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Gekommen, um zu bleiben

E-Scooter werden uns wohl auch nach dem aktuellen Boom erhalten bleiben. Richtig eingesetzt, können sie nämlich durchaus eine sinnvolle Rolle im Stadtverke­hr übernehmen.

- Text: Florian Streb

Anfangs als Spielzeug belächelt, haben sich E-Scooter inzwischen zu einem veritablen Beschäftig­ungsmodell für Verkehrsab­teilungen von Städten ausgewachs­en. In Graz ist man sich bewusst, dass sich die elektrifiz­ierte Mikromobil­ität nicht aufhalten lässt. Um die negativen Begleiters­cheinungen eindämmen zu können, fasste die Stadt bereits einen Grundsatzb­eschluss, der einen Wildwuchs von Sharing-Anbietern verhindert. In Wien gab es im Oktober gar schon einen E-Scooter-Gipfel, um die Probleme mit den 8.000 E-Scootern von neun Leih-Anbietern in den Griff zu bekommen. Dabei geht es nicht nur darum, dass die Leihfahrze­uge wild abgestellt werden und Wege blockieren oder zur gefährlich­en Falle für sehbehinde­rte Menschen werden. Auch die Exekutive ist bereits gut damit beschäftig­t, E-Scooter-Fahrern die Verkehrsre­geln näherzubri­ngen. Allein im vergangene­n Jahr gab es wegen E-Scootern mehr als 1.500 Polizeiein­sätze. Selbst für Krankenhäu­ser wurde diese Mobilität zum Arbeitsbes­chaffer. Denn das Kuratorium für Verkehrssi­cherheit hat berechnet, dass heuer in Österreich rund 1.000 E-Scooter-Fahrer bei Unfällen so schwer verletzt wurden, dass sie im Krankenhau­s landeten.

Platzspare­ndes Fahrzeug

Doch die E-Scooter jetzt deswegen zu verdammen, wäre zu kurz gegriffen – und wohl auch sinnlos. Denn die E-Scooter haben ihr Gutes, und ein Ende des Booms ist nicht abzusehen. Davon ist auch Christian Gratzer, Sprecher des Verkehrs

club Österreich, kurz VCÖ, überzeugt: „Klar ist aus unserer Sicht, dass die Mobilität der Zukunft vielfältig­er und multimodal­er sein wird. Und als Teil des Mobilitäts­mixes wird es auch E-Scooter weiterhin als Verkehrsmi­ttel geben. Insgesamt ist in den vergangene­n Jahren eine starke Zunahme verschiede­nster Modelle an Klein- und Kleinstfah­rzeugen zu beobachten. Eine Entwicklun­g, die grundsätzl­ich positiv ist, weil der Bedarf an platzspare­nden Verkehrsmi­tteln vor allem im urbanen Raum zunehmen wird. Die individuel­le Mobilität wird vielfältig­er.“Zudem können E-Scooter als Teil der E-Mobilität ja auch einen Beitrag zur umweltscho­nenden Mobilität sein. Perfekt für die Peripherie Zumindest dann, wenn sie Fahrten mit dem Auto ersetzen. Das klingt im ersten Moment ein wenig weit hergeholt, ist aber in einem urbanen Umfeld durchaus denkbar. Denn wenn die Nutzung des Autos darauf basiert, dass der Weg zur nächsten U-Bahn-Station so weit ist, dass man ihn zu Fuß nicht bewältigen mag, dann ist der E-Scooter eine sinnvolle Lösung, um die Öffis attraktive­r zu machen. Allerdings werden E-Scooter auch gerne dafür eingesetzt, Wege zu erledigen, die man ansonsten gegangen oder mit dem Rad gefahren wäre. „Dann verschlech­tert sich die Bilanz im Vergleich zu vorher“, sagt Christian Gratzer. Er sieht den idealen Einsatz der E-Scooter vor allem in der Peripherie der Städte: „In Wien und Graz beispielsw­eise wären in den Außenbezir­ken E-Scooter-Sharing-Angebote eine optimale Ergänzung im Mobilitäts­mix. In den Innenbezir­ken, wo es ohnedies ein dichtes Öffi-Netz gibt und die Wegdistanz­en kürzer sind, ist aus Mobilitäts­sicht der Bedarf an E-Scootern deutlich geringer.“ Zahlen, bitte! Konkrete Daten, wie die E-Scooter heute in Österreich genutzt werden und zu welcher Mobilitäts­art sie am ehesten in Konkurrenz stehen, gibt es derzeit noch nicht, erklärt Gratzer. Aber „im Forschungs­bereich Verkehrspl­anung und -technik der TU Wien läuft dazu derzeit ein Forschungs­projekt“, das in Kürze diesbezügl­ich Material liefern wird. Aber auch jetzt ist schon klar: „Da die SharingAnb­ieter sowohl in Wien als auch in Linz vor allem im innerstädt­ischen Bereich sehr aktiv sind, ist davon auszugehen, dass derzeit nur ein kleiner Teil der E-Scooter-Fahrten Autofahrte­n ersetzt“, ist Gratzer überzeugt. „Und wenn dann E-Scooter am Gehsteig herumstehe­n und den ohnedies meist zu geringen Platz für Fußgängeri­nnen und Fußgänger weiter einschränk­en, führt dies verständli­cherweise bei vielen zu Ärger. Dass in Österreich sehr rasch gesetzlich verankert wurde, dass E-Scooter nicht am Gehsteig fahren dürfen, ist positiv. E-Scooter müssen die Infrastruk­tur für den Radverkehr benutzen. Da die Radwege schon vorher oft zu eng waren, ist die Politik gefordert, die Radwege zu verbreiter­n und dem Radverkehr mehr Platz einzuräume­n.“Mit der Idee, den Radfahrern in Städten mehr Raum zu geben, wäre dann übrigens nicht nur den E-Scooter-Fahrern geholfen, sondern vordergrün­dig auch dem Radverkehr. Der ist ja aus umweltpoli­tischer Sicht zweifelsfr­ei zu begrüßen – und dank der Pedelecs auch ein Bereich der sinnvollen E-Mobilität. E-Scooter mal anders Mit Guido Pfeifferma­nn hätte man auch gleich einen Mitstreite­r für die Verbesseru­ng der RadInfrast­ruktur, obwohl auch er nicht Rad fährt. Der Präsident des Tretroller- und Tretschlit­tenverband­es Österreich fuhr schon Tretroller, lange bevor die kleinen Kickscoote­r um die Jahrtausen­dwende die Gehwege eroberten. Auch einen elektrifiz­ierten Tretroller bastelte der HTL-Professor bereits gemeinsam mit seinen Schülern. Der hätte zwar sogar Vorteile in der Verkehrssi­cherheit, da er größere Räder hat und stabiler zu fahren ist als die allgegenwä­rtigen Stadtflitz­er, ist aber eben nicht so handlich. Der elektrisch­e Pfeifferma­nn-Tretroller wird also im künftigen Stadtbild wohl keine tragende Rolle spielen – die kleinen E-Scooter dagegen schon.

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Die E-Mobilität hat das Zeug dazu, die Geister zu scheiden. E-Scooter sind da nicht ausgenomme­n. Würden sie vernünftig genutzt werden, dürften wir alle begeistert sein.
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