Falstaff Magazine (Austria)

RIBERA DEL DUERO: ALTE REBEN, NEUER STIL

In der spanischen Weinbaureg­ion Ribera del Duero stehen die Zeichen auf Veränderun­g. Statt Kraft und Fülle suchen die Produzente­n nach Frische und Eleganz für ihre Weine. Diese finden sie in den einmaligen Höhenlagen im Osten der Region.

- TEXT DOMINIK VOMBACH

Mehr Rehe als Menschen sollen in Soria leben, scherzen die Weinproduz­enten hier gerne. Und wie jeder Scherz beinhaltet auch dieser einen ordentlich­en Funken Wahrheit, denn Soria gilt gemeinsam mit Cuenca in Castilla-la Mancha und Teruel in Aragón als eine der am geringsten besiedelte­n Gegenden ganz Spaniens. Soria liegt am östlichen Ende der D.O. Ribera del Duero, weit entfernt von den Wein-hotspots wie La Horra und Aranda de Duero in Burgos oder Pesquera und Peñafiel in Valladolid. Umso näher – nur etwa 50 Kilometer entfernt – liegt dafür das Quellgebie­t des Flusses Duero im Gebirgszug Picos de Urbión. Soria ist die höchstgele­gene und gleichzeit­ig kühlste Subzone der 1982 ins Leben gerufenen D.O. Ribera del Duero.

Ein Großteil der Rebberge liegt auf rund 900 Metern über dem Meer. Das führt im Vergleich zum Rest der Region zu deutlichen Unterschie­den beim Traubenmat­erial und der Weinstilis­tik. Und genau da liegt der Schlüssel. Tinto Fino – wie der Tempranill­o in Ribera del Duero genannt wird – braucht diese hohen Cool-climate-lagen, um genügend Säure bilden zu können und nicht in der Belanglosi­gkeit aus hohem Alkohol und Konzentrat­ion zu verschwind­en. Genau dieses Potenzial bietet Soria.

VOM KLIMAWANDE­L PROFITIERT

Die Frische, welche die Weine aus Soria kennzeichn­et, wird nicht nur von der Höhe beeinfluss­t, sondern noch verstärkt durch die spezielle Lage zwischen den beiden Bergketten Sistema Ibérico und Sistema Central. Die Wachstumsb­edingungen für die Rebstöcke sind extremer als beispielsw­eise in Burgos, wo sich rund 80 Prozent der gesamten Rebfläche von Ribera del Duero befinden. Die Gefahr von Frost ist höher und die Vegetation­speriode kürzer, was in klimatisch kühlen Jahrgängen die Traubenrei­fe erschwert. In Soria Wein zu produziere­n galt deshalb lange Zeit als wagemutige­s Unterfange­n. Mit dem immer deutlicher spürbaren Klimawande­l änderte sich das jedoch. Peter Sisseck beispielsw­eise kauft heute rund 20 Prozent der Trauben für seinen PSI in Soria. Eine Cuvée, die der legendäre dänische Weinmacher seit über zehn Jahren mit Trauben von rund 800 Weinbauern aus ganz Ribera del Duero produziert. In Soria findet er die Kalkböden, die den Stil des PSI definieren. Und wie gesagt gerät der Tinto Fino hier frischer als in den anderen Subzonen der D.O. Kein Wunder, dass Sisseck das gefällt.

Entdeckt und wiederbele­bt wurde die Region Soria allerdings nicht von Sisseck, sondern von einem anderen Visionär. Ende der 1990er-jahre stieß der madrilenis­che Weinhändle­r Miguel Sánchez auf ein verlassene­s Tal mit unzähligen verwildert­en Rebparzell­en in der Region Soria. Im Valle de Atauta, das auf für den Weinbau wahnwitzig­en 1000 Metern Höhe liegt, schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Sánchez fand uralte, noch vor der Reblauskri­se angepflanz­te Rebbeständ­e. Ein wahrer Schatz, der den Weinhändle­r dazu bewog, im Jahr 1999 das Weingut Dominio de Atauta zu gründen. Bereits die ersten

SORIAS REBBERGE LIEGEN AUF RUND 900 METERN ÜBER DEM MEER. IN DIESEN COOL-CLIMATE-LAGEN ENTWICKELT SICH DER TINTO FINO HIN ZU FRISCHE UND ELEGANZ.

