Do it yourself
Upcycling mal anders: Elektromotoren zum Nachrüsten verwandeln konventionelle Fahrräder in E-Bikes. Aber ist das praktisch, sinnvoll und legal?
Wie man sein Fahrrad zum E-Bike aufrüstet
Wozu ein E-Bike kaufen, wenn man auch das vorhandene eigene Fahrrad elektrifizieren kann? Das dachten sich schon viele Bastler und statteten ihr Radl auf eigene Faust mit einem Elektromotor aus. Und gar nicht so wenige von ihnen witterten darin auch eine Geschäftsidee: Alleine in Österreich gibt es mittlerweile rund ein Dutzend Hersteller von E-Bike-Umbausätzen. Nimmt man die Lösungen internationaler Produzenten dazu, wird der Markt schnell unübersichtlich. Aber Vorsicht: Nicht alle Lösungen passen für jedes Rad. Und nicht alles, was möglich ist, ist auch legal.
Große Investition.
Für manche Radler kann ein Umbausatz eine praktische Lösung sein. Wer aber darauf hofft, viel Geld für ein E-Bike zu sparen, wird vielleicht ernüchtert werden: Auch die günstigeren unter den seriösen Umbau-Kits kommen inklusive Akku auf zumindest 700 Euro – ohne Montage. Die meisten bewegen sich im Bereich 1.000 bis 2.000 Euro. Wer nach Vor- und Nachteilen gegenüber fertigen E-Bikes sucht, kommt schnell drauf, dass sich nur wenige Pauschalaussagen treffen lassen. Manche Elektrofahrräder von der Stange haben bei leerem Akku bzw. ausgeschaltetem Motor immer noch einen erhöhten Tretwiderstand, andere nicht. Für Nachrüstsätze gilt dasselbe. Manche sind klobig, andere schlank, aerodynamisch oder gar fragil. Manche schaffen beeindruckende Reichweiten, andere machen schnell schlapp und so weiter …
Kein Motor gleicht dem anderen.
Die Vielfalt bei den Umbau-Lösungen zeigt sich schon in der Art des Antriebs: Radnabenmotoren für das Vorder- oder Hinterrad, Tretlagerantriebe, Reibrollenmotoren und Kettenantriebe stehen zueinander in Konkurrenz. Die meisten machen das Fahrrad zum Pedelec, liefern also nur während des Tretens Unterstützung, mit einigen Modellen (zum Beispiel von beeon aus Graz) lässt sich aber auch ohne zu treten beschleunigen. Der Akku wird einmal unter dem Sattel platziert, einmal am Gepäckträger, einmal direkt ins Hinterrad integriert (beim „Copenhagen Wheel“, siehe Kasten Seite 52) und einmal als Trinkflasche getarnt (etwa bei add-e, ebenda). Die Steuerung der Fahrmodi ist ebenfalls ganz unterschiedlich: hier am Lenker, dort direkt am Motor, manchmal sogar ausschließlich per Handy-App. Unterschiede gibt es auch bei vielen weiteren Themen wie Energierückgewinnung (oder nicht). Praktisch, aber eher die Ausnahme als die Regel: Bei manchen Produkten kann man den Motor einfach zwischen mehreren entsprechend ausgerüsteten Fahrrädern wechseln.
Technische Grenzen.
Was die Auswahl rasch einschränkt, sind die Voraussetzungen des aufzurüstenden Fahrrads: Bei Radnaben-Lösungen muss zum Beispiel die Gabel ausreichend breit sein. Manche Kits erfordern Scheibenbremsen, bei anderen sind diese wiederum ein Ausschlusskriterium. Auch vorhandene Rücktrittbremsen sind oft nicht kompatibel. Manche Kits erfordern sogar ganz konkret eine bestimmte Shimano-Schaltung, damit sie eingebaut werden können. Apropos einbauen: Da hat man die Wahl zwischen selber machen und machen lassen. Auch hier verfolgen die Hersteller verschiedene Philosophien. Der deutsche Anbieter Pendix beispielsweise schreibt vor, dass den Umbau ein zertifizierter Händler vornimmt. Hier muss man also noch ein paar Stunden Arbeitszeit zum Preis dazurechnen. Dagegen ist der Reibrollenmotor des Kärntner Start-ups add-e explizit „als Nachrüstsystem gedacht, welches vom Kunden selbst montiert werden kann“. Ein Video zeigt es vor – Resümee: Wer schon an einem IKEA-Kasten verzweifelt, sollte sich gut überlegen, ob er sich den Umbau antun will.
Wer an einem IKEA-Kasten verzweifelt, sollte sich den Umbau vielleicht nicht antun.
Aufpassen bei der Maximalleistung, damit aus dem Rad kein Moped wird.
Zulässig, aber nicht ohne Folgen.
Wer das Rad umbaut, ist unter Umständen auch rechtlich verantwortlich – zum Beispiel im Fall eines Unfalls. „Wenn ich den Umbau beim Händler machen lasse, bin ich rechtlich besser dran“, erklärt Alexander Letitzki vom ÖAMTC. „Dann trifft mich keine Produkthaftung und der Händler haftet im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung für den fachgerechten Umbau. Eine eventuelle Garantie des Radherstellers verfällt aber trotzdem, wie auch bei anderen Umbauten.“Viele Hersteller schließen mittlerweile ein Umrüsten in der Betriebsanleitung explizit aus – umgekehrt gibt es aber auch vereinzelt als „E-Bike-ready“gekennzeichnete Rahmen. Während einige Internet-Seiten ausdrücklich davon abraten, das Rad selbst nachzurüsten,
sieht Letitzki das gelassener: „Auch ein E-Bike gilt gesetzlich – solange der Motor nicht zu stark ist – wie ein normales Fahrrad, nicht als Kraftfahrzeug. Damit ist keine Typgenehmigung erforderlich und somit der Selbstbau legal.“Allerdings empfiehlt der ÖAMTC-Experte, einen Blick in die eigene Privathaftpflichtversicherung zu werfen, die in der Regel in der Haushaltsversicherung enthalten ist: „Dort kann ein E-Bike wie im Gesetz als Fahrrad gelten, es könnte aber auch als Motorfahrzeug definiert sein und damit von der Versicherung ausgeschlossen.“ Fix ist, dass der Motor laut Kraftfahrgesetz nur bis 25 km/h unterstützen und höchstens 600 Watt Maximalleistung liefern darf. Hier heißt es, genau schauen: Oft wird nämlich nicht die Maximalleistung eines Motors angegeben, sondern die Nenndauerleistung, die deutlich niedriger ist.
Ist der Motor stärker oder unterstützt er höhere Geschwindigkeiten, wird das Fahrrad rechtlich wie ein Moped behandelt, und dann wird’s richtig kompliziert – von Typgenehmigung bis zu Pickerl-, Versicherungs- und Helmpflicht.
Gut für spezielle Fälle.
Fazit: Wer mit dem Gedanken spielt, sein Fahrrad mit einem Elektromotor auszustatten, sollte sich ausgiebig mit dem Thema beschäftigen. Eine große Ersparnis darf man nicht erwarten, und der Griff zu einem fertigen Elektrofahrrad ist jedenfalls die deutlich einfachere Lösung. Sinnvoll kann der Umbau etwa dann sein, wenn man das treue Lieblingsrad nicht aufgeben will, aber den Komfort eines Elektroantriebs sucht, oder einen speziellen Drahtesel wie ein Tandem oder Lastenrad aufrüsten möchte.