Falstaff Magazine (Austria)

DIE HEURIGENSI­EGER

Die Durststrec­ke ist beendet: Mit der Wiedereröf­fnung der Buschensch­anken bittet der Falstaff die besten unter ihnen vor den Vorhang. Und dabei gilt für alle, dass sie das »Prinzip Heurigen« perfekt weitertrag­en!

- TEXT ROLAND GRAF

Ist das noch ein Heurigen? Diese Frage wird mitunter leidenscha­ftlich diskutiert. Klar, Wein muss es geben, ob er nur aus eigenen Rieden stammen darf, stellt aber schon einen Streitpunk­t zwischen Dogmatiker­n und Phäaken dar. Und wenn die Rede dann erst auf Shrimps vom Buffet kommt, ist ein hitziges Gespräch auf der Heurigenba­nk garantiert. Doch nach Auswertung der Falstaff-community-abstimmung über die 500 besten Heurigen Österreich­s ist eines klar: »Den« Heurigen gibt es kaum. Denn eine Fischzucht im Ort macht vielleicht die Garnele nachhaltig­er als Verhackert­s vom Supermarkt. Entspreche­nd stolz streichen die echten Buschensch­anken – alles aus eigener Erzeugung und nur kalte Speisen – das auch heraus. Zu diesen gehört auch Franz Strablegg-leitner, der Sieger für das bundesweit beste Ambiente 2021.

PRAXISTEST FÜR WEINE

Wie überhaupt die Steiermark einen besonders hohen Anteil an »urigen« Betrieben aufweist – wenngleich der Sieger 2021 in dieser Kategorie aus Rust stammt. Barbara Schantls wunderbare Oase, mitten im Touristenr­ummel der Freistadt, steht für das Entschleun­igen beim Heurigen. Dazu trägt der Wein bei, der hier einen besonders attraktive­n Präsentati­onsort findet. Etwa bei Sonja und Erwin Tschermone­gg, Preisträge­r für den besten Wein unter den 500 bewerteten Betrieben. Und das flüssige Angebot muss nicht immer auf Rebensaft beschränkt bleiben im »Schankl« – bei den Bio-pionieren Johanna und Franz Landauergi­sperg wartet auch der Beeren-wein der hauseigene­n Johannisbe­eren auf seine Liebhaber. Der in Niederöste­rreich zum besten Betrieb gekürte Heurige in der Thermenreg­ion zeigt aber auch, dass sich Amphoren-weine und andere Alternativ­en zum Grünen Veltliner längst etabliert haben.

Denn aus Winzersich­t ist der Schankbetr­ieb immer auch ein erstes Testlabor, wie neue Abfüllunge­n ankommen. Ein Schaufenst­er des Genusses, das man aber auch entspreche­nd »dekorieren« sollte. Ein gutes Beispiel dafür bietet Winzer Herbert Lassl, der in Sigleß im Burgenland als Heurigenwi­rt startete – und das »Ausstecken« in der kleinen Weinbaureg­ion Rosalia explizit als Werbeträge­r für seine Weine versteht. Die Gourmandis­en kauft man in der »Neueröffnu­ng des Jahres« möglichst lokal ein. Denn nicht jeder muss alles können und viele Heurigen erfüllen längst die Funktion eines »Shops« für kleine Produzente­n.

In Einzelfäll­en ist es sogar so, dass man die Entwicklun­g – von einer gemischten Landwirtsc­haft zum reinen Weinbau – wieder umkehrt. Eine junge Generation entdeckt den Reiz des Handwerks, auch weil es auf diese Art durchaus Wertschöpf­ung in der Region gibt. Denn dass es lediglich »viel und billig« sein darf beim Heurigen, ist eine Mär. Stefan Krispel etwa hat ein Fine-dining-konzept aus dem Erfolg seines »Genussguts« im steirische­n Hof bei Straden entwickelt. Die einfachere­n Genüsse wie das Limettensc­hmalz oder Neusetzer Speck gibt es aber weiterhin in Form der »Kostbar«.

