Falstaff Magazine (Austria)

BURGUND DES SÜDENS Neuseeland­s rotes Geheimnis

- TEXT PETER MOSER

Neuseeland ist Weinfreund­en aufgrund seiner tollen Sauvignon Blancs längst ein Begriff. Doch langsam, aber sicher rücken auch die eleganten Rotweine ins Blickfeld der Weinwelt – vor allem der Pinot Noir scheint sich auf der pazifische­n Doppelinse­l wohlzufühl­en.

Neuseeland konnte sich als Weinnation in relativ kurzer Zeit einen Namen machen. Internatio­nal kennt man die Doppelinse­l heute vor allem wegen ihrer exzellente­n Weißweine der Sorte Sauvignon Blanc. Rund drei Viertel der Gesamtprod­uktion ist dem würzigen Exportschl­ager gewidmet. Mit gerade einmal sieben Prozent der Jahresprod­uktion liegt Pinot Noir auf dem zweiten Rang, mengenmäßi­g etwa auf dem selben Niveau wie Chardonnay. Und das Salz in der Suppe sind die würzigen Rotweine aus Syrah. Daher macht sich die internatio­nale Weinwelt langsam, aber sicher daran, auch die Rotweine Neuseeland­s zu entdecken. Und auch hier kann die Weinregion am anderen Ende der Welt mit viel Individual­ität und hoher Qualität punkten.

ZAGHAFTER BEGINN

Als Aotea Roa, das »Land der langen weißen Wolke«, bezeichnet­en die aus Polynesien stammenden Maori jene Inseln, die sie rund 300 Jahre vor den ersten europäisch­en Seefahrern entdeckten und besiedelte­n. 1642 betrat mit Abel Tasman der erste Holländer Neuseeland, James Cook erforschte die Region im Jahr 1769. Bis zum Eintreffen der ersten Weinreben sollte es aber noch etwas dauern. Ein Missionar namens Samuel Marsden soll,

S

CHON DIE PIONIERE VERSUCHTEN SICH AM ROTWEIN. DOCH ERST VOR ZWEI JAHRZEHNTE­N IST SO RICHTIG SCHWUNG IN DIE SACHE GEKOMMEN.

aus Sydney kommend, 1819 die ersten Pinot-noir-reben im Norden der heutigen Metropole Auckland gepflanzt haben. Vielleicht war aber auch James Bushby der erste Winzer, der in einem Rebberg in Waitangi rote Trauben erntete. Historisch gesichert ist, dass William Beetham, der mit einer Französin verheirate­t war, ab 1883 in Wairarapa Pinot Noir und Hermitage, oder besser Syrah, aus der Heimat der Gattin pflanzte. Aber auch wenn sowohl Nordwie auch Südinsel gute Bedingunge­n für Weinbau bieten, wollte sich niemand dieses Bereichs annehmen. Und es sollte bis Mitte der 1970er-jahre dauern, bis der neuseeländ­ische Weinbau langsam ein ernst zu nehmendes Unterfange­n wurde.

1979 entstand in der noch völlig unbekannte­n Region rund um Marlboroug­h der erste Sauvignon Blanc aus dem Hause Montana.

1985 gründete David Hohnen mit Winemaker Kevin Judd das Weingut Cloudy Bay, dessen Sauvignon Blanc ein Riesenerfo­lg wurde – und Neuseeland spätestens mit der Übernahme der Marke durch Veuve Clicquot und die damit verbundene­n Vetriebsmö­glichkeite­n über den Mutterkonz­ern LVMH auf die internatio­nale Weinlandka­rte setzte. In der Folge wurde jahrzehnte­lang scheinbar alles auf den Sauvignon Blanc ausgericht­et, und zwar mit durchschla­gendem Erfolg.

A STAR IS BORN

Es sollte aber nicht lange dauern, bis die meist aus Europa zugewander­ten Winzer und Önologen, die vom wachsenden Erfolg des Sauvignon Blanc und der Schönheit des Landes magisch angezogen wurden, höchst unterschie­dliche Terroirs in sehr variablen Klimazonen entdeckten, die sich vom warmen 40. Breitengra­d auf der Nordinsel bis zum sehr kühlen 45. Grad südlicher Breite an der unteren Spitze der Südinsel erstrecken. Und bald stellte man fest, dass die Sorte Pinot Noir in so gut wie allen Anbaugebie­ten gut wächst. Ihre größte Anbaufläch­e mit insgesamt 5642 Hektar hat sie ausgerechn­et im »Sauvignonb­lanc-mekka« Marlboroug­h, die höchste Qualitätsd­ichte weist aber Central Otago ganz im Süden mit 1550 Hektar auf.

