DIE WEINE DER »BUDDENBROOKS«
Bei den Buddenbrooks kommt nicht nur das beste Essen auf den Tisch, auch die feinsten Weine werden dazu kredenzt. Ob »Lübecker Rotspon«, »kräftige Cuvée französischer Rotweine« oder »goldgelber, traubensüßer Malvasier in Dessertgläsern«, Thomas Mann wusste, was gut ist. Ein ganz besonderes Denkmal setzte der Schriftsteller dem Weinhändler Tesdorpf. Unter dem Pseudonym »Kistenmaker« hat er die hanseatische Patrizierfamilie als noblen Wein-lieferanten der Buddenbrooks verewigt. Das hat seinen Grund: Der damalige Patron, Krafft Tesdorpf, war zeitweise der Vormund von Thomas Mann und seinen vier Geschwistern, nachdem ihr Vater im Jahr 1891 gestorben war.
In seinem Roman beschreibt Mann das Weinhaus Tesdorpf alias »Kistenmaker & Söhne« als »aufblühende Weinhandlung«, die es fertigbrachte, all die anderen Lübecker Mitbewerber »aus der Mode zu bringen«. Kein Wunder, dass der junge Thomas Buddenbrook darauf Wert legt, dass beim Galadiner anlässlich seiner Vermählung Tesdorpf'sche Weine serviert werden.
Der Weinhandel Tesdorpf, 1678 gegründet, zählt zu den ältesten Deutschlands. Das Geschäft in der Lübecker Mengstraße – nächst dem Buddenbrook-haus – schloss allerdings 2019 nach 341 Jahren seine Pforten. Heute hat das Unternehmen seinen Sitz in Hamburg.
sellschaftlichen Konventionen noch den Vorstellungen seiner Eltern entsprechen will, krümmt sich hernach in der Säulenhalle: »Mir ist übel, Mama, mir ist verdammt übel«, wimmert er der Konsulin zu. Ihr Mitgefühl hält sich in Grenzen: »Wenn wir solche Worte gebrauchen, straft uns der liebe Gott mit noch größerer Übelkeit«, antwortet sie ihm bloß im Vorbeigehen.
VÖLLERND IN DEN UNTERGANG
Die Jahre ziehen ins Land, und der Niedergang der Buddenbrooks nimmt langsam, aber stetig seinen Lauf. Und wieder dient Thomas Mann ein Festmahl, das Weihnachtsessen des Jahres 1869, um den mittlerweile maroden Zustand der Familie zu beschreiben. Nach außen wird die Fassade freilich gewahrt, die starre Tradition erlaubt keine Veränderung: So jagt wieder eine Köstlichkeit die andere. Und wie immer gibt es alles im Überfluss. Diesmal macht »Karpfen in aufgelöster Butter und mit altem Rheinwein« den Anfang, ihm folgt »Puter, gefüllt mit Brei von Maronen,
Rosinen und Äpfeln, dazu gebratene Kartoffeln, zweierlei Gemüse und zweierlei Kompott, das alles in großen Mengen …«. Dennoch – oder gerade deshalb – fühlt sich diesmal der kleine Hanno nicht wohl. Dem Stammhalter der Familie, auf dessen Schultern alle Zukunftshoffnungen ruhen, ist das viele Essen nicht bekommen. Doch als die mit Schokoladeeis gefüllten Baisers gebracht werden, kann der Bub nicht widerstehen. Er verzehrt sie, »obgleich es ihm fast unerträglich weh tat an den Zähnen«. Nicht nur ihm, sondern auch seinem Vater Thomas, dem nunmehrigen Oberhaupt der Familie, soll das Zuviel des Guten und Süßen zum Verhängnis werden. Es ist kein Zufall, dass der Dichter Thomas Buddenbrook am Ende seines Jahrhundertwerks ausgerechnet an einer misslungenen Zahnbehandlung sterben lässt – und damit den Untergang der Familie besiegelt.
Thomas Mann hatte übrigens selbst eine Schwäche für Süßes, vor allem für Honig: »Ihn esse ich unter allen Dingen am liebsten«, schrieb er einem Freund. »Allerdings nur in intimen Mengen.« <
Thomas Mann wurde am 6. Juni 1875 in Lübeck als zweites von vier Kindern geboren. Sein Vater war ein erfolgreicher Lübecker Kaufmann, wurde Konsul und schließlich Senator. Thomas war kein guter Schüler und verließ das Gymnasium ohne Abitur. Nach dem Tod seines Vaters 1891 erhielt er eine monatliche Rente und konnte sich ganz dem Schreiben widmen. An seinem ersten großen Werk, »Buddenbrooks«, schrieb Thomas Mann vier Jahre lang, und zwar von 1896 bis 1900. Es handelt vom allmählichen, sich über vier Generationen hinziehenden Niedergang einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie in Lübeck und spielt zwischen 1835 und 1877. Als Vorlage diente Thomas Mann seine eigene Familiengeschichte sowie viele historische Persönlichkeiten der Hansestadt. Mann selbst wird in der Figur des Hanno Buddenbrook ebenfalls Teil der Handlung. Im Februar 1901 erschien das Werk erstmals, doch viele Lübecker waren empört über Mann und bezeichneten ihn als Nestbeschmutzer. Zunächst verkaufte sich das Werk auch eher schleppend, erst eine verhältnismäßig günstige Ausgabe, die im Jahr 1903 erschien, bescherte dem Werk den gewünschten Erfolg. In weiterer Folge schuf Mann unter anderem »Der Tod in Venedig« und »Der Zauberberg«. 1929 erhielt der Schriftsteller für »Buddenbrooks« den Literaturnobelpreis. 1933, kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland, kehrten Thomas Mann und seine Ehefrau Katia von einer Vortragsreise nicht mehr nach Deutschland zurück, sondern gingen ins Exil, zunächst in die Schweiz und später in die USA. Erst 1952 kehrten sie wieder nach Europa zurück. Am 12. August 1955 starb Thomas Mann in Zürich.