Mark Harzheim reist per E-Bike um die Welt – mit PV-Panel am Anhänger
Wie ein Ufo wird Mark Harzheims Gefährt oft angestarrt: Ein
Elektrofahrrad mit Solarpanel am Anhänger trifft man nicht alle Tage. Seit drei Jahren radelt der Deutsche stressfrei der Sonne entgegen. Nach 36.000 Reisekilometern meldet er sich aus Osttimor.
Mark, wie bist du auf die Idee gekommen, ausgerechnet per E-Bike um die Welt zu reisen?
Früher bin ich Motocross gefahren, dabei fünf Jahre in der Weltmeisterschaft. Nach einem Kreuzbandriss und vielen Operationen ist das rechte Knie jedoch nicht mehr so belastbar. Bei längeren Fahrradtouren in Europa, auch mit Zelt und viel Gepäck, habe ich gemerkt, dass das Knie an seine Grenzen kommt und anschwillt. Dann habe ich ein E-Bike probiert und gemerkt, das funktioniert.
Anders zu reisen, zum Beispiel mit einem Motorrad, wäre nicht infrage gekommen?
Für mich ist das Reisen mit dem Fahrrad genial. Es ist langsam und du erhältst einen ganz anderen Kontakt zu den Leuten. Du lächelst, sie lächeln zurück – das hast du mit dem Motorrad nicht. Du bist auf Augenhöhe, wirst eingeladen. Ich fahre einfach gerne Fahrrad.
Eine echte Rarität ist dein SolarAnhänger. Was hat es damit auf sich?
Inspiriert hat mich eine Solar-Challenge, von der ich im Internet gelesen habe, ein Rennen quer durch Europa. Aber konstruiert ist der Anhänger individuell. Ich habe mir die Befestigung selbst ausgedacht, Photovoltaikzellen zusammengelötet, und ein Freund hat mir beim Bau des Gestells geholfen.
Für den Anhänger habe ich mich deshalb entschieden, weil es auf der Route einige Abschnitte gibt, wo man kaum eine Steckdose zum Laden findet.
Hat sich der Anhänger bewährt?
Ja, auf jeden Fall! Zum Beispiel in Myanmar, da war Strom oft nur abends drei Stunden lang vom Generator verfügbar – ohne das Panel wäre ich da schlecht weitergekommen. Auch in Australien werde ich es brauchen. Von Darwin möchte ich die Ostküste entlang fahren – da erwarte ich 3.000 Kilometer Outback, wo man wohl nirgends laden kann, das wird noch einmal eine Bewährungsprobe. Es funktioniert immer noch gut, aber der Wirkungsgrad hat etwas nachgelassen, unter anderem weil es jeder einmal anfassen möchte – viele kennen ja kein Solarpanel.
Was unterscheidet dein Rad von einem handelsüblichen Modell?
Das Rad ist von Patria, einer kleinen Manufaktur in Bielefeld, und war fast so konstruiert, wie ich es jetzt fahre. Es hat einen handgelöteten Stahlrahmen mit Verbindungsmuffen, der ist fast unverwüstlich und hat auch schon einen Auffahrunfall im Iran gut überstanden. Die meisten Fahrrad-Weltreisenden verwenden stählerne Rahmen, weil sie viel haltbarer sind als Alu. Außerdem habe ich mich für einen Zahnriemen statt einer Kette entschieden, weil der wartungsfrei ist. Auch das Piniongetriebe ist extrem wartungsarm – das ist praktisch ein Tretlagergetriebe, ähnlich aufgebaut wie bei einem Motorrad.
Hast du an deiner Ausrüstung seit dem Start im April 2016 etwas verändert?
Nein, ich habe aus den Vorbereitungsfahrten schon gewusst, was ich brauche. Nur ein paar Dinge, wie eine Schnorchelgarnitur, sind unterwegs dazugekommen.
Wie reagieren die Menschen auf dein Gefährt? Verstehen sie gleich, was sie da sehen, oder musst du es oft erklären?
Ich bin schon eine Weile in Südostasien unterwegs: Die meisten hier denken, da ist ein Ufo vor ihnen gelandet. Bis zum Iran haben die meisten schon irgendwo einmal ein Solarpanel gesehen, aber danach nicht – mit Ausnahme von Thailand, das ist recht weit entwickelt. Viele fragen, ob das mein Bett ist da hinten. Wenn jemand Englisch spricht, erkläre ich, wie der Antrieb funktioniert. Wenn jemand nicht Englisch spricht, versuche ich es mit Händen und Füßen, zeige auf die Sonne, zeige auf das Panel und die Batterie. Manchmal fällt dann der Groschen – aber nur selten.
Hattest du vor deiner Reise Erfahrung mit Photovoltaik?
Mit Photovoltaik nicht, mit Technik schon. Meine Motorräder habe ich immer selbst repariert. Ich habe dann Maschinenbau und Fahrzeugbau studiert und zwölf Jahre lang bei einer VW-Tochter Dieselmotoren entwickelt. Und die letzten Jahre vor der Abreise war ich bei der Entwicklung von Elektroautos dabei.
