Gekommen, um zu bleiben
E-Scooter werden uns wohl auch nach dem aktuellen Boom erhalten bleiben. Richtig eingesetzt, können sie nämlich durchaus eine sinnvolle Rolle im Stadtverkehr übernehmen.
Anfangs als Spielzeug belächelt, haben sich E-Scooter inzwischen zu einem veritablen Beschäftigungsmodell für Verkehrsabteilungen von Städten ausgewachsen. In Graz ist man sich bewusst, dass sich die elektrifizierte Mikromobilität nicht aufhalten lässt. Um die negativen Begleiterscheinungen eindämmen zu können, fasste die Stadt bereits einen Grundsatzbeschluss, der einen Wildwuchs von Sharing-Anbietern verhindert. In Wien gab es im Oktober gar schon einen E-Scooter-Gipfel, um die Probleme mit den 8.000 E-Scootern von neun Leih-Anbietern in den Griff zu bekommen. Dabei geht es nicht nur darum, dass die Leihfahrzeuge wild abgestellt werden und Wege blockieren oder zur gefährlichen Falle für sehbehinderte Menschen werden. Auch die Exekutive ist bereits gut damit beschäftigt, E-Scooter-Fahrern die Verkehrsregeln näherzubringen. Allein im vergangenen Jahr gab es wegen E-Scootern mehr als 1.500 Polizeieinsätze. Selbst für Krankenhäuser wurde diese Mobilität zum Arbeitsbeschaffer. Denn das Kuratorium für Verkehrssicherheit hat berechnet, dass heuer in Österreich rund 1.000 E-Scooter-Fahrer bei Unfällen so schwer verletzt wurden, dass sie im Krankenhaus landeten.
Platzsparendes Fahrzeug
Doch die E-Scooter jetzt deswegen zu verdammen, wäre zu kurz gegriffen – und wohl auch sinnlos. Denn die E-Scooter haben ihr Gutes, und ein Ende des Booms ist nicht abzusehen. Davon ist auch Christian Gratzer, Sprecher des Verkehrs
club Österreich, kurz VCÖ, überzeugt: „Klar ist aus unserer Sicht, dass die Mobilität der Zukunft vielfältiger und multimodaler sein wird. Und als Teil des Mobilitätsmixes wird es auch E-Scooter weiterhin als Verkehrsmittel geben. Insgesamt ist in den vergangenen Jahren eine starke Zunahme verschiedenster Modelle an Klein- und Kleinstfahrzeugen zu beobachten. Eine Entwicklung, die grundsätzlich positiv ist, weil der Bedarf an platzsparenden Verkehrsmitteln vor allem im urbanen Raum zunehmen wird. Die individuelle Mobilität wird vielfältiger.“Zudem können E-Scooter als Teil der E-Mobilität ja auch einen Beitrag zur umweltschonenden Mobilität sein. Perfekt für die Peripherie Zumindest dann, wenn sie Fahrten mit dem Auto ersetzen. Das klingt im ersten Moment ein wenig weit hergeholt, ist aber in einem urbanen Umfeld durchaus denkbar. Denn wenn die Nutzung des Autos darauf basiert, dass der Weg zur nächsten U-Bahn-Station so weit ist, dass man ihn zu Fuß nicht bewältigen mag, dann ist der E-Scooter eine sinnvolle Lösung, um die Öffis attraktiver zu machen. Allerdings werden E-Scooter auch gerne dafür eingesetzt, Wege zu erledigen, die man ansonsten gegangen oder mit dem Rad gefahren wäre. „Dann verschlechtert sich die Bilanz im Vergleich zu vorher“, sagt Christian Gratzer. Er sieht den idealen Einsatz der E-Scooter vor allem in der Peripherie der Städte: „In Wien und Graz beispielsweise wären in den Außenbezirken E-Scooter-Sharing-Angebote eine optimale Ergänzung im Mobilitätsmix. In den Innenbezirken, wo es ohnedies ein dichtes Öffi-Netz gibt und die Wegdistanzen kürzer sind, ist aus Mobilitätssicht der Bedarf an E-Scootern deutlich geringer.“ Zahlen, bitte! Konkrete Daten, wie die E-Scooter heute in Österreich genutzt werden und zu welcher Mobilitätsart sie am ehesten in Konkurrenz stehen, gibt es derzeit noch nicht, erklärt Gratzer. Aber „im Forschungsbereich Verkehrsplanung und -technik der TU Wien läuft dazu derzeit ein Forschungsprojekt“, das in Kürze diesbezüglich Material liefern wird. Aber auch jetzt ist schon klar: „Da die SharingAnbieter sowohl in Wien als auch in Linz vor allem im innerstädtischen Bereich sehr aktiv sind, ist davon auszugehen, dass derzeit nur ein kleiner Teil der E-Scooter-Fahrten Autofahrten ersetzt“, ist Gratzer überzeugt. „Und wenn dann E-Scooter am Gehsteig herumstehen und den ohnedies meist zu geringen Platz für Fußgängerinnen und Fußgänger weiter einschränken, führt dies verständlicherweise bei vielen zu Ärger. Dass in Österreich sehr rasch gesetzlich verankert wurde, dass E-Scooter nicht am Gehsteig fahren dürfen, ist positiv. E-Scooter müssen die Infrastruktur für den Radverkehr benutzen. Da die Radwege schon vorher oft zu eng waren, ist die Politik gefordert, die Radwege zu verbreitern und dem Radverkehr mehr Platz einzuräumen.“Mit der Idee, den Radfahrern in Städten mehr Raum zu geben, wäre dann übrigens nicht nur den E-Scooter-Fahrern geholfen, sondern vordergründig auch dem Radverkehr. Der ist ja aus umweltpolitischer Sicht zweifelsfrei zu begrüßen – und dank der Pedelecs auch ein Bereich der sinnvollen E-Mobilität. E-Scooter mal anders Mit Guido Pfeiffermann hätte man auch gleich einen Mitstreiter für die Verbesserung der RadInfrastruktur, obwohl auch er nicht Rad fährt. Der Präsident des Tretroller- und Tretschlittenverbandes Österreich fuhr schon Tretroller, lange bevor die kleinen Kickscooter um die Jahrtausendwende die Gehwege eroberten. Auch einen elektrifizierten Tretroller bastelte der HTL-Professor bereits gemeinsam mit seinen Schülern. Der hätte zwar sogar Vorteile in der Verkehrssicherheit, da er größere Räder hat und stabiler zu fahren ist als die allgegenwärtigen Stadtflitzer, ist aber eben nicht so handlich. Der elektrische Pfeiffermann-Tretroller wird also im künftigen Stadtbild wohl keine tragende Rolle spielen – die kleinen E-Scooter dagegen schon.