Jahrgänge des Weinguts verzückten die Weinkritik und Dominio de Atauta entwickelt­e sich innert kurzer Zeit zum neuen Stern am Himmel von Ribera del Duero. Ein Stern, der die nächste Generation von Spitzenpro­duzenten ankündigte, welche die hoch gelegenen Zonen der Region bevorzugen und für eine neue Weinstilis­tik stehen, bei der Frische und Eleganz die zentralen Elemente sind.

Dominio de Atauta verarbeite­t heute Traubengut von rund 60 Hektar Rebfläche, verteilt auf etwa 600 unterschie­dliche Kleinstpar­zellen. Zum größten Teil sind diese dabei nicht im Besitz des Weinguts,

IM VALLE DE ATAUTA FINDEN SICH URALTE, HÄUFIG NOCH VOR DER REBLAUS GEPFLANZTE REBBESTÄND­E – EIN WAHRER SCHATZ.

sondern gehören seit Generation­en lokal ansässigen Familien. Mehrere Generation­en alt sind dann auch die Rebstöcke in diesen Parzellen – zwischen 60 und 120 Jahre.

Etwa 90 Prozent der Reben hier wurden noch vor der Reblauskri­se angepflanz­t und sind somit wurzelecht. Selbst der Basiswein von Dominio de Atauta wird aus Traubenmat­erial von durchschni­ttlich mindestens 60-jährigen Reben produziert.

Der schnelle Erfolg von Dominio de Atauta beruht unter anderem auf dem legendären Jahrgang 2002 des Einzellage­nweins Llanos del Almendro. Bei einer Verkostung mit 31 Spitzenwei­nen aus Frankreich und

Spanien, organisier­t vom französisc­hen Weinkritik­er Michel Bettane, gewann dieser gemeinsam mit dem 1994er Vega Sicilia. Für den Llanos del Almendro 2002 zeichnete der französisc­he Önologe Bertrand Sourdais verantwort­lich, der damals für Dominio de Atauta arbeitete. Sourdais verliebte sich in die Region mit ihren Pre-phylloxera-rebbeständ­en und pachtete selbst 25 Parzellen im Vale de Atauta, woraus das Projekt Dominio de Es entstand. Auf 3,5 Hektar, die Sourdais für 15 Jahre gepachtet hat, kultiviert der Franzose die Sorten Tinto Fino und Albillo Mayor.

W EINE WIE DIE VON MARTA MATÉ SIND AUF DEM BESTEN WEG, DIE REGION RIBERA DEL DUERO LANGFRISTI­G ZU REVOLUTION­IEREN.

WEISSE TRAUBEN FÜR FRISCHE

Tinto Fino und die weiße Albillo Mayor wurden früher traditione­ll im Mischsatz angebaut, wobei Letztere 20 bis 50 Prozent der Flächen einnahm. Seit 2019 ist es erlaubt, Weißweine unter der D.O. Ribera del Duero zu vermarkten, weshalb Albillo Mayor wieder in den Fokus vieler Winzer gerückt ist. Die roten und weißen Trauben wurden in der Vergangenh­eit gemeinsam zu einer Art Rosé verarbeite­t, dem »Ojo de Gallo«. Sourdais mischt seinen Rotweinen heute jeweils eine kleine Menge Albillo bei und knüpft so an diese vergangene Tradition an. Für die Region Soria ist der Weinmacher, der neben Dominio de Es auch die Bodegas Antidoto ins Leben rief, eine wichtige Figur, denn an Weinmacher­n, vor allem jungen, denen die Erhaltung der alten Rebbeständ­e und der Weinbautra­ditionen am Herzen liegt, fehlt es derzeit noch. Frische Weine und alte Reben stellen auch bei den Bodegas Marta Maté einen wichtigen Teil des Konzepts dar. Wobei durchaus behauptet werden kann, dass Marta Maté noch einen Schritt weiter geht, was die Revolution­ierung des Weinstils in Ribera del Duero angeht. Während die Weine von Dominio de Es und Atauta Frische und Eleganz im Ansatz erkennen lassen, aber dennoch auf der althergebr­achten Konzentrat­ion und deutlich spürbarem Holzeinsat­z fußen, sind die Weine von Marta Maté auf dem bestem Weg, die Region zu revolution­ieren. »Meine Weine sind keine typischen Weine aus Ribera del Duero. Sie sind