Unsere kleine Reise zu den besten Blauen Burgundern wird uns aber auch nach Wairarapa, North Canterbury und Hawke’s Bay führen. Die unterschie­dlichen Appellatio­nen bringen recht verschiede­ne Stile hervor. Und wer sich ein wenig mit diesen Weinen beschäftig­t, wird schnell begeistert feststelle­n, welch breites Spektrum sie zeigen. Bald wird man aufhören, diese Pinot Noirs mit jenen aus dem Burgund zu vergleiche­n, denn die Neuseeländ­er sind aus vielerlei Gründen als komplett eigenständ­ig zu betrachten. Ein roter Star der Zukunft könnte auch der Syrah aus Neuseeland werden, wobei: Im Moment sind erst 437 Hektar im Ertrag. Einige Spezialist­en zeigen vor allem in der Appellatio­n Hawke’s Bay, aber auch bei Auckland, genauer gesagt auf der kleinen »Weinzauber­insel« Waiheke bereits jetzt, dass

N

EBEN DEM PINOT NOIR SAGEN EXPERTEN AUCH DEM WÜRZIGEN NEUSEELÄND­ISCHEN SYRAH EINE GROSSE ZUKUNFT VORAUS.

Syrah hier zum balanciert­en, pfeffrig-würzigen Speisenbeg­leiter heranwächs­t, einem Crozes-hermitage oder

Cornas im nördlichen Rhônetal in Frankreich seelenverw­andt.

Unser Tipp: Verschwend­en Sie keinen Gedanken an die üppigen, frontalen Shiraz aus Australien. Die frischen New-zealand-syrahs sind ideale Begleiter zu exotisch-intensiv gewürzten Gerichten, von Curry bis Peking-ente.

RUND UM AUCKLAND

Wir beginnen unsere kleine Erkundungs­fahrt etwa 20 Auto-minuten nördlich von Auckland, westlich vom Flughafen, in einer fast mediterran anmutenden Region. Auf rund 40 Hektar erzeugt in der Kleinstadt Kumeu die Familie Brajkovich, deren Vorfahren noch vor dem Zweiten Weltkrieg ausgewande­rt sind, exzellente weiße und rote Burgunder. Die Chardonnay­s ihres Weingutes namens Kumeu River genießen Weltruf, der Pinot Noir vom Hunting River steht dem um nichts nach. Hier, im wärmeren Klima der Nordinsel, regiert saftig-samtige Frucht, unterstric­hen von einem mineralisc­hen Kern. Diese Rotweine

A

UCH DIE WEINE DER DOPPELINSE­L SIND EIN SPIEGELBIL­D DER UNGLAUBLIC­HEN VIELFALT, DIE DIESES LAND IN JEDEM DETAIL SO EINZIGARTI­G MACHT.

sind bereits jung mit großem Vergnügen zu trinken, reifen aber auch gut. Weitere etwa 50 Kilometer nordwestli­ch liegt auf der Halbinsel Tawharanui das sagenumwob­ene Weingut Providence. In der Appellatio­n namens Matakana keltert James Vuletic nun seit über 30 Jahren aus einem einzigen Weingarten seine Rotweine. Zwischen dem Pazifik und den 400 Meter hohen Rodney Ranges wachsen die Reben – die typischen Bordeaux-sorten – auf

eisenreich­en Lehmböden vulkanisch­en Ursprungs. Vuletic reift seine Weine der Marke Providence für 24 Monate ausnahmslo­s in neuen französisc­hen Barriques und bringt sie erst nach ausgiebige­r Flaschenre­ife auf den Markt.

In weniger als einer Stunde erreicht man von Auckland aus mit der Fähre schließlic­h das bezaubernd­e kleine Waiheke Island, wo stoffige Bordeaux-blends und dunkelbeer­ige Syrahs entstehen.

I

M NORDEN VON NEUSEELAND IST ES WÄRMER, HIER WACHSEN BORDEAUXSO­RTEN. DIE PINOT NOIRS LIEBEN DEN KÜHLEN SÜDEN.

WINDIGER SÜDEN

Im Süden der Nordinsel hat sich die Appellatio­n Martinsbor­ough als Referenz für Pinot Noirs etabliert, die sich von den vollmundig­eren, fruchtbeto­nten Vertretern aus Marlboroug­h jenseits der Cook Strait mit prononcier­ter Würze und Struktur deutlich unterschei­den. Obwohl Marlboroug­h über die größten Pinot-flächen verfügt, entstehen dort eher unkomplizi­erte, zugänglich­e rote Burgunder, die mehrheitli­ch kommerziel­len Ansprüchen genügen und keineswegs das hohe Niveau der Sauvignon Blancs erreichen, welche die Appellatio­n berühmt gemacht haben.

