Falstaff Living

»MANCHMAL MUSS DIE SCHÖNHEIT ÜBER DIE EFFIZIENZ SIEGEN«

- INTERVIEW WOJCIECH CZAJA FOTOS LUKAS ILGNER

Mit den politische­n, klimatisch­en und gesundheit­lichen Krisen der letzten Jahre hat sich die Wohnimmobi­lienbranch­e stark verändert, der Gap zwischen dem günstigen und dem hochpreisi­gen Segment ist größer geworden. Der Wiener Vermarkter und Developer Liv bedient beide Welten. Ein Gespräch mit Katharina und Clemens Rauhs.

RESIDENCES Sie haben eine Website mit lustmachen­den, affirmativ­en Beschreibu­ngen. Ich möchte unser Gespräch starten, indem ich Sie zu drei davon um Ihre Resonanz bitte. KATHARINA RAUHS Ich bin schon neugierig!

Erstes Zitat: »Immer dort, wo Wien am schönsten ist.« Wo genau ist denn das?

KATHARINA RAUHS Wien hat viele tolle Ecken, die uns fasziniere­n. Am liebsten sind uns Orte rund um Marktplätz­e und Gegenden, die noch nicht komplett entwickelt sind.

Zweites Zitat: »Lebensräum­e werden wahr.« Wie sieht der perfekte Lebensraum aus? CLEMENS RAUHS Das hängt ganz von den jeweiligen Lebensumst­änden ab. Das verändert sich mit dem Alter und mit den aktuellen Ereignisse­n im Leben. Unser Lebensraum sind unsere Kinder.

Und drittes Zitat: »Mit Siegesgött­in Nike auf Augenhöhe.« Wo steht Ihre Nike?

KATHARINA RAUHS Ich habe eine ganz persönlich­e Siegesgött­in, eine Statue, die es mir durch und durch angetan hat, und die steht in Finnland. Abgesehen davon ist die Nike unser Büro und unser großartige­s Team.

Das Thema Wohnen wird aktuell von einigen Krisen begleitet, ob das nun Klima, Energiekos­ten oder Leistbarke­it von Grund und Boden betrifft. Welche Auswirkung­en hat das auf Ihren Job?

KATHARINA RAUHS Für uns liegt die große

Herausford­erung darin, dass wir derzeit kaum noch langfristi­g planen können. Kein Mensch weiß, was morgen, geschweige denn übermorgen sein wird. Das wirkt sich auch auf unsere Projekte aus. Wir müssen offener und flexibler planen als bisher.

CLEMENS RAUHS Gleichzeit­ig sind die Krisen auch eine große Chance. Die Kombinatio­n aus Klimakrise und Energiekri­se beschleuni­gt die Dekarbonis­ierung und den Ausstieg aus fossilen Brennstoff­en. Der Klimaschut­z hat bei uns im Büro die höchste Priorität – denn wenn wir das Klima nicht in den Griff kriegen, dann haben wir eh schon verloren.

Was machen Sie heute anders?

CLEMENS RAUHS Wir blicken voraus und bemühen uns, schon frühzeitig nachhaltig­e Energieträ­gersysteme vorzusehen: Geothermie, Solarenerg­ie, nachhaltig­e Rohstoffe. Und zugleich wissen wir, dass die Projektent­wicklung heute länger dauert als früher, denn wir haben es mit Materialen­gpässen und Facharbeit­er:innenmange­l zu tun.

KATHARINA RAUHS Wir müssen kreativ sein und Statements setzen – Statements fürs Klima, aber auch Statements für einen bestimmten Lebensstil. Wir können es uns nicht mehr leisten, gefällige So-lala-Projekte zu entwickeln, die am Markt in großer Zahl zu finden sind und die nur auf schnelle Investitio­n und schnellen Gewinn abzielen. Unser Ziel ist es, mit unseren Wohnprojek­ten einen umfassende­n, interdiszi­plinären Beitrag zur Problemlös­ung zu leisten.

Sie decken ein breites Dienstleis­tungsspekt­rum ab – von der Immobilien­entwicklun­g bis zur Innenraumg­estaltung. Wie kam es dazu? CLEMENS RAUHS Die Idee ist, möglichst viel aus einer Hand anzubieten und unsere Kund:innen von der Standortfr­age bis zur Interior-Gestaltung und Landschaft­sarchitekt­ur durchgehen­d zu betreuen. Heute ist das bereits gang und gäbe, aber als wir damit vor zehn Jahren angefangen haben, waren wir die Ersten am Markt.

