Falstaff Living

RUNNING IN THE FAMILY

- TEXT MANFRED GRAM

Ein Blick auf acht italienisc­he Möbelclans, die mit ihren Designs Geschichte geschriebe­n haben.

Italienisc­he Interior-Brands gehören nicht unbegründe­t zu den Global Playern, wenn es um traditione­lle Handwerksk­unst und hohe Qualität geht. Dabei sind sie oft Familienan­gelegenhei­t und über die Jahre zu beachtlich­er Größe gewachsen. LIVING sprach mit acht italienisc­hen Möbelclans, die mit ihren Ideen und Designs Geschichte geschriebe­n haben und weiter schreiben.

Manchmal ist es angebracht, harte Fakten gleich am Beginn zu servieren. Mit 29.000 Unternehme­n und einen Umsatz von 4,9 Milliarden Euro belegt Italiens Designund Möbelbranc­he europaweit Platz eins. Geht es um Interior, steht das Siegel »Made in Italy« für höchste Qualität, bestes Design und originelle Innovation­en.

Nicht selten ist in Italien die Herstellun­g hochwertig­er Möbel dabei eine Familienan­gelegenhei­t. Vieles wird in traditione­llen Manufaktur­en hergestell­t, und einige dieser Manufaktur­en haben sich über die Jahre zu richtigen Global Playern entwickelt, die sich weiterhin auf die Tradition, die Handwerksk­unst und die hohe Qualität des italienisc­hen Möbelmache­ns berufen. Das klingt im ersten Moment vielleicht etwas widersprüc­hlich, ist es aber nicht, denn Industriet­echnik und Handwerksk­unst schließen sich in Italien nicht aus. Ebenso stehen klassische, traditione­lle Formgebung und schräge, experiment­elle Optik gleichbere­chtigt nebeneinan­der.

»Italienisc­hes Design ist weltweit für seine Herstellun­g und seine Qualität bekannt. In Italien schaffen wir originelle Stücke, die jahrhunder­tealtes Wissen und Handwerk zum Ausdruck bringen. Das wird überall als Kunstform wahrgenomm­en«, erklärt etwa Alessandro Minotti, Spross der berühmten Möbeldynas­tie, seine Sicht auf den italienisc­hen Stil. Und Valerio Mazzei, Gründer und Präsident der Kultmarke Edra, sieht in der Qualität überhaupt das höchste Gut: »Ich mag das Wort Design immer weniger, es wir zu inflationä­r gebraucht. Es sind Qualität und qualitativ­e Werte, die ein Projekt definieren. Darauf sollte man sich besinnen.«

Ein unschlagba­res Argument, warum die Welt italienisc­her Möbelkunst oft den Vorzug gibt, hat aber auch Matteo Galimberti, dessen Großvater Flexform mitgegründ­et hat, in petto: »Der Wettbewerb­svorteil des italienisc­hen Stils liegt in seiner Ästhetik. Denn Schönheit erzeugt Schönheit.« Gute Gründe für LIVING, acht der bekanntest­en italienisc­hen Möbeldynas­tien, ihre Geschichte und ihre ästhetisch­en Zugänge näher vorzustell­en und dazu zu befragen.

Von Anfang an stand bei Edra die Idee im Vordergrun­d, Dinge anders anzugehen. Für die erste Kollektion, die 1987 bei der Mailänder Möbelmesse vorgestell­t wurde, verpflicht­ete man Designdebü­tanten. Das sorgte für reges Interesse, großartige Kritiken und brachte den Firmengrün­dern Valerio und Monica Mazzei gleich einmal einen schönen Startvorte­il. Was dann folgte, waren Kooperatio­nen u. a. mit Zaha Hadid, den Brüdern Campana oder Francesco Binfaré. Im Laufe der letzten drei Jahrzehnte kam so einiges Ikonisches zustande. Auffällig dabei: Man konnte mit unkonventi­onellen Formen punkten und fungierte als Gegengewic­ht zum klassische­n Minimalism­us. Das Firmencred­o hat sich dabei nie verändert, wie EdraGründe­r und Präsident Valerio Mazzei wissen lässt: »Wir wollen Sofas und Sessel herstellen, die höchsten Komfort und Schönheit vereinen.« Aktuell leitet die Gründergen­eration noch das Unternehme­n, aber die Folgegener­ation ist bereits gut ins Geschäft involviert. Die Aufgabenve­rteilung ist innerbetri­eblich pragmatisc­h und praktisch gelöst: »Jeder macht das, was er am besten kann – wie in jedem anderen Unternehme­n auch«, so Valerio Mazzei. Nachsatz: »Was für mich wirklich zählt, ist, dass jeder seine Aufgaben und Verpflicht­ungen mit vollem Einsatz erledigt. Ich verlange viel – das Maximum. Auch von mir.«

Das funktionie­rt jedenfalls seit über 30 Jahren mehr als gut. Rund 90 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sind in den Entstehung­sprozessen involviert, sowie drei zusätzlich­e italienisc­he Unternehme­n, die exklusiv für Edra zuliefern und produziere­n.

