Die Wiederentdeckung des lange vernachlässigten Roten Veltliners im Wagram trägt bemerkenswerte Früchte.
Der Wagram in Niederösterreich bietet dem Weinfreund ein breites Sortiment von saftigen Grünen Veltlinern bis zu feinen Pinot Noirs und finessenreichen Eisweinen. In jüngerer Zeit macht aber vor allem der Rote Veltliner von sich reden – und das zu Recht, wie eine aktuelle Falstaff-verkostung jüngerer sowie gereifter Vertreter dieser Weißwein-rarität gezeigt hat.
Das Weinbaugebiet Wagram – es hieß noch bis 2007 »Donauland« – erstreckt sich am linken Donauufer entlang der namensgebenden Geländestufe östlich des Kamptals am Rande des Tullnerfelds. Nur ein kleiner Teil der Anbauflächen, darunter auch jene der historischen Weinstadt Klosterneuburg vor den Toren Wiens, befindet sich südlich der Donau. Etwa 300 Weinbaubetriebe mit beachtlichem Bio-anteil bewirtschaften hier rund 2700 Hektar, die wichtigsten Weinorte heißen Feuersbrunn, Gösing, Fels am Wagram, Kirchberg am Wagram und Großriedenthal. Das Weinbau-geschehen auf der linken Donauseite ist vom Löss geprägt, der hier im Laufe der Eiszeit oft viele Meter hoch anwuchs und einen Untergrund aus Meeresablagerungen und Flussschotter bedeckt. Im Zusammenspiel mit warmen, pannonischen Klimaeinflüssen wachsen hier saftige, oft gehaltvolle Weißweine, aber auch stoffige Rotweine gehören zum Repertoire am Wagram.
Der Grüne Veltliner findet hier optimale Bedingungen vor und wird in allen »Gewichtsklassen« in Perfektion kultiviert. Unter den Rotweinen nimmt der Blaue Zweigelt die dominante Rolle ein. Aber auch mit einigen Spezialitäten kann der Wagram aufwarten: Hier befindet sich das Zentrum für den Anbau einer traditionsreichen Weißweinsorte namens Roter Veltliner,
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ELTLINER MUSS NICHT IMMER GRÜN SEIN. AM WAGRAM ENTSTEHEN AUS ROTEM VELTLINER WEISSWEINE MIT GANZ EIGENEM CHARAKTER.
Rotweinfreunde schätzen zudem den Pinot Noir, und Großriedenthal gilt als Mekka der Eisweinkultur.
DIVERSITÄT AM WAGRAM
Auch wenn der Grüne Veltliner zu Recht als Leitsorte am Wagram propagiert wird, so muss für den Weißweinfreund auch die uralte Sorte Roter Veltliner von speziellem Interesse sein. Nach Jahren des Rückgangs
geht es für diese Sorte seit einiger Zeit sowohl flächenmäßig wie qualitativ steil bergauf. Zur Unterstützung des Erhalts der alten Rebsorte Roter Veltliner hat die Slow-food-bewegung ein sogenanntes Presidio-projekt namens »Roter Veltliner Donauterrassen« ins Leben gerufen und den Roten Veltliner bereits 2010 in die »Arche des Geschmacks« aufgenommen. Aus ursprünglich fünf sind heute bereits zehn Bio-betriebe geworden – außerhalb des Wagrams noch der Mantlerhof in Brunn im Felde –, die sich zum Verein »Roter Veltliner Donauterrassen« zusammengeschlossen haben. Sie beziehen sich damit auf das historische Vorkommen der Sorte, das – so lassen Dna-analysen vermuten – zurück bis in die Zeit der alten Römer reicht. Die Forschungen des Molekulargenetikers Ferdinand Regner zeigen, dass die Sorte gemeinsam mit Traminer
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IE SORTE ROTER VELTLINER KÖNNTE BEREITS IN DER ANTIKE MIT DEN RÖMERN AN DIE DONAU UND AN DEN WAGRAM GELANGT SEIN.
und Heunisch zu jenen Leitsorten zählt, die ganz wesentlich zur Entwicklung des europäischen Sortenspektrums beigetragen haben. Darüber hinaus ist der Rote Veltliner eine lokale Ur-rebe, während Traminer und Heunisch als sehr internationale Sorten zu betrachten sind. Zu den Sorten, die im Roten Veltliner einen Elternteil haben, zählen etwa Rotgipfler, Frühroter Veltliner, Neuburger und Zierfandler. Gesichert erscheint, dass es sich beim Roten Veltliner, der vor zwei Jahrhunderten noch als Rother Muskateller firmierte, um eine wirklich alte Rebsorte handelt. In Johann Burgers »Systematischer Klassifikation und Beschreibung der in österreichischen Weingärten vorkommenden Traubenarten« aus 1837 wird das Hauptanbaugebiet eingegrenzt: »Von Krems angefangen über Langenlois, Gobelsburg, Rohrendorf, Hadersdorf und Thürenthal ist diese Traube
der Hauptstock. Man ist da so von den Vortheilen dieser Traubenart überzeugt, dass man bei der Anlage neuer Weingärten alle anderen Rebenarten ausschließt.«
DER ROTE VELTLINER IST ZURÜCK
Dem entspricht auch das Herzstück der Mission jener engagierter Winzer, die die autochthone Sorte wieder aufleben lassen möchten: die genaue Dokumentation der Geschichte des Roten Veltliners sowie die Weiterentwicklung der Sorte entlang der Donauterrassen in Österreich und damit über weinbaupolitische Grenzen hinaus. Um den Roten Veltliner fit für die Zukunft zu machen, werden in jedem Weingut besonders vitale Stöcke selektioniert und vermehrt. So wird die Sorte noch unabhängiger von Wettereinflüssen, Klimawandel und dem Zutun der Winzer. Doch die Gruppe will noch weitergehen und je Weingut eine eigene Hoflinie mit spezifischem Charakter schaffen. Damit kann noch mehr Wissen gesammelt, geteilt und an die nächste Generation weitergegeben werden. Zudem ist diese intraspezifische Diversität auch als eine Art Lebensversicherung für etwaige kommende Herausforderungen durch die Natur zu erachten.
Mitglieder bei den Österreichischen Traditionsweingütern sind das Bioweingut Martin Diwald, Josef Ehmoser aus Tiefenthal, Karl Fritsch aus Oberstockstall, Josef Fritz aus Zaußenberg, Franz Leth aus Fels
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ENN ES UM DIE BESTEN ROTEN VELTLINER GEHT, DANN IST DIE RIED STEINBERG WOHL DIE ALLERERSTE ADRESSE FÜR HOCHGENUSS.
und Bernhard Ott aus Feuersbrunn, zwölf besondere Terroirs sind mittlerweile als Erste Ötw-lagen klassifiziert worden. Die besten Lagen findet man in Feuersbrunn mit Spiegel, Brenner und Rosenberg, um Gösing mit Essenthal, Fumberg, Welfel und Wilbling, in Fels mit Brunnthal, Dorner, Gmirk, Schafflerberg, Steinagrund und Scheiben, Mitter- und Oberstockstall teilen sich den Schlossberg, Großriedenthal mit Wadenthal, Eisenhut, Goldberg, Hinterberg und Steinthal, Ruppersthal mit Mordthal, Königsbrunn mit Bromberg, Großweikersdorf mit Georgenberg und Hohenberg und schließlich Zaußenberg mit Himmelreich. Die Ried Steinberg befindet sich im Nordosten des Wagram und erstreckt sich auf die Gemeinden Großweikersdorf und Ruppersthal. Sie zählt zu den höchstgelegenen Lagen des Gebiets, die Böden werden von Löss und Sandstein dominiert. In den nach Süden orientierten Weingärten herrscht ein warmes, trockenes und luftiges Mikroklima. Am Fuße des Berges dominiert der Löss, der bergauf in sandigen Löss auf steinigem Grund übergeht. Ganz oben liegt, wie überall am Wagram, eine Schicht von tertiärem Schotter. Winzer Josef Fritz: »Wenn man eine Lage sucht, die für den Roten Veltliner maßgeschneidert ist, dann der Steinberg. Hier ist es trocken und heiß, wie es die Sorte liebt, sie gedeiht nirgends am Wagram so gut wie hier.« Und ein Blick auf die Ergebnisse der aktuellen Falstaff-trophy zeigt eindrucksvoll das Potenzial dieser Lage auf.