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Carsharing und andere Lösungen abseits der Großstadt

Abseits der Großstadt kommt man ohne eigenes Auto nicht aus – oder doch? E-Carsharing allein kann das Problem nicht lösen. Aber Beispiele wie die aus Eichgraben und Biberach zeigen, dass es auch für ländliche Regionen elektrisch­e Alternativ­en zum Privat-P

- Text: Wolfgang Knabl

Ein Anruf genügt, dann kommt der ehrenamtli­che Chauffeur mit dem Elektroaut­o: Seit September 2015 fährt der gemeinnütz­ige Verein „ElektroMob­il Eichgraben“Bürger durch den Ort und zum Bahnhof. Mehr als 300.000 elektrisch­e Kilometer haben 70 ehrenamtli­che Fahrer in über 40.000 Fahrten bereits zurückgele­gt. So fördert der Verein die umweltfreu­ndliche Mobilität – und erleichter­t nicht nur jenen das Leben, die kein Auto besitzen, altersbedi­ngt nicht mehr oder noch nicht selber fahren. Für Erwachsene kostet das Service 24,90 Euro pro Monat. Der Verein betreibt auch ein Carsharing mit 5 Elektroaut­os. „Einige haben deshalb schon ihr Zweitauto verkauft“, berichtet Johannes Maschl, Energie- und Mobilitäts­beauftragt­er in Eichgraben. „Der Fahrdienst im Ortsgebiet bringt sie zum geborgten E-Auto. Das ist oft der Missing Link für ein funktionie­rendes Carsharing­Angebot am Land.“

Viele Angebote für wenige Wege. Es gibt in Österreich zahlreiche Carsharing-Systeme mit offenen oder geschlosse­nen Nutzerkrei­sen, die Elektroaut­os anbieten. Betreiber sind Vereine, Verkehrsun­ternehmen oder auch Gemeinden. Zu den größeren Projekten zählen unter anderem die Mühlviertl­er Plattform Mühlferdl, die Caruso Genossensc­haft und das ÖBB-Angebot Rail & Drive, das auch Elektroaut­os umfasst. Der Verkehrsve­rbund Tirol hat unlängst sein Angebot „Carsharing Tirol2050“vorgestell­t: Mit einem Aufpreis auf das Jahrestick­et für die Öffis kann man E-Autos verschiede­ner Betreiber nutzen. Alleine in Niederöste­rreich betreiben über 90 Gemeinden E-Carsharing-Projekte. „Die verkehrlic­he Wirkung dieser Angebote ist leider begrenzt“, meint Christoph Link, Senior Expert Mobility & Spatial Planning bei der Österreich­ischen Energieage­ntur. Viele Systeme seien

stationsba­sierte Angebote – und damit vor allem für Personen interessan­t, die in einem gewissen zeitlichen Rahmen an den Ausgangspu­nkt zurückkehr­en. Fahrten dieser Art machen nur einen kleinen Anteil aller Wege aus. Zudem ist oft Geduld gefragt, wenn etwa an einem Standort nur ein E-PKW zur Verfügung steht, der gerade unterwegs ist oder geladen werden muss. „Der eigene PKW bietet am Land, trotz aller Nachteile wie Kosten und ökologisch­e Auswirkung­en, Unabhängig­keit und Flexibilit­ät. Ein E-Carsharing-System, das nicht überwiegen­d aus altruistis­chen Gründen oder für gelegentli­che Mobilitäts­zwecke genutzt werden soll, müsste dieselben Vorteile bieten“, betont Christoph Link. Schließlic­h kann sich nicht jede Gemeinde über einen Verein wie den in Eichgraben freuen …