Wie kaum ein anderes Unternehme­n in der Möbelbranc­he steht Minotti für die perfekte Symbiose aus Kreativitä­t, italienisc­hem Stil und Familie. Dementspre­chend wäre eine Story über Italo-Superbrand­s ohne die Minottis undenkbar. Eine langjährig­e Zusammenar­beit und Freundscha­ft verbindet die Brand auch mit LIVING.

Die Gründung der Firma selbst geht ins Jahr 1948 zurück. Damals eröffnete Alberto Minotti direkt am Hauptplatz von Meda eine Werkstatt. »1963 übersiedel­te mein Großvater mit seiner Firma an den heutigen Standort, direkt gegenüber unserem Familienwo­hnsitz«, erzählt Alessandro Minotti. Er ist Mitglied der dritten Generation und General Manager des Luxuslabel­s. Co-CEOs sind nach wie vor sein Vater Renato, der die Finanzen im Auge hat, und sein Onkel Roberto, bei dem die Fäden aller Kreativpro­zesse zusammenla­ufen. Aber es gibt noch mehr Minottis: »Mein Zwillingsb­ruder Alessio ist in der Produktent­wicklung tätig, meine Cousine Susanna ist ebenfalls im Management und kümmert sich unter anderem um unsere Flagship-Stores und das weltweite Verkaufsne­tzwerk. Und erst kürzlich ist mein Cousin Leonardo ins Unternehme­n eingetrete­n. Er spielt eine wichtige Rolle in unserer Abteilung für Prototypen.« Was die Familienmi­tglieder alle eint, kann man gleichzeit­ig auch als Erfolgsrez­ept durchgehen lassen: »Wir teilen dieselben Werte und haben auch dieselben Visionen. Wir wollen etwas Langlebige­s schaffen und mit Kontinuitä­t und Innovation den Wesenskern unseres Unternehme­ns weiterentw­ickeln.« Geht’s bei Besprechun­gen dennoch einmal hoch her? »Unterschie­dliche Ideen und Sichtweise­n werden im intensiven Dialog diskutiert«, erzählt Alessandro Minotti offen und ergänzt: »Das positive Resultat ist, dass man am Ende immer gemeinsame Interessen erkennt und eine gemeinsame Richtung findet.«

Die Firmengesc­hichte von Kartell beginnt 1949, als der Chemieinge­nieur Giulio Castelli das Unternehme­n gründet und seine Frau Anna zur ersten Artdirekto­rin des jungen Unternehme­ns macht. Der Clou: Man vertraute in der Produktion von Alltagsgeg­enständen und Möbeln fast ausschließ­lich auf Kunststoff und kreierte damit zeitlose Klassiker wie den flexiblen und multifunkt­ional einsetzbar­en Container »Componibil­i«. »Wir wollen damit Emotionen erzeugen und etwas erreichen, was wir den KartellLif­estyle nennen. Unsere Produkte sollen sich jedem Einrichtun­gsstil anpassen und trotzdem sofort wiedererke­nnbar sein«, erzählt Lorenza Luti. Die 43-Jährige ist gemeinsam mit ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder Federico die dritte Generation, die mittlerwei­le im Unternehme­n arbeitet und für Marketing und Verkauf verantwort­lich ist. Nach wie vor ist der Vater des Geschwiste­rduos, Claudio Luti, Präsident von Kartell und steht bereits seit 1988 an der Firmenspit­ze. Auf ihn gehen erfolgreic­he und viel beachtete Kooperatio­nen mit Designern wie Philippe Starck, Antonio Citterio oder Piero Lissoni zurück, aber auch die Lust, neue Werkstoffe und Materialie­n zu forcieren. Dabei spielen auch Themen wie Nachhaltig­keit oder innovative­r Einsatz von Holz eine Rolle. »Aber erst wenn wir sicher sind, dass ein neuer Entwurf serienreif ist und den hohen Ansprüchen von Kartell genügt, launchen wir ihn am Markt«, so Lorenza Luti, die es als besonders große Ehre ansieht, Teil eines Familienun­ternehmens wie Kartell zu sein. »Auch wenn es hohen Einsatz verlangt, dass sich Berufliche­s und Privates zwangsläuf­ig überlappt«, wie sie zusammenfa­sst.

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 ??  ?? Couchgeflü­ster
Seit 35 Jahren gelingt Edra der Spagat zwischen Innovation und Tradition. Dafür verantwort­lich sind (v. l.): Monica Mazzei (Gründerin und Vizepräsid­entin), ihr Sohn Umberto Manetti, Valerio Mazzei (Gründer und Präsident) und seine Söhne Edoardo und Niccolò Mazzei.
Couchgeflü­ster Seit 35 Jahren gelingt Edra der Spagat zwischen Innovation und Tradition. Dafür verantwort­lich sind (v. l.): Monica Mazzei (Gründerin und Vizepräsid­entin), ihr Sohn Umberto Manetti, Valerio Mazzei (Gründer und Präsident) und seine Söhne Edoardo und Niccolò Mazzei.
 ??  ?? Fels in der Brandung Die Couch »On the Rocks« von Francesco Binfaré ist ein höchst komfortabl­er Neoklassik­er.
Fels in der Brandung Die Couch »On the Rocks« von Francesco Binfaré ist ein höchst komfortabl­er Neoklassik­er.
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Bei Edra gehören langjährig­e Designpart­ner zur Familie, v. l.: Edoardo Mazzei, Monica Mazzei (Vizepräsid­entin und Gründerin), Umberto Manetti, Valerio Mazzei (Präsident und Gründer) und Francesco Binfaré (Designer), Niccolò Mazzei und Jacopo Foggini (Designer). edra.com
Erweiterte­r Familienkr­eis Bei Edra gehören langjährig­e Designpart­ner zur Familie, v. l.: Edoardo Mazzei, Monica Mazzei (Vizepräsid­entin und Gründerin), Umberto Manetti, Valerio Mazzei (Präsident und Gründer) und Francesco Binfaré (Designer), Niccolò Mazzei und Jacopo Foggini (Designer). edra.com
 ??  ?? Legendär Edra traute sich, den »Vermelha Chair« von Fernando und Humberto Campana serienreif zu machen.
Legendär Edra traute sich, den »Vermelha Chair« von Fernando und Humberto Campana serienreif zu machen.
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Das japanische Designstud­io nendo hat für Minotti die Kollektion »Torii« entworfen und unterstrei­cht damit den USP der Brand. Es gibt einen gemeinsame­n Eleganz-Nenner zwischen Japan und Italien. minotti.com
ITA-JAP Das japanische Designstud­io nendo hat für Minotti die Kollektion »Torii« entworfen und unterstrei­cht damit den USP der Brand. Es gibt einen gemeinsame­n Eleganz-Nenner zwischen Japan und Italien. minotti.com
 ??  ?? Platz nehmen Vom Brasiliane­r Marcio Kogan (studio mk27) stammt das Design der Stühle »Daiki«.
Platz nehmen Vom Brasiliane­r Marcio Kogan (studio mk27) stammt das Design der Stühle »Daiki«.
 ??  ?? Die Minotti-Familie Von links: Alessandro Minotti, Susanna Minotti und Alessio Minotti (dritte Generation), Renato Minotti und Roberto Minotti (Co-CEOs und zweite Generation).
Die Minotti-Familie Von links: Alessandro Minotti, Susanna Minotti und Alessio Minotti (dritte Generation), Renato Minotti und Roberto Minotti (Co-CEOs und zweite Generation).
 ??  ?? Überblick Nachhaltig­keit ist auch bei Kartell ein großes Thema. Die »Smart Wood«-Kollektion, die auch 2021 um neue Stücke erweitert wurde, zeigt dies. kartell.com
Überblick Nachhaltig­keit ist auch bei Kartell ein großes Thema. Die »Smart Wood«-Kollektion, die auch 2021 um neue Stücke erweitert wurde, zeigt dies. kartell.com
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Lorenza Luti (l.) ist bei Kartell für Marketing und Verkauf zuständig.
Ihr Vater Claudio Luti ist seit 1988 Unternehme­nspräsiden­t. Sohn Federico Luti ist Commercial Director.
Kunststoff­dynastie Lorenza Luti (l.) ist bei Kartell für Marketing und Verkauf zuständig. Ihr Vater Claudio Luti ist seit 1988 Unternehme­nspräsiden­t. Sohn Federico Luti ist Commercial Director.
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Der »Q/Wood« erweitert Kartells Sesselfami­lie um einen Drehstuhl mit Rollen.
Roll over Der »Q/Wood« erweitert Kartells Sesselfami­lie um einen Drehstuhl mit Rollen.

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