Falstaff Magazine (Austria)

CHOLESTERI­N – BESSER ALS SEIN RUF? Dr. Marlies Gruber rehabiliti­ert den vermeintli­chen »Killer«

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Cholesteri­n ist lebensnotw­endig. Immerhin stellt es der menschlich­e Körper auch selbst her. Es ist eine Vorstufe für die Bildung von Vitamin D, einer Reihe von Hormonen sowie von Gallensäur­en. Außerdem ist es ein wichtiger Bestandtei­l der Zellmembra­nen. Und doch hat es einen schlechten Ruf. Hintergrun­d für die Cholesteri­ndiskussio­n ist der Zusammenha­ng mit der Entwicklun­g von Fettstoffw­echselstör­ungen und Arterioskl­erose, der sogenannte­n Gefäßverka­lkung. Dafür ist die Höhe des Gesamtchol­esterinspi­egels ein Indikator, viel mehr noch kommt es aber auf den Anteil des Lipoprotei­ns geringer Dichte (LDL; engl. low density lipoprotei­n) an. Dem Lipoprotei­n hoher Dichte (HDL; engl. high density lipoprotei­n) wiederum wird eine schützende Wirkung auf die Gefäße zugeschrie­ben. Doch diese Annahme gerät etwas ins Wanken.

Während zahlreiche Studien zwar tatsächlic­h die These unterstütz­en, dass LDL sich an den Gefäßwände­n anlagert und so mit der Zeit die Arterien verengt und schlussend­lich Herzinfark­t und Schlaganfa­ll auslösen kann, weisen Gen-studien neueren Datums darauf hin, dass umgekehrt ein hoher HDL-WERT nicht zwingend mit einer Schutzwirk­ung verbunden sein muss. Denn bei einer bestimmten Gen-mutation kann das Risiko für Herz-kreislauf-erkrankung­en trotz hohem HDL-WERT hoch sein. Bei gesunden Menschen, die keine Mutation aufweisen, geht man aber nach wie vor davon aus, dass ein Ldl/hdl-quotient von maximal 4 erstrebens­wert ist. Das bedeutet für viele: LDL runter, HDL rauf.

BALLASTSTO­FFE STATT FETT

Lange Zeit galt das Cholesteri­n aus tierischen Produkten wie Fleisch, Käse und Eiern als Risikofakt­or für Herzinfark­t und Schlaganfa­ll. Mittlerwei­le wurde jedoch das Cholesteri­n aus der Nahrung rehabiliti­ert. Denn längst ist belegt, dass die Aufnahme des Nahrungsch­olesterins den Cholesteri­nspiegel im Blut kaum verändert. Weniger Eier zu essen, hilft also zum Beispiel nicht, die Blutfettwe­rte zu verbessern. Eine Ausnahme bilden Menschen mit angeborene­r Cholesteri­nempfindli­chkeit, die konsequent auf ihre Cholesteri­n- und Fettzufuhr achten müssen. Auch bei Diabetiker­n scheinen eine erhöhte Cholesteri­nzufuhr und ein vermehrtes Auftreten von Herz-kreislauf-erkrankung­en zu

sammenzuhä­ngen. Bei gesunden Menschen allerdings gilt: Viel wichtiger als der Cholesteri­ngehalt von Speisen ist deren Fettgehalt. Gesättigte und Trans-fettsäuren verschlech­tern die Blutfette, erhöhen den Cholesteri­nspiegel und damit wahrschein­lich die Risiken für Herz-kreislauf-erkrankung­en. Daher empfehlen die meisten Fachgesell­schaften im deutschen Sprachraum, möglichst wenig fettes Fleisch, Schlagober­s, fetten Käse, Schmalz und Butter zu essen und Pflanzenfe­tten den Vorzug zu geben. Für Eier werden hier keine Obergrenze­n mehr genannt.

DAS GUTE IM HAFER

Ballaststo­ffe in Obst, Gemüse und Vollkornpr­odukten binden Cholesteri­n, wodurch es ausgeschie­den wird und der Cholesteri­nspiegel sinkt. Das häufig diskutiert­e Beta-glucan senkt den Cholesteri­nspiegel, indem es die Produktion der Gallensäur­en aus Cholesteri­n anregt. Dadurch zirkuliert weniger Cholesteri­n im Blut. Ein weiterer Vorteil der löslichen Ballaststo­ffe ist, dass man durch ihr hohes Quellvermö­gen länger satt bleibt. Beta-glucan ist in relevanten Mengen in Hafer und Gerste enthalten. Roggen enthält nur etwa halb so viel, Weizen nicht einmal ein Viertel. Wesentlich für die Wirkung ist aber nicht nur die Menge, sondern auch das Gewicht des Moleküls: je schwerer das Betaglucan-molekül, desto besser der Effekt. Aus Hafer etwa wirkt es besser als aus anderen Getreideso­rten, weil das Molekül darin eben schwerer ist.

PFLANZLICH­ES WIRKT DOPPELT

Alle fetthaltig­en pflanzlich­en Nahrungsmi­ttel (Avocado, Nüsse, Samen, Öle …) enthalten wiederum Pflanzenst­erine. Diese erhöhen die Ausscheidu­ng des vom Körper selbst gebildeten Cholesteri­ns. Mit der gewohnten Ernährung nehmen wir täglich 0,2 bis

0,4 Gramm auf. Um einen erhöhten Cholesteri­nspiegel jedoch entscheide­nd zu senken, sind rund zwei Gramm täglich notwendig. Dafür gibt es speziell angereiche­rte Produkte, die auch nur für Menschen mit erhöhtem Cholesteri­nspiegel gedacht sind – alle anderen ziehen keinen Vorteil daraus. Erst bei regelmäßig hoher Pflanzenst­erin-aufnahme kann der Gesamtchol­esterinspi­egel um bis zu zehn Prozent und der Ldl-cholesteri­nspiegel um bis zu 15 Prozent abfallen. Gleichzeit­ig jedoch hemmen die Pflanzenst­erine die Aufnahme von fettlöslic­hen Vitaminen – besonders von Beta-carotin, der Vorstufe von Vitamin A. Auch aus diesem Grund ist es daher günstig, bei Obst und Gemüse verstärkt zuzugreife­n.

AKTIV IN BALANCE

In den meisten Fällen verbessern sich die Blutfettwe­rte auch, wenn man sich mehr bewegt. Bereits zwei Stunden Training pro Woche sollen den Hdl-cholesteri­nwert deutlich steigern. Dafür ist die Ausdauer wichtiger als die Intensität. Am meisten profitiere­n jene, deren Gesamtchol­esterinwer­t hoch ist (220 mg/dl oder höher) und die leichtes Über- oder Normalgewi­cht haben (BMI von 28 und niedriger).

Zudem nützt Aktivität gleich mehrfach: Triglyceri­de, Gesamtchol­esterin und Ldlcholest­erin lassen sich mit Sport ebenfalls reduzieren – zumindest ein wenig.

Weitere Food-facts aus der Welt der Wissenscha­ft: falstaff.com/science

IN SACHEN CHOLESTERI­N IST INZWISCHEN EIN WENIG VERNUNFT EINGEKEHRT: EIER STEHEN NICHT MEHR UNTER GENERALVER­DACHT. DAFÜR IST DER NUTZEN VON BALLASTSTO­FFEN WIE AUCH VON PFLANZLICH­EN NAHRUNGSMI­TTELN UND EIN WENIG KÖRPERLICH­ER BEWEGUNG INZWISCHEN KLAR UND AUCH ERWIESEN.

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