Fehlende Vernetzung. Sobald Fahrzeuge autonom auf den Straßen unterwegs sind, ist dieses Problem passé – dann kommt das Auto selbststän­dig zum nächsten Passagier. Kurzfristi­g könnte man zumindest eine Verbesseru­ng erzielen, indem man lokale E-Carsharing-Systeme in regionale Systeme integriert – bis hin zum flächendec­kenden, überregion­alen Angebot. „Mit Digitalisi­erung kann und wird diese Vernetzung gelingen“, ist Christiane Varga überzeugt. Sie forscht im Think Tank des Wiener Zukunftsin­stituts, fokussiert auf raumbezoge­ne Gesellscha­ftsanalyse. Für Varga kommt es nicht überrasche­nd, dass Verkehrsin­novationen in ländlichen Regionen passieren. „Das Mindset ändert sich dort massiv. Hohe Mieten in den

„Der eigene PKW macht unabhängig. Ein erfolgreic­hes E-Carsharing­System muss daher dieselben Vorteile bieten.“ Christoph Link, Österreich­ische Energieage­ntur

Städten und die Möglichkei­t, via Breitband im Homeoffice am Land zu arbeiten, bringen innovative Leute in die Provinz. Und diese wollen neue Mobilitäts­formen ausprobier­en.“ Prototypen und neue Konzepte lassen sich zudem in Regionen mit wenig Verkehrsau­fkommen leichter testen. So auch an der Hochschule Biberach im ländlichen Oberschwab­en: Mehr als 1.100 der 2.600 Hochschula­ngehörigen kommen täglich mit dem Auto. Die meisten fahren weniger als 20 Kilometer, sind aber Verkehrsch­aos und Parkplatzm­angel ausgesetzt. Das soll sich ändern.

„Innovative Leute i ziehen aufs Land i und wollen die neuen i Mobilitäts­formen i ausprobier­en.“i Christiane Varga, Zukunftsin­stitut

Zweirad zum Studentenp­reis. „Unsere Vision ist der energieaut­arke und emissionsf­reie Campus“, erklärt Professor Alexander Floß. Um klimaschäd­liche Emissionen und Parkraumpr­oblematik gleicherma­ßen zu reduzieren, wurde ein neues Mobilitäts­konzept initiiert: Kern ist die Umstellung des individuel­len Pendelverk­ehrs vom PKW auf E-Roller und Pedelecs. „Bei Praxistest­s über zwei Jahre hat sich der Einsatz dieser Fahrzeuge, die auch wesentlich weniger Parkraum benötigen, zumindest für Entfernung­en bis zu 20 km als sehr praktikabe­l erwiesen“, berichtet Floß. Die hochschule­igene Elektro-Zweiradflo­tte steht Hochschula­ngehörigen, Sponsoren und Kooperatio­nspartnern zur Verfügung. Daneben gibt es ein automatisc­hes Verleihkon­zept, E-Roller können günstig gekauft werden, und durch Nutzung der Fahrzeuge als Werbefläch­e können die Studenten Geld verdienen. Untergeste­llt und geladen werden können die Zweiräder im Move.Cube, einem Gebäude mit regenerati­ver Energiegew­innung.

Starthilfe ist gefragt. Kommt die Zeit, in der man auch am Land flächendec­kend elektrisch unterwegs sein kann, ohne ein E-Auto kaufen zu müssen? Johannes Maschl vom Verein „ElektroMob­il Eichgraben“meint, dass es dazu eine AnstoßFörd­erung für Projekte braucht. „Die ersten Jahre müssten subvention­iert werden. Es dauert, Carsharing am Land zu etablieren, wo fast jede Familie zwei Autos hat.“Dass selbstfahr­ende E-Autos im gemeinscha­ftlichen Dienst das Angebot des Vereins irgendwann obsolet machen, glaubt Maschl jedenfalls nicht: „Das lehnen die Leute ab. Nicht weil sie Angst davor haben. Sondern weil sie nicht nur von A nach B, sondern auch plaudern wollen.“

 ??  ?? Der Verein „ElektroMob­il Eichgraben“kutschiert Bürger im Ort von A nach B und bietet fünf E-Carsharing-Autos.
Der Verein „ElektroMob­il Eichgraben“kutschiert Bürger im Ort von A nach B und bietet fünf E-Carsharing-Autos.
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