Willst du mit deiner Reise auch ein Statement für Elektromobilität setzen?
Ja, schon, ich möchte zeigen, dass man auch anders unterwegs sein kann. Und viele Menschen, denen ich erkläre, wie das Solarpanel und mein Rad funktionieren, erzählen das dann auch begeistert weiter: „Da war einer, der seinen eigenen Strom produziert!“Auch Elektroautos finde ich genial, vor allem für die Städte – kein Lärm, keine Abgase …
Sind Umweltschutz und Elektroantriebe auch in Südostasien ein gesellschaftliches Thema?
In einigen Ländern habe ich E-Fahrräder und E-Roller angetroffen, zum Beispiel in Vietnam und in Bali.
„Ich möchte mit meiner Reise zeigen, dass man auch anders unterwegs sein kann.“ Mark Harzheim, E-Bike-Globetrotter
Aber Umweltschutz und Energiebewusstsein stehen ganz hinten an. Null. Zero. Es gibt zwar in Asien immer wieder NGOs und Projekte, die das zum Beispiel in Schulen vermitteln – „Schmeiß doch kein Plastik in den Fluss, mach doch tagsüber das Licht aus“–, aber das ist noch nicht in der Breite angekommen. Einmal hat jemand zu mir gesagt: „Der Strom ist doch kostenlos.“– Dabei wurde die Elektrizität auf der Insel von einem großen Dieselgenerator erzeugt.
Du bist jetzt seit dreieinhalb Jahren unterwegs. Ist dein Ziel noch immer die volle Weltumrundung?
Ich war noch nie in Südamerika, Australien, Neuseeland und bin nach wie vor motiviert, die Tour zu beenden. Wann, das ist völlig offen. Finanziell funktioniert es ganz gut: Ich habe eine vermietete Eigentumswohnung und Ersparnisse, gebe kaum Geld für Übernachtungen aus. Und die einzelnen Komponenten des Rads sind von den Herstellern gesponsert, die bei Bedarf Ersatzteile nachsenden. Ich versuche nur, den Tag zu leben, denke nicht viel über morgen nach. Wenn ich morgens losfahre, weiß ich nicht, wo ich am Abend schlafen werde. Die Menschen sind überall herzlich und hilfsbereit. Vielleicht ist das auch der Vorteil von einem Radreisenden, dass man ihm helfen will, wenn er schmutzig und verschwitzt wo ankommt.
Du bist gerade in Dili in Osttimor. Wie wirst du nach Australien kommen?
Bevorzugt mit einem Frachtschiff. Vorgestern habe ich den Chef einer Shipping Company gesprochen, der hat schon mal nicht Nein gesagt – die Entscheidung liegt beim Kapitän. Von Vorteil ist, dass ich vor der Tour einen Seeleuteausweis gemacht habe, den man benötigt, um anzuheuern. Eine Alternative wäre, dass ich ein Segelboot finde. Und die allerletzte Möglichkeit wäre, einen ganzen Frachtcontainer zu beauftragen für die Ausrüstung – das kostet aber rund 2.000 Dollar plus Flugticket für mich, das möchte ich vermeiden. Die Ausrüstung kann jedenfalls nicht fliegen: Akkus über 100 Wattstunden sind wegen des Gefahrenpotenzials in Passagierflugzeugen verboten.
Zum Abschluss eine schwere Frage: Was waren die spannendsten, schönsten, bemerkenswertesten Plätze und Erlebnisse auf deiner Reise?
Insgesamt ist es die Herzlichkeit, der ich überall auf der ganzen Tour begegne. Ich versuche auch, den Menschen etwas zurückzugeben, zum Beispiel habe ich in Vietnam eine Woche lang Englisch unterrichtet. Als Land ist mein Favorit Nepal. Das ist allerdings kein Land, in das man zum Radfahren kommt – aber das Rad ist für mich auch nur ein Fortbewegungsmittel und nicht das Wichtigste der Tour. Ich bin nicht in Eile. Wenn ich Lust habe, fahre ich weiter. An Nepal haben mich die Menschen und die Naturerfahrung fasziniert. Ich war wandern im Himalaya. Die buddhistische Bevölkerung dort lebt einfach, aber ist sauglücklich. Der Ausblick auf den Mount Everest aus wenigen Kilometern Entfernung von einem Aussichtspunkt auf 5.800 Metern war vielleicht mein schönstes Einzelerlebnis. Sehr eindrucksvoll war es auch in Laos: Dort habe ich für 100 Dollar ein schmales, langes Fischerboot gekauft, die komplette Ausrüstung draufgepackt und bin sieben Tage lang den Mekong entlang gepaddelt. In einigen Dörfern, die man nur über den Mekong erreicht, haben die meisten Menschen vor mir glaube ich noch nie einen Ausländer gesehen.
Und wohl auch kein Smartphone – jedenfalls sind sie blitzartig weggelaufen, als ich ein Foto machen wollte. Ich weiß bis heute nicht, ob sie vielleicht gedacht haben, ich kann damit schießen.