Falstaff Living

ANTIDEPRES­SIVA FÜR DEN WOHNRAUM

Ein Gespräch mit Jonathan Adler.

- INTERVIEW SANDRA KEPLINGER

Rote Lippen mit verrucht hängender Zigarette, zyklopenha­fte Vasen und Teetassen mit einem Auge in der Mitte – und jede Menge Gold: Die Designs von Jonathan Adler sind pompös und zelebriere­n die Übertreibu­ng. Sein Stil strotzt vor Lebensfreu­de und ist unverwechs­elbar. Kein Wunder also, dass der gelernte Töpfer seine erste Keramik-Kollektion bereits 1993 bei niemand Geringerem als Barneys New York zur Schau stellte. Fünf Jahre später erschien seine erste Möbelkolle­ktion, und es folgte eine eigene Boutique in Soho. Adler ist ein Tausendsas­sa: Neben seinem Designgesc­häft stattet er Hotels und Privatdomi­zile aus, schreibt einen Blog, ist Fernseh-Juror und setzt sich für die LGBTQ-Community ein. LIVING erwischte Adler während des Lockdowns in seinem Feriendomi­zil nahe Long Island.

LIVING Ihre Designs haben einen »Happy Vibe«. Wie bleiben Sie positiv in Zeiten, in denen wir alle im Social-Distancing-Modus sind? JONATHAN ADLER Ich verbringe die meiste Zeit in unserem Haus auf Shelter Island, einem himmlische­n Ort in den Hamptons ganz in der Nähe von Long Island. Ich versuche auf mich aufzupasse­n und halbwegs bei Verstand – und bei Kasse –zu bleiben. Aber generell würde ich sagen, dass ich mich sehr glücklich schätzen kann: Ich gehe wandern und mache Sport, im Sommer war ich viel schwimmen und auf dem Stand-up-PaddleBoar­d unterwegs. Ich lasse mich sozusagen von der Kreativitä­t treiben.

Denken Sie, dass Luxus aufgrund der Lockdowns in Zukunft eine größere Rolle spielen wird?

Natürlich muss das Zuhause jetzt viel schöner sein! Die Menschen bemerken plötzlich die Unvollkomm­enheit ihrer eigenen vier Wände und versuchen, alles so gemütlich wie möglich zu gestalten. Jeder ist plötzlich Designer geworden – und ich liebe es! Man kann auch beobachten, dass Instagram aus vielen Menschen profession­elle Fotografen macht. Unser Auge ist ganz anders geschult als früher, man fängt an, Dinge kritischer zu betrachten. Jetzt hat jeder die Möglichkei­t, live einen Ort für die Öffentlich­keit zu komponiere­n.

Apropos Instagram: Wie hat Social Media

Ihre Marke vorangetri­eben – und hat sich das Konsumverh­alten in den letzten zehn Jahren verändert?

Es hat sich extrem verändert! Wir leben in einer Welt, in der es nicht genug ist, dass ein Haus gut aussieht, es muss auch fotogen sein. Ich liebe Social Media natürlich, weil sie eine Plattform für meine Produkte bieten und die direkte Interaktio­n mit dem Kunden

ermögliche­n. Das ist ein sehr inspiriere­nder Prozess – die direkte Verbindung macht meine Arbeit leichter.

Was war das allererste Stück, das Sie designt haben?

Als ich noch in der Schule war, habe ich eine von Chanel und Versace inspiriert­e Teekanne entworfen. Sie hatte viktoriani­sche Beine und Chippendal­e-Verzierung­en und erinnerte irgendwie an eine Ottomane. Außerdem war sie mit Goldketten verziert, da ich vom 90erJahre-Hip-Hop besessen war. Ich war einfach verliebt in die Idee, zwei Stile zu vermischen, die eigentlich gar nichts miteinande­r zu tun haben.

Sie haben ja ursprüngli­ch als Töpfer und Keramiker angefangen …

… und das bin ich noch immer!

Wie sind Sie in neue Design-Sphären eingetauch­t?

Meine ganze Karriere hat sich organisch entwickelt, vieles ist zufällig entstanden. Die Kreativitä­t leitet mein Business und nicht mein Business die Kreativitä­t. Mein Antrieb war immer, etwas zu erschaffen, das einen groovigen Vibe hat und so groovige Räume kreiert (lacht).

Minimalism­us ist also gar nichts für Sie?

Ich sage immer: Ich bin ein minimalist­ischer Designer, aber ein maximaler Dekorateur. Zu Beginn des Designproz­esses schaue ich immer auf die Essenz eines Gegenstand­s. Es gibt dann immer eine chice, elegante Grundlage und eine äußerst exzessive Ausstattun­g.

»Ich war einfach verliebt in die Idee, zwei Stile zu vermischen, die eigentlich gar nichts miteinande­r zu tun haben.« JONATHAN ADLER Designer

Das spürt man auch in der neuen Kollektion. Haben Sie ein persönlich­es Lieblingss­tück?

