»DAS GUGGENHEIM HAT DIE STADT VERWANDELT«
Die Kuratorin Jone Alaitz Uriarte über die Lebendigkeit der Kunstszene im Baskenland und die Wahrheit hinter dem Bilbao-Effekt. INTERVIEW MAIK NOVOTNY
LIVING Wie hat sich die baskische Kunstszene in den letzten Jahren entwickelt?
ALAITZ URIARTE Sie ist sehr stark mit den Institutionen vernetzt, sowohl akademisch als auch bei Ausstellungen. Die Kunstschule in Leioa in Bilbao hat Generationen von Künstlern ausgebildet. Es gibt ein spannendes Netzwerk öffentlicher Kulturinstitutionen, die den kreativen Prozess begleiten. Das heißt: Die baskische Kunstszene verfolgt das komplette Programm, von der Ausbildung bis zur Produktion.
Gibt es eine spezielle Identität, die die baskische Kunst charakterisiert?
Jahrzehntelang gab es eine Dominanz von Skulpturen, die sehr formalistisch waren. Das beginnt mit bekannten Namen wie Oteiza, Chillida und Basterretxea – Bildhauer, die eine eigene Art gefunden haben, Kunst zu machen und zu verstehen. Ich glaube, dass dieses Erbe heute weniger einflussreich ist und die gegenwärtige Kunst sich viel heterogener und diverser äußert.
Ist die lokale Kunstszene international vernetzt oder bildet sie mehr eine Welt für sich?
Ich glaube, sie ist – wie wir alle – heute sehr vernetzt. Es gibt Gruppenausstellungen, die lokale und internationale Künstler zusammenbringen, es gibt internationale Kuratoren in lokalen Galerien und Museen. Die Arbeit vieler baskischer Künstler ist weit über die Grenzen anerkannt, und sie sind, wie Itziar Okariz und Sergio Prego, auf Events wie der Biennale Venedig vertreten.
Unterscheiden sich die beiden Metropolen Bilbao und San Sebastián, was die Kunstszene betrifft?
Bilbao hatte schon immer einen rauen, industriellen Charakter, und dank seiner Kunstschule leben und arbeiten hier viele Künstler. Es gibt etablierte Galerien,
Azkuna Zentroa, die Bilbao Arte Foundation, und natürlich das Guggenheim, aber auch kleine Artspaces. San Sebastián war immer die bürgerlichere Stadt und hat das Internationale Filmfestival als Aushängeschild. Hier war Arteleku jahrzehntelang das Zentrum der Szene, nach seiner Schließung 2015 hat Tabakalera diese Rolle übernommen. Nicht zu vergessen, das Atrium in Vitoria/Gasteiz mit seinem hervorragenden Programm lokaler und internationaler Kunst.
Der »Bilbao-Effekt«, der Boom durch die Eröffnung des Guggenheim, ist sprichwörtlich geworden. Wie sehen die lokalen Insider heute diese Dynamik?
Der GuggenheimEffekt hat Bilbao von einer kriselnden Industriestadt in eine Metropole des Tourismus und der Lebenskultur verwandelt. Das hatte natürlich auch einen tiefgehenden Einfluss auf die Art, wie die Bewohner selbst ihre Stadt wahrnehmen.
Welche Museen und Galerien würden Sie einem Wochenendbesucher empfehlen?
In Bilbao gibt es kleine, spannende Galerien wie La Taller, CarrerasMugica, Okela oder Bulegoa z/b. Im größeren Maßstab Azkuna Zentroa und das Museo Bilbao. In San Sebastián empfehle ich natürlich die Tabakalera, nicht nur wegen ihrer Ausstellungen, sondern auch wegen ihres Filmprogramms und des faszinierenden Medialabs. Das San Telmo Museum lohnt sich alleine schon wegen seiner Krypta und der Wandmalereien von Sert. Und auch hier in San Sebstián gibt es ein Netzwerk zeitgenössischer Galerien, die einen Besuch wert sind.