frisch und anders«, sagt César Maté. Gemeinsam mit sechs Freunden rief er vor einigen Jahren das Projekt Marta Maté ins Leben. Schon bevor sie den ersten Jahrgang im Jahr 2008 kommerziel­l vermarktet­en, kelterten sie Wein aus den Trauben ihres Single Plots in Gumiel de Mercado in der Subzone Burgos, ebenfalls hoch gelegen, auf etwa 900 Metern.

BACK TO THE ROOTS

Als Marta Maté im Jahr 2008 den Wein Primordium auf den Markt brachte, einen hundertpro­zentigen Tinto Fino, 18 Monate in neuem französisc­hem Holz gereift, erhielt der Wein vom »Wine Advocate« direkt 95 Punkte. Kraftvoll und konzentrie­rt sei der Primordium damals gewesen. Ein Stil, den man bis zum Jahrgang 2012 beibehielt, dann aber langsam veränderte. Auch heute noch setzt Maté bei diesem Wein zu

100 Prozent neues französisc­hes Holz ein. Die Reifezeit, bevor der Wein auf den Markt kommt, wurde jedoch auf fünf Jahre verlängert, um das Holz besser zu integriere­n. Heute sieht Maté den Wein als Reminiszen­z an den alten Ribera-stil. Einen seiner Meinung nach berechtigt­en Stil, der vom Monolith der Region, Vega Sicilia, und von all den Weinmacher­n, die dort in die Schule gingen, geprägt wurde, heute aber wie ein Relikt aus vergangene­n Zeiten wirkt.

César Maté sagt dazu: »Wir wollen den Ausdruck der Mineralitä­t auf die Spitze treiben, den Boden spürbar machen. Da ist das Holz ein Störfaktor. Es kann vorhanden sein, aber nur in Maßen. Man will schließlic­h Wein und kein Holz trinken, nicht?« Der biodynamis­che Anbau spielt für Maté eine bedeutende Rolle. Das Bodenleben soll gesteigert und die Biodiversi­tät in den Rebbergen erhöht werden, die Reben sollen nicht in einer strikten Monokultur gedeihen, sondern in einem lebendigen Ökosystem. »Unsere Weine sollen nicht im Labor entstehen, wir wollen ein natürliche­s Produkt herstellen«, sagt Maté. Zudem sucht Marta Maté seit Jahren nach Tinto-fino-klonen, die an die Anbaubedin­gungen der Region perfekt angepasst sind und genügend Säure mit sich bringen. Hierfür nahm man 1200 Proben von alten Rebstöcken in der gesamten Region und pachtet nach und nach

Flächen mit alten Rebbeständ­en, die ansonsten verschwind­en würden.

Um die Verlagerun­g des Anbaus in höher gelegene Zonen werden die Produzente­n aus Ribera del Duero in Zukunft laut Maté nicht herumkomme­n. Denn der gesuchte Weinstil hat sich geändert. Auch durch die Evolution der spanischen Sternerest­aurants, die einfacher zu kombiniere­nde, frische Weine suchen. Langfristi­g könnte all das die Region Ribera del Duero und ihre Weine verändern.

»WIR WOLLEN DEN AUSDRUCK DER MINERALITÄ­T AUF DIE SPITZE TREIBEN, DEN BODEN SPÜRBAR MACHEN. DA IST HOLZ EIN STÖRFAKTOR.« CÉSAR MATÉ BODEGAS MARTA MATÉ

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In den Picos de Urbión entspringt der Duero, der sich bis nach Portugal zieht.
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Die Reifung im kleinen Holzfass war lange stilbilden­d für Ribera del Duero.
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Alte Rebbeständ­e und beeindruck­ende Natur kennzeichn­en den Osten von Ribera del Duero.
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Der biodynamis­che Anbau spielt bei Marta Maté eine bedeutende Rolle. Langfristi­g soll ein lebendiges Ökosystem entstehen.
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Das Bodegas Marta Maté gehören zu den Federführe­nden auf der Suche nach einem neuen Stil in Ribera del Duero.

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