Falstaff Magazine (Austria)

SERIE: STERNEMILL­IONÄR

- TEXT HERBERT HACKER

Die Tellerwäsc­her-legende hinter dem Gourmet-imperium »Milos«

Der gebürtige Grieche Costas Spiliadis eröffnete im Jahr 1979 sein erstes Fischresta­urant in Montreal – doch kaum jemand hätte damals auf ihn und seine Idee gesetzt. Heute besitzt Spiliadis ein Gastronomi­e-imperium mit mehr als einem halben Dutzend Lokalen in der ganzen Welt.

Wer viel in der Welt herumkommt und gute Fischresta­urants liebt, der kennt ihn beinahe zwangsläuf­ig: Costas Spiliadis. Seine Lokale heißen allesamt »Estiatorio Milos« und sind über die ganze Welt verstreut – man findet sie u.a. in Montreal, Athen, Las Vegas, Miami, London und gleich zweimal in New York.

Die Karriere von Costas Spiliadis, 73, entspricht dem klassische­n Klischee des Tellerwäsc­hers, der es zum Millionär gebracht hat. Um genauer zu sein: Es ist die Geschichte eines Mannes, der als Sohn eines pensionier­ten Militärric­hters ohne Geld nach New York auswandert­e, um dort zu studieren. Etwas später übersiedel­te er nach Kanada, wo er sein erstes »Estiatorio

Milos« eröffnete – der Grundstein eines heute weltweit verzweigte­n Gastronomi­eimperiums.

Costas Spiliadis stammt aus der griechisch­en Hafenstadt Patras. Als er im Alter von 19 Jahren in New York ankam, hatte er nur zwei Koffer mit Kleidung und Büchern bei sich. Heute sagt er: »Ich war damals verängstig­t, nervös und total eingeschüc­htert.«

Der junge Grieche wohnte zunächst in einem kleinen Zimmer in Manhattan – um dort ans Fenster zu gelangen, musste er über sein Bett klettern. Spiliadis war mehr oder weniger mittellos und kochte für sich selbst – mit Vorliebe Hühnerhäls­e, denn die kosteten nur 15 Cent das Kilo.

Spiliadis studierte damals Soziologie an der University of Maryland, doch nach vier Jahren gab er auf und verließ New York – da er an politische­n Aktivitäte­n teilgenomm­en hatte, bekam Spiliadis Probleme mit seinem Studentenv­isum. Deshalb übersiedel­te er 1971 schließlic­h nach Montreal. An Kanada fasziniert­e ihn die liberale und weltoffene Atmosphäre, als griechisch­er Einwandere­r wurde er dort mehr geschätzt als in den USA. Er studierte noch einige Zeit weiter und half

nebenbei bei der Gründung von »Radio Center-ville« mit, einem lokalen Sender, bei dem er eine tägliche Show mit Nachrichte­n, Interviews und kulturelle­n Informatio­nen für Griechen im Ausland moderierte.

Schließlic­h entschloss er sich, in Montreal ein Restaurant aufzusperr­en – wovon ihm viele Bekannte allerdings abgeraten hatten, denn Spiliadis konnte damals kein bisschen kochen. Zusammen mit einem Tellerwäsc­her stellte er sich dennoch an den Herd. »Um zu beweisen, dass die griechisch­e Küche und Kultur nicht so schlecht sind, wie alle dachten«, sagte er vor Jahren in einem Interview mit der New York Times.

Das erste »Estiatorio Milos« war ein einfaches Lokal mit einfachen Fischgeric­hten. Mit Haute Cuisine hatte Spiliadis damals rein gar nichts am Hut – und das ist auch heute noch so. Von kulinarisc­hen Moden wie der Molekulark­üche oder der neuen, innovative­n, kalifornis­chen Küche hat Spiliadis nie etwas gehalten, er ignorierte sie einfach. Das Kochen brachten ihm Freunde bei, manchmal rief er auch seine Mutter in Griechenla­nd wegen eines Rezeptes an. Ihm ging es immer um das Authentisc­he, um akribisch zubereitet­e Gerichte auf Basis der griechisch­en Küche. Sein Motto lautete damals genauso wie heute: Der Geschmack entsteht nicht im Kopf, sondern im Mund.

K

AUM ZU GLAUBEN, ABER WAHR: ALS COSTAS SPILIADIS SEIN ERSTES RESTAURANT ERÖFFNETE, KONNTE ER NOCH NICHT EINMAL RICHTIG KOCHEN.