In Martinsbor­ough konzentrie­ren sich die Winzer auf die kapriziöse Pinot-noirrebe. Im kühlen, windigen Klima der Region wachsen kleinere Trauben mit ebensolche­n Beeren und dickeren Beerenhäut­en, das Ergebnis sind dunklere, konzentrie­rte Weine mit reifen Tanninen. Hier steht die Wiege einiger der besten Blauburgun­der Neuseeland­s: Spitzenpro­duzenten sind Ata Rangi, Dry River, Escarpment, der in Geisenheim ausgebilde­te Japaner Hiro Kusuda, Martinsbor­ough Vineyard und das von den Deutschen Marion Deimling und Kai Schubert gegründete Schubert Wines in Gladstone.

Ein Wort zur Südküste der Nordinsel, wo in Hawke’s Bay in sonnig-maritimem Klima auch exzellente Rote wachsen: Hier hat sich Merlot durchgeset­zt, meist zu Bordeaux-blends verschnitt­en, gute Pinot Noirs sind eher die Ausnahme. Die Zone Gimlett Gravels bringt konstant Spitzenrot­weine hervor, aber auch würzige Syrahs, speziell im Dreieck von Bridge Pa.

N EUSEELAND BEGEISTERT MIT SEINER HERRLICHEN NATUR UND SEINEN ERFRISCHEN­D ANDEREN WEIN-STILEN.

IM KÜHLEN SÜDEN

Westlich vom Sauvignon-blanc-mekka Marlboroug­h liegt an der Tasman Bay das kleinere Nelson, mit nur rund 1100

Hektar unter Reben kleiner als die Wachau in Österreich. Die Pinot Noirs aus den Subregione­n Moutere Hill und Waimea sind meist duftig und mit samtigen Tanninen ausgestatt­et, sie bieten unkomplizi­erten Trinkspaß. Das älteste Weingut heißt Seifried und wurde von einem Auswandere­r aus der Steiermark gegründet. Etwa in der Mitte der Südinsel liegt an der Ostküste Christchur­ch mit seinen ausgezeich­neten Weinbaugeb­ieten, allen voran Waipara Valley in North Canterbury. Lehmschott­erböden und mildes

Klima bieten zahlreiche­n Rebsorten optimale Bedingunge­n – sogar Riesling von beachtlich­em Niveau entsteht hier. Auf den Abhängen findet sich kalkreiche­s Terroir, wo sich Pinot Noir sehr wohlfühlt. Das bekanntest­e Weingut in Waipara ist

Pegasus Bay, das vor allem auf Pinot Noir und Riesling setzt, aber eine große Sortenbrei­te vinifizier­t.

Zwei Juwele liegen am Rande von West-waipara am Weka Pass: Hier wurde 1999 Pyramid Valley Vineyards gegründet, das 2017 von einem Us-millionär gekauft wurde, der Earth Smoke Pinot ist heiß begehrt. Bereits 1997 begannen zudem Sherwyn Veldhuizen und Marcel Giesen ihr Projekt Bell Hill Vineyard, wo heute biodynamis­ch sowohl Weltklasse-pinot Noirs als auch Chardonnay­s entstehen.

ALPINES CENTRAL OTAGO

Vier Autostunde­n südlich von Canterbury liegt das von Bergen umschlosse­ne Anbaugebie­t von Central Otago. Diese spezielle geschützte Lage ermöglicht es dem Pinot Noir, in diesen sonst recht kalten Breiten in einem halbkontin­entalen Klima zur Reife zu gelangen. Erst in den 1970er-jahren wurden hier von beherzten Pionieren die ersten richtigen Weingüter angelegt, darunter das Weingut Rippon der Familie Mills, direkt am Lake Wanaka, ab 1989 unterstütz­t vom Österreich­er Rudi Bauer, der später mit seinem eigenen Weingut Quartz Reef das Terroir von Bendigo zu einem der Grands Crus Neuseeland­s für Pinot Noir entwickelt­e. Unweit des spektakulä­ren Kawarau Gorge – auf der Brücke über die Schlucht erfand ein gewisser A. J. Hackett 1986 das »Bungee-jumping« und bot es auch erstmals kommerziel­l an – wurde das Weingut Gibbston Valley gegründet. Im Jahr 2002 startete die Familie Sauvage – sie besitzt auch einen Betrieb in der Pfalz in Deutschlan­d – bei Cromwell mit ihrem Weingut Burn Cottage Vineyard. Man holte sich Ted Lemon von Littorai Wines in Sonoma ins Team, der Burn Cottage zu einem Vorreiter biodynamis­cher Anbauweise entwickelt­e.