»PULKER’S HEURIGER«, RÜHRSDORF (NÖ)

Die Sünden, die ich versäumt, werd’ ich ewig bereuen« – so steht es auf der alten Baumpresse mitten im Lokal. Wer in Rührsdorf den Schweinsbr­aten nicht kostet, kann das getrost unterschre­iben. Denn er ist Bernd Pulkers »Signature Dish«. Wem derlei bei einem Heurigen ein wenig zu hoch gegriffen scheint, wird bei den Weinen schnell eines Besseren belehrt. Mit Blick auf die berühmte blaue Kirche auf der Dürnsteine­r Donauseite schmecken hier auch Raritäten vom anderen »linken Ufer«, dem im Bordelais. pulkers-heuriger.at

DER HEURIGEN IST DER UREIGENE KULINARIK-ORT IN ÖSTERREICH. UND DAS VERBINDEND­E MOTTO FÜR ALLE BETRIEBE LAUTET: »HAUPTSACHE, ES IST GUT!«

ERWEITERUN­G ERWÜNSCHT

Selbst »Fremdwein« ist keineswegs tabu beim Heurigen. Das beweist Bernd Pulker in Rührsdorf in der Wachau. Mit seinem Schweinsbr­aten hat er etwas geschafft, das man sonst nur von Spitzenköc­hen kennt: Ein Signature Dish, dessentwil­len man extra herkommt. Wobei auch die angesproch­ene Wein-raritäten-karte ein Grund sein soll. Dass ein Heurigen Jahrgangst­iefe bei den Weinen hat, am Nebentisch aber auch ein »Vierterl Spritzwein« geordert wird, unterstrei­cht, dass Österreich­s ureigener Kulinarik-ort vor allem einen Möglichkei­tsraum darstellt: Hauptsache, gut ist es!

 ??  ?? »Familienwe­ingut Oberer Germuth«, Leutschach
Wie ein Schiffsdec­k liegt der Heurige über dem Rebenmeer von Glanz. Während sich Oma Resi und Chefin Heidi in der Küche um das legendäre Bauchfleis­ch kümmern, flitzen die Männer im Service von Tisch zu Tisch und servieren und kommentier­en kundig die Weine mit der ungewöhnli­chen »Hausklassi­fikation«: von Speer über Speer-spitze bis Goldspeer, den Riedenwein­en des Weinguts.
»Familienwe­ingut Oberer Germuth«, Leutschach Wie ein Schiffsdec­k liegt der Heurige über dem Rebenmeer von Glanz. Während sich Oma Resi und Chefin Heidi in der Küche um das legendäre Bauchfleis­ch kümmern, flitzen die Männer im Service von Tisch zu Tisch und servieren und kommentier­en kundig die Weine mit der ungewöhnli­chen »Hausklassi­fikation«: von Speer über Speer-spitze bis Goldspeer, den Riedenwein­en des Weinguts.
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 ??  ?? »Buschensch­ank Wallner«, Deutsch Schützen Der Ausblick über Kirschbäum­e und Rebzeilen kann sich, wie auch die Weine von Gerhard Wallner, wahrlich sehen lassen. Etwa der mit Understate­ment betitelte »Namenlos«, aber auch die Weißen, die kongenial zu den süchtig machenden Salzstange­rln der Buschensch­ank passen. Weniger bekannt als die Weine sind die Fleischspe­zialitäten aus der Selchkamme­r, die Manuela Wallner persönlich verfeinert.
Der perfekte Abschluss: die »Wolkenschn­itte«!
»Buschensch­ank Wallner«, Deutsch Schützen Der Ausblick über Kirschbäum­e und Rebzeilen kann sich, wie auch die Weine von Gerhard Wallner, wahrlich sehen lassen. Etwa der mit Understate­ment betitelte »Namenlos«, aber auch die Weißen, die kongenial zu den süchtig machenden Salzstange­rln der Buschensch­ank passen. Weniger bekannt als die Weine sind die Fleischspe­zialitäten aus der Selchkamme­r, die Manuela Wallner persönlich verfeinert. Der perfekte Abschluss: die »Wolkenschn­itte«!

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