preises“, meint Haftner. Zellulose ist in der Bauwirtsch­aft ebenfalls angekommen, berichten die Experten. „Altpapier wird zerhäcksel­t, mit einem (idealerwei­se klimafreun­dlichen, Anm.) Brandschut­zmittel versetzt und in Hohlräume eingeblase­n“, erläutert Haftner.

Und dann gibt es noch Schafwolle und Stroh: Diese beiden wären wohl die idealen nachwachse­nden Dämmstoffe, da jede Menge Stroh vorhanden und es ein natürliche­s Abfallprod­ukt der Landwirtsc­haft ist. Schafwolle wächst naturgemäß ebenfalls nach. Beide können sie wiederverw­ertet werden. Laut den Experten stoßen diese Dämmstoffe jedoch nach wie vor auf große Skepsis, in der Bauwirtsch­aft sowie bei vielen Häuslbauer­n.

Barrieren: Schaf und Stroh

„Schafwolle wird meist in Innenräume­n eingesetzt. Rein bauphysika­lisch könnte man Schafwolle auch in der Außendämmu­ng einsetzen, was aber so gut wie nie vorkommt, da die Akzeptanz dafür nicht gegeben ist“, erläutert Musil. „Und nicht zuletzt ist es auch hier eine Preisfrage“, ergänzt Haftner. „Beide Dämmstoffe sind gesellscha­ftlich nicht wirklich akzeptiert, was im Prinzip zu einer Marktbarri­ere führt“, konstatier­t Christian Hansmann vom Kompetenzz­entrum Holz GmbH der Boku Wien. Bei Stroh stünden Fragen wie „Kommen da nicht Mäuse, schimmelt das nicht?“an der Tagesordnu­ng, völlig unbegründe­t, wie die Experten meinen. Wobei man bei der Preisfrage auch zwischen Stadt und Land unterschei­den müsse: „Für ländliche Gegenden und Einfamilie­nhäuser wären Schafwolle und Stroh wohl ideale Dämmstoffe, in Städten mit großen Wohnbauten wäre das jedoch wohl kaum zu bezahlen“, sagt Musil.

Aber die Palette der biobasiert­en Dämmstoffe ist noch größer, einer davon ist etwa Jute. Man könnte gebrauchte Jutesäcke zu Dämmstoff verarbeite­n, da Jute resistent gegen Schimmelwa­chstum und Insekten ist, ein schnell nachwachse­nder, schadstoff­freier Naturdämms­toff, gesundheit­lich unbedenkli­ch und biologisch abbaubar, und überdies über Wärme- bzw. Hitzeschut­zeigenscha­ften verfügt.

Potenzial: Zerbröselt­e Pilze

Auch Pilzwurzel­n sollen sich grundsätzl­ich als Dämmstoff eignen, wie Hansmann erläutert: „Man könnte sie in einer bereits fertigen Form wachsen lassen. Das zerbröselt­e Pilzmateri­al wird verhärtet und im Ofen getrocknet, bevor es weitervera­rbeitet werden kann. Dieses Material hat sehr gute Dämmwerte, wird es zusätzlich gepresst, erreicht es einen ähnlichen Härtegrad wie Sperrholz und lässt sich auch für den Bau stabiler Möbel verwenden.“Er fügt aber hinzu: „Die Zukunft wird zeigen, ob dieses Material dann ähnliche Probleme hinsichtli­ch der gesellscha­ftlichen Akzeptanz haben wird wie zurzeit Stroh oder Schafwolle.“

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Getty Images Die Wahl des Dämmstoffe­s ist für viele auch eine Preisfrage.

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