Carsharing und andere Lösungen abseits der Großstadt
Abseits der Großstadt kommt man ohne eigenes Auto nicht aus – oder doch? E-Carsharing allein kann das Problem nicht lösen. Aber Beispiele wie die aus Eichgraben und Biberach zeigen, dass es auch für ländliche Regionen elektrische Alternativen zum Privat-P
Ein Anruf genügt, dann kommt der ehrenamtliche Chauffeur mit dem Elektroauto: Seit September 2015 fährt der gemeinnützige Verein „ElektroMobil Eichgraben“Bürger durch den Ort und zum Bahnhof. Mehr als 300.000 elektrische Kilometer haben 70 ehrenamtliche Fahrer in über 40.000 Fahrten bereits zurückgelegt. So fördert der Verein die umweltfreundliche Mobilität – und erleichtert nicht nur jenen das Leben, die kein Auto besitzen, altersbedingt nicht mehr oder noch nicht selber fahren. Für Erwachsene kostet das Service 24,90 Euro pro Monat. Der Verein betreibt auch ein Carsharing mit 5 Elektroautos. „Einige haben deshalb schon ihr Zweitauto verkauft“, berichtet Johannes Maschl, Energie- und Mobilitätsbeauftragter in Eichgraben. „Der Fahrdienst im Ortsgebiet bringt sie zum geborgten E-Auto. Das ist oft der Missing Link für ein funktionierendes CarsharingAngebot am Land.“
Viele Angebote für wenige Wege. Es gibt in Österreich zahlreiche Carsharing-Systeme mit offenen oder geschlossenen Nutzerkreisen, die Elektroautos anbieten. Betreiber sind Vereine, Verkehrsunternehmen oder auch Gemeinden. Zu den größeren Projekten zählen unter anderem die Mühlviertler Plattform Mühlferdl, die Caruso Genossenschaft und das ÖBB-Angebot Rail & Drive, das auch Elektroautos umfasst. Der Verkehrsverbund Tirol hat unlängst sein Angebot „Carsharing Tirol2050“vorgestellt: Mit einem Aufpreis auf das Jahresticket für die Öffis kann man E-Autos verschiedener Betreiber nutzen. Alleine in Niederösterreich betreiben über 90 Gemeinden E-Carsharing-Projekte. „Die verkehrliche Wirkung dieser Angebote ist leider begrenzt“, meint Christoph Link, Senior Expert Mobility & Spatial Planning bei der Österreichischen Energieagentur. Viele Systeme seien
stationsbasierte Angebote – und damit vor allem für Personen interessant, die in einem gewissen zeitlichen Rahmen an den Ausgangspunkt zurückkehren. Fahrten dieser Art machen nur einen kleinen Anteil aller Wege aus. Zudem ist oft Geduld gefragt, wenn etwa an einem Standort nur ein E-PKW zur Verfügung steht, der gerade unterwegs ist oder geladen werden muss. „Der eigene PKW bietet am Land, trotz aller Nachteile wie Kosten und ökologische Auswirkungen, Unabhängigkeit und Flexibilität. Ein E-Carsharing-System, das nicht überwiegend aus altruistischen Gründen oder für gelegentliche Mobilitätszwecke genutzt werden soll, müsste dieselben Vorteile bieten“, betont Christoph Link. Schließlich kann sich nicht jede Gemeinde über einen Verein wie den in Eichgraben freuen …
Fehlende Vernetzung. Sobald Fahrzeuge autonom auf den Straßen unterwegs sind, ist dieses Problem passé – dann kommt das Auto selbstständig zum nächsten Passagier. Kurzfristig könnte man zumindest eine Verbesserung erzielen, indem man lokale E-Carsharing-Systeme in regionale Systeme integriert – bis hin zum flächendeckenden, überregionalen Angebot. „Mit Digitalisierung kann und wird diese Vernetzung gelingen“, ist Christiane Varga überzeugt. Sie forscht im Think Tank des Wiener Zukunftsinstituts, fokussiert auf raumbezogene Gesellschaftsanalyse. Für Varga kommt es nicht überraschend, dass Verkehrsinnovationen in ländlichen Regionen passieren. „Das Mindset ändert sich dort massiv. Hohe Mieten in den
„Der eigene PKW macht unabhängig. Ein erfolgreiches E-CarsharingSystem muss daher dieselben Vorteile bieten.“ Christoph Link, Österreichische Energieagentur
Städten und die Möglichkeit, via Breitband im Homeoffice am Land zu arbeiten, bringen innovative Leute in die Provinz. Und diese wollen neue Mobilitätsformen ausprobieren.“ Prototypen und neue Konzepte lassen sich zudem in Regionen mit wenig Verkehrsaufkommen leichter testen. So auch an der Hochschule Biberach im ländlichen Oberschwaben: Mehr als 1.100 der 2.600 Hochschulangehörigen kommen täglich mit dem Auto. Die meisten fahren weniger als 20 Kilometer, sind aber Verkehrschaos und Parkplatzmangel ausgesetzt. Das soll sich ändern.
„Innovative Leute i ziehen aufs Land i und wollen die neuen i Mobilitätsformen i ausprobieren.“i Christiane Varga, Zukunftsinstitut
Zweirad zum Studentenpreis. „Unsere Vision ist der energieautarke und emissionsfreie Campus“, erklärt Professor Alexander Floß. Um klimaschädliche Emissionen und Parkraumproblematik gleichermaßen zu reduzieren, wurde ein neues Mobilitätskonzept initiiert: Kern ist die Umstellung des individuellen Pendelverkehrs vom PKW auf E-Roller und Pedelecs. „Bei Praxistests über zwei Jahre hat sich der Einsatz dieser Fahrzeuge, die auch wesentlich weniger Parkraum benötigen, zumindest für Entfernungen bis zu 20 km als sehr praktikabel erwiesen“, berichtet Floß. Die hochschuleigene Elektro-Zweiradflotte steht Hochschulangehörigen, Sponsoren und Kooperationspartnern zur Verfügung. Daneben gibt es ein automatisches Verleihkonzept, E-Roller können günstig gekauft werden, und durch Nutzung der Fahrzeuge als Werbefläche können die Studenten Geld verdienen. Untergestellt und geladen werden können die Zweiräder im Move.Cube, einem Gebäude mit regenerativer Energiegewinnung.
Starthilfe ist gefragt. Kommt die Zeit, in der man auch am Land flächendeckend elektrisch unterwegs sein kann, ohne ein E-Auto kaufen zu müssen? Johannes Maschl vom Verein „ElektroMobil Eichgraben“meint, dass es dazu eine AnstoßFörderung für Projekte braucht. „Die ersten Jahre müssten subventioniert werden. Es dauert, Carsharing am Land zu etablieren, wo fast jede Familie zwei Autos hat.“Dass selbstfahrende E-Autos im gemeinschaftlichen Dienst das Angebot des Vereins irgendwann obsolet machen, glaubt Maschl jedenfalls nicht: „Das lehnen die Leute ab. Nicht weil sie Angst davor haben. Sondern weil sie nicht nur von A nach B, sondern auch plaudern wollen.“