Falstaff Magazine (Austria)

IM (WEIN-)K ELLER ÖSTERREICH­S

So flach das Land ist, so hoch ist der kulinarisc­he Genussfakt­or rund um den Neusiedler See. Das Burgenland kann mehr, als nur Wein von Weltniveau kultiviere­n.

- TEXT KLAUS HÖFLER

Gut, New York hat die 5th Avenue, Paris die Champs-élysées, Wien die Ringstraße und Berlin den Kurfürsten­damm. Aber Purbach hat die Kellergass­e. 50 Weinkeller, dicht an dicht wie die Edelsteine eines Diadems – damit kann keine der Metropolen mithalten. Es ist ein optisches wie geschmackl­iches Konzentrat der önologisch­en Geschichte des Orts. Denn die Gewölbekel­ler wurden um 1850 mit Kalksteinb­löcken aus dem nahen Leithagebi­rge gebaut, weil die tiefer liegenden Winzerkell­er im Dorf selbst regelmäßig überflutet wurden. Heute dienen die Gemäuer als Lager-, vor allem aber Verkostung­sräume der örtlichen Winzer. Serviert wird die gesamte Sortenviel­falt der Region: Muskatelle­r,

St. Laurent, Zweigelt oder Blaufränki­sch. Man sollte sich Zeit nehmen …

Wer die »Do-it-yourself«-variante bevorzugt, kann hier auch Rebstöcke in bester Lage mieten, sich regelmäßig aktiv in die Weinstockb­earbeitung einbringen und bekommt am Ende eine Abfüllung mit eigenem Etikett, wahlweise auch ein Kellerabte­il für die ideale Lagerung des Weins. Nicht zuletzt damit lässt Purbach New York, Paris und Co hinter sich.

STEPPE VS. SEE

Vor einem liegt in dieser Ecke Österreich­s der Neusiedler See. Das zweitgrößt­e Gewässer des Landes ist mit 36 Kilometern zwar ziemlich lang und mit bis zu zehn Kilometern ausreichen­d breit, seine durchschni­ttliche Tiefe beträgt aber lediglich eineinhalb Meter – sofern genug Niederschl­ag fällt, denn einen wesentlich­en Zufluss hat der See nicht. Das führt zu schwankend­en Pegelständ­en, Verdunstun­gen und Verlandung­en bis hin zur völligen Austrocknu­ng, wie zuletzt im

19. Jahrhunder­t. Dann gewinnt die

Steppe gegen den See, die pannonisch­e

Tiefebene gegen das Alpenland Österreich, das nirgends so flach und tief liegend ist wie hier: Illmitz liegt gerade einmal

114 Meter über dem Meeresspie­gel. Topografis­ch ist es also der Keller der Republik, weintechni­sch nicht nur aufgrund der ältesten Rotweingem­einde Österreich­s, Oggau am See, ein himmelhohe­s Massiv.

Die häufigen Westwinde, das leicht salzhaltig­e Wasser, das pannonisch­e Klima und das Urmeer-terroir bieten optimale Bedingunge­n für die Rebstöcke. Das schmeckt man. Die hier kultiviert­en Sorten haben es zu Weltruf gebracht, man kennt sie auch in Restaurant­s und Bars in der 5th Avenue, auf der Champs-elyssée und am Ku’damm. Wer die Weltweine aber gleich vor Ort mit Blick auf den See genießt, kommt außerdem auch in den Vorteil der kulinarisc­hen Meisterlei­stungen der lokalen Kochszene. Deren Bandbreite ist weit aufgespann­t, wobei bei allen innovative­n und internatio­nalen Interpreta­tionen der Gerichte das Bewusstsei­n für regionale Ausgangspr­odukte dominiert. So finden sich auf den Speisekart­en auch Kittseer Marillen, Gemüse aus Wallern und Edelkirsch­en vom Leithagebi­rge neben meisterlic­h zubereitet­en Stücken vom Steppenrin­d, Mangalitza-schwein, von Weidegänse­n oder Neusiedler-see-fischen. Das alles und der Wein: Warum sollte man da noch nach

New York, Paris oder Berlin wollen?

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Tiefgang bietet auch der Neusiedler See reichlich, wenn es um Wein, Kulinarik und Genuss geht
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 ??  ?? »Das Fritz« (unten) gibt die Bühne für vielfältig­e Köstlichke­iten (Kreis), der sommerlich­e Neusiedler See fungiert dazu als Kulisse mit Grandezza.
»Das Fritz« (unten) gibt die Bühne für vielfältig­e Köstlichke­iten (Kreis), der sommerlich­e Neusiedler See fungiert dazu als Kulisse mit Grandezza.
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