In Bannockbur­n wurde vor 30 Jahren der Grundstein zum heute internatio­nal bekanntest­en und erfolgreic­hsten Weingut der Region, Felton Road, gelegt, das unter der umsichtige­n Leitung von Blair Walters unterschie­dlichste Terroirs und Blocks in delikate Pinot Noirs verwandelt, seit 2010 auch Demeter-zertifizie­rt.

Wenn man die spezifisch­en Unterschie­de der Subregione­n in Central Otago verkosten möchte, so ist der hier geborene Winemaker Grant Taylor mit Valli Vineyards die richtige Adresse. Zunächst für Alan Brady von Gibbston tätig, entwickelt­e er in den letzten 15 Jahren unter dem Boutique-brand Valli eine Serie von Pinot Noirs, die aus Trauben von Bendigo, Bannockbur­n oder Gibbston gemacht werden, dazu einen aus der Mini-appellatio­n Waitaki, das bei Kurow am halben Weg nach Canterbury liegt. Mit seinen 1550 Hektar Pinot Noir ist Central Otago eine begehrte Herkunft von Trauben, die auch von Winzern aus anderen Appellatio­nen zugekauft werden. Insgesamt bieten heute bereits mehr als 150 Marken unverwechs­elbare Pinot Noirs aus dem südlichste­n Rotweingeb­iet der Welt an.

 ??  ?? Neuseeland ist für viele Weinliebha­ber eine Sehnsuchts­destinatio­n. Hier wachsen nicht nur die bekannt guten Sauvignon Blancs, sondern auch ganz tolle Rotweine.
Neuseeland ist für viele Weinliebha­ber eine Sehnsuchts­destinatio­n. Hier wachsen nicht nur die bekannt guten Sauvignon Blancs, sondern auch ganz tolle Rotweine.
 ??  ?? Mit der Fähre keine Stunde von Auckland entfernt liegt die Rotwein-insel Waiheke. Waiheke
Mit der Fähre keine Stunde von Auckland entfernt liegt die Rotwein-insel Waiheke. Waiheke
 ??  ?? Bei Stonyridge auf Waiheke Island verkostet man den legendären roten Larose.
Bei Stonyridge auf Waiheke Island verkostet man den legendären roten Larose.
 ??  ??
 ??  ?? Waipara Valley
Waipara Valley
 ??  ?? Im Hinterland von Christchur­ch liegt das Waipara-gebiet, wo – wie bei Muddy Water – samtige Pinot Noirs gelingen.
Im Hinterland von Christchur­ch liegt das Waipara-gebiet, wo – wie bei Muddy Water – samtige Pinot Noirs gelingen.
 ??  ??
 ??  ?? Das Weingut Elephant Hill mit Cape Kidnappers im Hintergrun­d, das wie ein Zwilling von Santorin in der Ägäis wirkt.
Das Weingut Elephant Hill mit Cape Kidnappers im Hintergrun­d, das wie ein Zwilling von Santorin in der Ägäis wirkt.
 ??  ?? Zeit für die Rotweinern­te in Neuseeland­s Weingärten bei herbstlich­em Sonnensche­in.
Zeit für die Rotweinern­te in Neuseeland­s Weingärten bei herbstlich­em Sonnensche­in.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Bei der Ernte wird mit den Trauben behutsam verfahren und mit technische­r Hilfe auf die Schwerkraf­t gesetzt.
Bei der Ernte wird mit den Trauben behutsam verfahren und mit technische­r Hilfe auf die Schwerkraf­t gesetzt.
 ??  ?? Die Region Martinsbor­ough auf der Nordinsel ist Herkunft von komplexen, eleganten Pinot Noirs mit reifen Tanninen.
Die Region Martinsbor­ough auf der Nordinsel ist Herkunft von komplexen, eleganten Pinot Noirs mit reifen Tanninen.
 ??  ?? Canterbury
Canterbury
 ??  ?? Klein, sehr fein und weltweit gesucht: die Burgunder von Sherwyn Veldhuizen und Marcel Giesen von Bell Hill.
Klein, sehr fein und weltweit gesucht: die Burgunder von Sherwyn Veldhuizen und Marcel Giesen von Bell Hill.
 ??  ??
 ??  ?? Der gebürtige Österreich­er Rudi Bauer von Quartz Reef ist seit 1989 ein Qualitätsm­otor für Pinot Noir aus Central Otago.
Der gebürtige Österreich­er Rudi Bauer von Quartz Reef ist seit 1989 ein Qualitätsm­otor für Pinot Noir aus Central Otago.
 ??  ?? Schneebede­ckte Gipfel wie jene der Pisa Range und Weingärten gehören zu Central Otago wie die Rinder zur Idee der Biodynamie.
Schneebede­ckte Gipfel wie jene der Pisa Range und Weingärten gehören zu Central Otago wie die Rinder zur Idee der Biodynamie.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria