„Wir können die Physik nicht ändern“
Der Luftfahrtexperte Holger Friehmelt sieht nur wenig Chancen für die Elektromobilität im Massenflugverkehr. Für spezielle Transportaufgaben habe sie aber sehr wohl ihre Berechtigung.
Von „Flugscham“bis Besteuerung: Die Luftfahrtbranche gerät immer stärker unter Druck, ihre klimaschädlichen Emissionen zu reduzieren. Können die Flugzeugbauer dem CO überhaupt entkommen?
Die Luftfahrt hat ein tief sitzendes Interesse, umweltfreundlich zu wirtschaften. Jedes Kilo Treibstoff, das eingespart wird, senkt die Kosten. Bis zu 40 Prozent des Budgets der Airlines geht alleine in den Kauf von Kerosin. Daher kommen schon jetzt viele neue Technologien zum Einsatz, die dazu beitragen, dass das Fliegen weniger umweltschädlich wird. Ein wichtiger Aspekt ist dabei der Leichtbau – jedes Kilo, das nicht in die Luft befördert werden muss, hilft der CO2-Bilanz.
Zur Rettung des Klimas wird man wohl aber eher klotzen und nicht kleckern müssen. Müsste da nicht vom Gesetzgeber härter durchgegriffen werden?
Die Besteuerung von Kerosin fände ich nur dann sinnvoll, wenn das eingenommene Geld in die Erforschung von synthetischen Kraftstoffen fließen würde und nicht irgendwo im allgemeinen Budget versickert. Vor allem sehe ich aber keinen Nutzen in nationalen Alleingängen – das Fliegen kennt keine Ländergrenzen.
Als ein Ausweg aus der Misere liegen Hoffnungen auf das Fliegen mit elektrischem Strom. Wie realistisch sind diese Perspektiven?
Die Fliegerei braucht viel Energie, das ist Physik, das wird man nicht ändern können. Der große Vorteil von Kerosin ist, neben der hohen Energiedichte, dass es in der Luft verbrannt wird und somit das Gewicht des Flugzeugs reduziert. Ein A380 kommt um
120 bis 150 Tonnen leichter am Zielort an. Selbst wenn Batterien in Zukunft so gut weiterentwickelt sind, dass sie eine ähnlich hohe Energiedichte erreichen, wenn der Strom draußen ist, werden sie nicht leichter. Im Flugzeugbau, wo jedes Kilo zählt, ein enormer Nachteil.
Sie sehen in der Elektromobilität also keinen Ausweg für die Luftfahrt aus der Klima-Krise?
Zumindest nicht im Massentransport. Für gewisse Luftfahrtanwendungen kann Elektromobilität sinnhaft sein, wenn die Lösung der Problemstellung angepasst ist. Ich denke da an Transportaufgaben, die nicht erdgebunden ablaufen können, weil sie zu langsam oder sicherheitskritisch sind. Zum Beispiel der Transport von Spenderorganen: Es ist sehr viel effizienter, ein einzelnes Organ mit einer elektrisch betriebenen Drohne zu befördern als mit einem bemannten Hubschrauber.
Aber am Kerosin führt doch kein Weg vorbei?
Doch, aber wir können heute noch nicht entscheiden, welche Technologie uns in ein CO2-neutrales Reisen auf Langstrecken bringen wird. Zumindest jetzt ist nicht der Zeitpunkt, uns auf einen Energieträger festzulegen. Man muss abwägen, Erfahrungen sammeln, bis sich das Beste herauskristallisiert. Ich würde mich heute nicht trauen, zu sagen, in Zukunft wird alles elektrisch. Wie alles im Leben läuft die Entwicklung auf einen Kompromiss hinaus – vielleicht werden wir hybride Lösungen sehen.