GLÄSER VOLL AMORE
Scheint endlich die Frühlingssonne, wird es auch in den Gläsern farbenprächtig: Orange, rosa oder rot leuchten die Cocktails für die Terrasse oder den Garten. Der Aperitivo ist kein Getränk, sondern ein Lebensgefühl!
Das Leben im Mittelmeerraum spielt sich traditionell draußen ab. Wenn sich um 17 oder 18 Uhr die Tische vor den Cafés füllen, beginnt zwischen Barcelona, St. Tropez, Rimini und Tel Aviv jener Teil des Tages, wo noch alles passieren kann. Diese Beschreibung trifft aber auch auf den Aperitivo selbst zu, wie man ihn hierzulande vor allem aus Italien kennt. Denn mittlerweile hat sich aus den Oliven und Chips, die zum Getränk gereicht werden, teilweise eine »Apericena« entwickelt. Pizzastücke und kleine Pastagerichte werden dazu serviert.
DRINK-KULTUR IM SONNENSCHEIN
Dem schönen Schein kann man aber auch abseits der Bars frönen – ein Cocktail-trolley oder ein Tablett reichen, um im eigenen Garten oder auf der Terrasse mondänes Aperitivo-flair zu erzeugen. Ein paar Knabbereien wie die berühmten Oliven oder Salzmandeln, dazu bunte Drinks für jeden Geschmack, fertig ist der Urlaub im Glas! Denn losgelöst von den ursprünglichen Drinks vor dem Abendessen, dem Eingrooven auf den Feierabend, fungiert der Aperitivo heute als Lebensgefühl. Und das ist nicht auf einen Platz an der Bar angewiesen. Die beiden großen Vorlieben Italiens, bitter-süße Liköre und »bollicine« (Blubberbläschen), regieren den frühen Abend. Die letztgenannten können von einem Prosecco kommen, einem edlen Franciacortasekt oder schlicht alkoholfrei vom Sodawasser. Auf kaum einem der ikonischen Plakate des Art déco fehlt die Siphonflasche,
die den süßen Basis-spirituosen prickelndes Leben verleiht. Technik und Geschwindigkeit zählten in der Ära der Futuristen. Die sportwagenroten Drinks passten in den Zeitgeist, der 1933 auch den ersten Aperitivo-automaten nach Mailand brachte: Er verkaufte fertig abgemischtes Campari-soda im Verhältnis 40 zu 60. Die Geschichte wirkt bis heute fort in den zwei Arten von Aperitivo-bestellungen: Da wären zum einen die eher kräftigen, die als echte Appetit-anreger vor dem Abendessen dienen. Der Milano-torino mit seinem Mix aus Wermut und Campari gehört dazu, auch der Americano, vor allem aber der Negroni, der mit Gin auch den Blick über die Italo-spirituosen hinaus öffnet. Whisk(e)y-liebhaber können ihn etwa als Boulevardier genießen. Er funktioniert aber auch mit dem ebenfalls herben, aber deutlich weniger alkoholischen Sloe Gin. Dieser Likör aus Schlehen und Gin, wie ihn etwa die Brennerei Reisetbauer erzeugt, passt auch farblich bestens ins frühlingshafte Bild.
BITTERE SÜSSE TRIFFT BLÄSCHEN
Das »Missing Link« zur zweiten großen Aperitivo-gruppe stellt der Negroni Sbagliato dar. Mit Sekt statt Gin serviert, leitet er zu den wirklich spritzigen und leichten Drinks nach dem Büro über. Der Spritz beschränkt sich dabei nicht unbedingt auf den beliebten Aperol.
In den letzten Jahren hat das Soda auch hier Konkurrenz bekommen. Denn als Filler für die bunten Liköre kommen nunmehr auch Tonic und sogar Ginger Beer zum Einsatz. Es geht schließlich um das Prickeln und die Leichtigkeit, die als Trend sogar ohne Alkohol (etwa bei Martinis Likörersatz Floreale und Vibrante) auskommt. Die bunt-sprudelige Formel erweitert so auch für den heimischen Garten- oder Terrasseneinsatz die Aperitivo-welt. Denn an fruchtigen Spirituosen mangelt es auch Österreich nicht! Wie man sie italienisch inspiriert in Szene setzt, zeigen unsere Rezepte. Sie bringen aber für Traditionalisten auch Ramazzotti Rosato ins Glas. Denn wenn eines beim Open-air-drink gilt, dann ist das: Erlaubt ist, was gefällt.