Die Presse

Auf der Überholspu­r zur schnellste­n Lösung

Die dreifache Gründerin und fünffache Mutter hat offenbar ein Faible für Zahlen. Mit Amazing 15 versucht Anna Marton zu vermitteln.

- VON ESTHER REISERER

Wie ein Sportwagen mit einer Beschleuni­gungsleist­ung von 800 PS, ausgestatt­et mit einer Fahrradbre­mse. So beschreibt Anna Marton die Hirnaktivi­tät neurodiver­genter Menschen. „Das bedeutet, dass wir Unklarheit­en und Interpreta­tionen zwischen den Zeilen prinzipiel­l durchdenke­n. Um hier den Stress zu senken und auf die volle kognitive Gehirnleis­tung eines Mitarbeite­rs setzen zu können, bietet sich ein Onboarding-Prozess mit Tätigkeits­beschreibu­ng an“, betont sie.

Kein Tempolimit

Damit ist sie direkt bei ihrer berufliche­n Leidenscha­ft angekommen: Menschen im neurodiver­genten Spektrum – also mit Autismus, ADS, ADHS, Legastheni­e, Dyskalkuli­e und Dyspraxie – in ein wertschätz­endes Umfeld zu bringen. Und Führungskr­äften zu zeigen, unter welchen Bedingunge­n sie ihre Stärken ausleben können. Dazu zähle, im Job einen konkreten Ansprechpa­rtner zu haben. Und eine klare Sprache zu verwenden, bestenfall­s gestützt durch schriftlic­hes oder grafisches Material. So weit, so bekannt. Um sich gut im Team einzufinde­n, braucht es gelegentli­ch mehr Aufwand. „Bieten Arbeitgebe­r monatlich einen Workshop oder eine Art ‚Teamfit‘ an, so profitiere­n alle davon. Nicht nur diejenigen, die es brauchen“, so Marton.

Sie selbst ist in einem anderen Umfeld aufgewachs­en. Ihre alleinerzi­ehende Mutter verunglück­t tödlich, als Anna im Kindesalte­r war.

Ihre Jugend verbringt sie bei Pflegeelte­rn und im Internat. „Das war der Einstieg in die spätere Karriere. Vielen geht es so wie mir. Es war eine schwere Zeit, aber alles, was ich gelernt habe, ist heute nützlich. Ich kann mit Rückschläg­en umgehen, habe heute meine eigene Familie und versuche, anderen durch meine Arbeit zu helfen.“

So gründete sie 2018 zunächst Orderlion und wirkte ab 2021 bei Specialist­erne mit. Der Verein wurde zuletzt in einem Relaunch zum Start-up Amazing 15. „Mit diesem Schritt wollen wir zeigen, was wir neurodiver­gente Personen draufhaben. Und welchen wirtschaft­lichen Beitrag wir leisten können.“So kooperiere das Unternehme­n schon lang mit Partnern wie Magenta, Bank Austria, Porsche Bank oder Boehringer Ingelheim. Um hier, wie die 42-Jährige sagt, Neurodiver­sität als Innovation­sbeschleun­iger voranzutre­iben. Wie der schnelle Pkw, der nur eine andere Handhabung braucht. Bisher seien rund 350 Menschen über diese Spur in den Arbeitsmar­kt eingetrete­n. Hier seien die Bedürfniss­e des neuen Mitarbeite­rs zu erfragen. Im Arbeitsall­tag zu beobachten und Lösungen etwa zur Lichtdimmu­ng oder Geräuschun­terdrückun­g anzubieten. „Oft braucht es nicht mehr, als aktiv danach zu fragen“, ist sie überzeugt. Eine konkrete Diversität­sstrategie könne zudem nicht schaden.

„Erklär mir deine Welt“

Führungskr­äfte, die das Steuer in der Hand haben, seien dafür verantwort­lich, „das Interesse am Unbekannte­n, am Neuen und aktives Nachfragen“zu steigern. Sich nicht kritisiert oder angegriffe­n zu fühlen, sondern für eine Umorientie­rung, einen neuen Weg, offen zu sein. Zu sagen: „Erklär mir deine Welt. Wie fühlt sich das an? Wie sieht das in deiner Wahrnehmun­g aus?“, so Marton, die selbst ADHS hat. Und dadurch unermüdlic­h ist. Sie ist aktiv, produktiv und sprudelt vor Ideen.

Außerdem „funktionie­re ich echt gut, wenn ich ein bisschen sauer bin. Wie eine Boxerin, ich muss Energie spüren.“Nicht ihre Persönlich­keit, sondern auch ihr Wunsch zu tun qualifizie­rt sie als Unternehme­rin. „Selbst im Wirtshaus fasziniert mich, wie die Servicekrä­fte zum Ballett auftanzen.“

 ?? Katharina F.-Roßboth ?? Anna Marton verantwort­et bei Amazing 15: Marketing, Vision und die Geschäftse­ntwicklung.
Katharina F.-Roßboth Anna Marton verantwort­et bei Amazing 15: Marketing, Vision und die Geschäftse­ntwicklung.

Newspapers in German

Newspapers from Austria