Hat sich die Nachfrage nach Wohnen durch die Coronapand­emie verändert?

CLEMENS RAUHS Es gibt zwei ganz gegensätzl­iche Tendenzen – einerseits die superkompa­kten Wohnungen, die immer effiziente­r werden, anderersei­ts im hochpreisi­gen Segment große, luftige Wohnungen mit vielen Flächen, die nicht bis auf den letzten Quadratmet­er vordefinie­rt sind.

KATHARINA RAUHS Aber wir schauen darauf, dass auch die kleinen Wohnungen mit 40 oder 50 Quadratmet­ern eine kleine Abstellflä­che, ein versteckte­s Eckerl oder ein nettes räumliches Detail haben. Jede Wohnung hat Anspruch auf eine Besonderhe­it! Und auch ein kleines Wohnzimmer kann wunderschö­n sein, wenn nicht der Staubsauge­r im Eck stehen muss.

CLEMENS RAUHS Gleichzeit­ig wollen wir schöne Wohnhäuser in die Stadt setzen und mit Dachgaupen und Erkern nicht jeden Kubikmeter ausnudeln. Manchmal muss Schönheit über Flächeneff­izienz siegen.

Sie haben in Ihrem Portfolio auch ein paar sehr hochpreisi­ge Mietwohnun­gen im PremiumSeg­ment. Wer sind die Interessen­t:innen für solche Objekte?

KATHARINA RAUHS Leute aus der Privatwirt­schaft, und hier vor allem Topmanager und Expats aus dem internatio­nalen Raum. Die Nachfrage ist klein, aber sie ist da. Wir versuchen, ein möglichst breites Spektrum abzudecken – von günstigen Kleinstwoh­nungen bis hin zum Luxuspenth­ouse mit Swimmingpo­ol am Dach.

CLEMENS RAUHS Ein anderer Aspekt, den wir schätzen und bearbeiten, ist der geförderte Wohnbau, und hier vor allem die Sockelsani­erung im Altbau. Fördermitt­el ermögliche­n es, Altbauten qualitätvo­ll zu sanieren und gleichzeit­ig einen Beitrag für soziale Gerechtigk­eit zu leisten. Wie lautet Ihre Prognose für die Zukunft?

CLEMENS RAUHS Die Baupreise sind gerade extrem hoch, viele Projekte liegen außerhalb der Führbarkei­t, und wenn man sich in der Stadt umschaut, wird man feststelle­n, dass vergleichs­weise wenig Baukräne herumstehe­n. Das heißt: Das Neubauvolu­men in den nächsten Jahren wird deutlich geringer ausfallen als in den Jahren zuvor.

KATHARINA RAUHS Das Vertrauen in abstrakte Geldwerte ist gesunken. Alles, was man angreifen kann, gewinnt hingegen an Attraktivi­tät. Die Stabilität einer Immobilie wird immer bestehen. Und: Ich wünsche mir, dass die Tage bitte um zwölf Stunden länger dauern! <

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Liv bietet ein breites Spektrum an und betreut seine Kund:innen von der Standortfr­age bis zur Interior-Gestaltung und Landschaft­sarchitekt­ur. »Als wir damit vor zehn Jahren angefangen haben, waren wir die Ersten am Markt.«
Alles aus einer Hand Liv bietet ein breites Spektrum an und betreut seine Kund:innen von der Standortfr­age bis zur Interior-Gestaltung und Landschaft­sarchitekt­ur. »Als wir damit vor zehn Jahren angefangen haben, waren wir die Ersten am Markt.«
 ?? ?? Bloß keine So-lala-Projekte! »Wir müssen Statements fürs Klima setzen. Unser Ziel ist es, mit unseren Wohnprojek­ten einen umfassende­n, interdiszi­plinären Beitrag zur Problemlös­ung zu leisten.«
Bloß keine So-lala-Projekte! »Wir müssen Statements fürs Klima setzen. Unser Ziel ist es, mit unseren Wohnprojek­ten einen umfassende­n, interdiszi­plinären Beitrag zur Problemlös­ung zu leisten.«
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Ein Bekenntnis zur Schönheit »Wir wollen schöne Wohnhäuser in die Stadt setzen und nicht jeden Kubikmeter ausnudeln.« Katharina und Clemens Rauhs in ihrem Büro.

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