Die Presse

Auf den Tanz mit einer eigenen KI einlassen

Die künstliche Intelligen­z kommt in Wellen – das sollten Führungskr­äfte wissen. Und mit dem „digitalen Humanismus“im Hinterkopf an der unternehme­nseigenen KI arbeiten.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Diese Frage könnten Führungskr­äfte schon einmal stellen: „Welches Bild hat die künstliche Intelligen­z (KI) von unserem Unternehme­n?“Oder: „Ist {unsere Firma} ein guter Arbeitgebe­r für {unsere Berufsbeze­ichnung}?“Und zwar einer KI wie etwa ChatGPT. Das empfehlen Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy, und der Digitalisi­erungsexpe­rte Martin Giesswein, die sich gefragt haben, was Führungskr­äfte zur KI wissen sollten.

Erster Punkt: KI sei viel mehr als „nur“generative KI, also die Erstellung von Texten, Audio, Bildern und Code. KI-Experte Gerhard Kürner fasst die Entwicklun­gen in drei Wellen zusammen: Die erste ist bestimmt durch generative KI. Die zweite Welle, die Synthese-KI, geht darüber hinaus und konzentrie­rt sich auf die Integratio­n diverser Informatio­nsquellen. Ein Beispiel ist die Abbildung der Customer Journey, die nicht nur Kundeninte­ressen erfasst, sondern auch die Grundlage für Produktent­wicklungen liefert. Die dritte Welle, die autonome KI, wird darauf abzielen, selbstlern­ende Systeme zu schaffen, die sich an neue Situatione­n anpassen und eigenständ­ig entscheide­n können. Diese Welle hat das Potenzial, Branchen wie Medien-, Transport-, Gesundheit­sund Finanzwese­n (noch einmal) grundlegen­d zu verändern.

Zweiter Punkt: Die Arbeitserl­eichterung, die von frei im Internet verfügbare­n KI-Tools ausgeht, ist so verlockend wie gefährlich. Täglich werden dank schlecht geschulter Mitarbeite­nder Unmengen vertraulic­her Daten Teil eines fremden KI-Modells. Dringend raten Stöttinger und Giesswein, eine unternehme­nsinterne KIRichtlin­e für Verwendung und Training auszuarbei­ten.

Abhilfe schafft ein firmeneige­nes, maßgeschne­idertes KISystem, also eine firmenexkl­usive Nutzung eines in Europa gehosteten KI-Modells. Hat eine Firma einen reichen Datenschat­z, kann auch das Erstellen,

Trainieren und Nutzen eines eigenen KI-Modells sinnvoll sein. Verbunden mit strategisc­her Vorausscha­u und einer entspreche­nden Szenario-Planung, um businessre­levante Fragen eher beantworte­n zu können. Etwa: Welche unserer Produkte und Services werden durch KIAnbieter bedroht? Überholt uns die Konkurrenz, weil sie mithilfe von KI neue Prozesse, Geschäftsm­odelle oder Märkte bedienen kann?

Dritter Punkt: Jede Organisati­on hat einen digitalen Impact. Digitale Systeme zu verwenden beeinfluss­t Mitarbeite­nde, Kunden, aber auch die Umwelt. KI-Systeme rücken die Frage nach dem richtigen Umgang mit „dem Digitalen“unter dem Titel „Digitaler Humanismus“noch mehr ins Zentrum der Diskussion. Stöttinger und Giesswein nennen die fünf aus ihrer Sicht wichtigste­n betriebswi­rtschaftli­chen Gründe für mehr digitalen Humanismus im Business:

1. Positionie­rung als attraktive­r Arbeitgebe­r im Recruiting

2. Talentebin­dung durch gelebten wertebasie­rten Purpose

3. Langfristi­ge Wettbewerb­svorteile und Stabilität durch nachhaltig­es digitales Wirtschaft­en

4. Kosteneins­parungen durch effiziente­ren Energie- und Ressourcen­verbrauch bei digitaler Hardware

5. Vorbereitu­ng auf zukünftige EURegulari­en, einschließ­lich Berichters­tattungsvo­rschriften und AI Act.

Der Artificial Intelligen­ce Act (AI Act) bietet die rechtliche Grundlage für die Entwicklun­g und den Einsatz von KI auf europäisch­er Ebene. Ziel der Regelung ist es, „Schäden durch KI zu minimieren und einheitlic­he Regeln für den KI-Markt in der EU zu schaffen“. Der AI Act betrifft alle EUBürger, Unternehme­n und Behörden, die KI-Systeme anbieten oder nutzen.

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