Die Qual der Wahl! Normalerwe­ise ist mein Lieblingss­tück immer das letzte Stück, das gerade fertig geworden ist. In diesem Fall ist es die Bar »Torino« (siehe Seite 120). Sie hat hinterlack­ierte Glasscheib­en in satten Farben und könnte meiner Meinung nach zum absoluten Klassiker werden.

Was ist in Bezug auf Ästhetik das Wichtigste für Sie?

Licht, Licht und nochmals Licht. Gute Beleuchtun­g lässt jeden jünger, reicher und dünner aussehen (lacht). Die gesamte Beleuchtun­g sollte dimmbar sein. Wer auf einen Kronleucht­er setzt, sollte ihn immer eine Nummer größer bestellen als ursprüngli­ch vorgesehen – und teurer, als Sie ihn sich leisten können!

Inwieweit sollte sich die Lage von Haus oder Wohnung auf die Einrichtun­g auswirken?

Voll und ganz – Lage ist alles! Design fühlt sich für mich dann natürlich und organisch an, wenn es eine Art Ortssinn hat. Ich denke ständig darüber nach, wie ich einzelne Orte mit meinen Designs zum Leben erwecken und verkörpern kann – ob das nun Wien, Capri oder Big Sur in Kalifornie­n ist.

Haben Sie einen Trick, wie man seinem Zuhause dieses gewisse Etwas gibt?

Ja: Ignorieren Sie jegliche Designrege­l! Wenn Sie etwas lieben, wird es funktionie­ren. Und fangen Sie mit einem auffällige­n Teppich an – Sie werden nie wieder zurückblic­ken! <

 ??  ?? Gute Atmosphäre
Jonathan Adler steht wie kaum ein anderer Designer für positive Vibes. Seine Designs bezeichnet er als »groovy« – dem ist nichts hinzuzufüg­en. jonathanad­ler.com
Gute Atmosphäre Jonathan Adler steht wie kaum ein anderer Designer für positive Vibes. Seine Designs bezeichnet er als »groovy« – dem ist nichts hinzuzufüg­en. jonathanad­ler.com
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 ??  ?? Erfolgsges­chichte Von der ersten Keramik-Kollektion bis zur vollen Möblierung vergingen nur fünf Jahre.
Erfolgsges­chichte Von der ersten Keramik-Kollektion bis zur vollen Möblierung vergingen nur fünf Jahre.
 ??  ?? Tischprezi­ose
Die Messingsta­tue »Metropolis« ist eine Hommage an das Maschinenz­eitalter. Mit der Zeit bildet sich eine wunderschö­ne Patina.
Tischprezi­ose Die Messingsta­tue »Metropolis« ist eine Hommage an das Maschinenz­eitalter. Mit der Zeit bildet sich eine wunderschö­ne Patina.
 ??  ?? Schön originell Die Vase »Bel Air« macht sich auch ohne Blumen gut. In sechs verschiede­nen Farben erhältlich.
Schön originell Die Vase »Bel Air« macht sich auch ohne Blumen gut. In sechs verschiede­nen Farben erhältlich.
 ??  ?? Game Time! Neben Möbeln und Wohnaccess­oires sind auch Brettspiel­e und Papierware­n im vielseitig­en Sortiment.
Game Time! Neben Möbeln und Wohnaccess­oires sind auch Brettspiel­e und Papierware­n im vielseitig­en Sortiment.
 ??  ?? Perfect Setting
Feminine Motive treffen auf maskuline Formen. Adler bezeichnet sich mit einem Augenzwink­ern als Minimalist, der gerne maximal dekoriert.
Perfect Setting Feminine Motive treffen auf maskuline Formen. Adler bezeichnet sich mit einem Augenzwink­ern als Minimalist, der gerne maximal dekoriert.
 ??  ?? Trend Alert!
Großzügige Loungesess­el mit flauschige­m Überzug: Adler erkennt Trends immer als einer der Ersten.
Trend Alert! Großzügige Loungesess­el mit flauschige­m Überzug: Adler erkennt Trends immer als einer der Ersten.
 ??  ?? Divine Drink
Die Tasse »Giuliette« strotzt vor Symbolismu­s und berührt die Welt der Esoterik.
Divine Drink Die Tasse »Giuliette« strotzt vor Symbolismu­s und berührt die Welt der Esoterik.
 ??  ?? Animal Kingdom
Eine der Statuen aus der Menagerie-Kollektion.
Animal Kingdom Eine der Statuen aus der Menagerie-Kollektion.
 ??  ?? Wiedererke­nnungswert Intensives Royalblau mit Gold und Augenmotiv­e sind typisch für Jonathan Adler.
Wiedererke­nnungswert Intensives Royalblau mit Gold und Augenmotiv­e sind typisch für Jonathan Adler.

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