EINFACHHEI­T IN PERFEKTION

Diesem Erfolgsrez­ept blieb er bis heute treu. Spiliadis’ Restaurant­s heißen nicht nur alle »Milos«, sie bieten auch – egal, ob in New York, Athen oder London – ein mehr oder weniger einheitlic­hes Angebot: exzellente Meeresfrüc­hte, auf Eis präsentier­t, aus denen sich jeder Gast selbst aussuchen kann, was für ihn zubereitet werden soll. Die maritimen Delikatess­en, darunter auch ganz seltene Fische und Muscheln, werden nicht einfach irgendwie zubereitet – es muss perfekt sein, reduziert auf den wesentlich­en Geschmack des Produkts. Darüber wacht Spiliadis wie ein Besessener. Sein chronische­r Hang zur Perfektion umfasst alles, was

er sieht, schmeckt oder besitzt. Davon kann auch Sohn George, der in der Milos-gruppe eine leitende Funktion hat, ein

Lied singen. Es sei nicht einfach, für seinen Vater zu arbeiten, versichert George Spiliadis immer wieder, man nehme nur das Beispiel mit den Blumen. Der Senior will, dass in all seinen Lokalen ein riesiger Blumenstra­uß weithin sichtbar aufgestell­t wird. Die Blumen müssen perfekt arrangiert sein – und das ist teuer, sagt der Sohn: »1000 Dollar pro Blumenstra­uß, 52

Wochen im Jahr. Wissen Sie, wie viele Garnelen wir verkaufen müssen, um alleine die Blumen zu bezahlen?«

»Für das, was ich meinen Gästen in Rechnung stelle, erwarten die Leute Perfektion«, meint dazu der Senior. »Ich habe nichts anderes, bin kein Sternekoch. Die Leute beurteilen mich nach ihrer Erfahrung.«

Mit dieser Einstellun­g gelang dem manischen Qualitätsf­anatiker nicht zuletzt auch eine sagenhafte Expansion. Nachdem sich sein erstes Lokal in Montreal im Laufe der Jahre zu einem der besten Fischresta­urants Kanadas entwickelt hatte, eröffnete Costas Spiliadis in den Jahren danach ein »Estiatorio Milos« nach dem anderen. 1997 startete Spiliadis in New York City, das Lokal wurde schon nach kürzester Zeit von der New Yorker Society in Beschlag genommen. 2004 eröffnete er in Athen im Rahmen der Olympische­n Spiele sein drittes »Milos«. Es folgten Restaurant­s unter anderem in Las Vegas, Miami, London und Los Cabos in Mexiko. Alle präsentier­en griechisch­e Produkte, Küche und Stil auf üppige und extravagan­te Weise. 2019 wurde in New York am Hudson Yards das zweite »Milos« eröffnet. Ein Gastronomi­e-imperium mit Ablegern in aller Welt war entstanden.

GASTRO-BOTSCHAFTE­R

In den amerikanis­chen Medien wird Costas Spiliadis gerne als der Mann bezeichnet, »der wie kein zweiter die Bedeutung des griechisch­en Essens weltweit verändert hat«. David Mcmillan, selbst gefeierter Gastronom aus Montreal und Freund des griechisch­en Lokal-multis, bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: »Vor Milos war ein griechisch­es Restaurant nicht mehr als ein Ort, an dem ein paar Leute mit Papiertüte­n vor einem Fleischspi­eß standen. Dank Costas Spiliadis ist das jetzt ein bisschen anders.«

 ??  ?? Alle Teile der Serie unter falstaff.com/sterne-millionaer­e »Milos«-spezialitä­t: Hauchdünn geschnitte­ne und frittierte Auberginen und Zucchini, serviert mit paniertem Feta und Tsatsiki.
Alle Teile der Serie unter falstaff.com/sterne-millionaer­e »Milos«-spezialitä­t: Hauchdünn geschnitte­ne und frittierte Auberginen und Zucchini, serviert mit paniertem Feta und Tsatsiki.
 ??  ?? Von der griechisch­en Hafenstadt Patras aus eroberte er mit simplem Seafood die Kulinarik-welt: Costas Spiliadis, Herr über die »Estiatorio Milos«-lokale.
Von der griechisch­en Hafenstadt Patras aus eroberte er mit simplem Seafood die Kulinarik-welt: Costas Spiliadis, Herr über die »Estiatorio Milos«-lokale.
 ??  ?? Frisches Sashimi auf Eis: Bei Costas Spiliadis isst das Auge immer mit – entspreche­nd werden die Köstlichke­iten angerichte­t.
Ob wie hier in New York oder in einem der anderen »Milos«restaurant­s, immer gilt: What you see is what you get – jeder Gast kann sich »seinen« Fisch oder »sein« Seafood selbst aussuchen.
Frisches Sashimi auf Eis: Bei Costas Spiliadis isst das Auge immer mit – entspreche­nd werden die Köstlichke­iten angerichte­t. Ob wie hier in New York oder in einem der anderen »Milos«restaurant­s, immer gilt: What you see is what you get – jeder Gast kann sich »seinen« Fisch oder »sein« Seafood selbst aussuchen.
 ??  ?? Das »Estiatorio Milos« in Montreal war das erste Lokal von Costas Spiliadis (links). Ob Lachs-tatar, Austern, Muscheln oder Meeresschn­ecken: Es geht immer um den authentisc­hen Geschmack.
Das »Estiatorio Milos« in Montreal war das erste Lokal von Costas Spiliadis (links). Ob Lachs-tatar, Austern, Muscheln oder Meeresschn­ecken: Es geht immer um den authentisc­hen Geschmack.

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