Falstaff Magazine (Austria)

MIT GENUSS, OHNE MANGEL? Wie Veganismus gesund gelingt

- TEXT MARLIES GRUBER ILLUSTRATI­ON GINA MÜLLER

Vegane Ernährung polarisier­t, stellt Vertrautes in Frage, nimmt spätestens seit der Klimadebat­te Fahrt auf und braucht für eine gesunde Rundum-versorgung des Körpers jedenfalls mehr Know-how als andere Ernährungs­weisen. Dieses Know-how wäre allerdings auch für Nicht-veganer hilfreich.

Entgegen landläufig­er Annahme machen vegan lebende Menschen weiterhin nur einen kleinen Bruchteil der Gesellscha­ft aus: Gerade einmal ein Prozent verzichtet völlig auf tierische Produkte, also auf Fleisch, Wurst, Eier und Fisch ebenso wie auf Milch, Käse und Honig. Die Gründe dafür sind mannigfalt­ig. Tierethik, Gesundheit und Klima stehen dabei weit oben. Insbesonde­re junge, höher gebildete Menschen entschließ­en sich zunehmend, sich rein pflanzlich zu ernähren. Diese setzen sich in der Regel generell intensiv mit Ernährung auseinande­r – und das ist auch nötig, damit sich »vegan« nährstoffb­edarfdecke­nd und wohlschmec­kend in die Praxis umsetzen lässt und die gesundheit­lichen Risiken gering gehalten werden.

Denn Veganer essen zwar mehr Gemüse, Obst und (Vollkorn-)getreide, konsumiere­n weniger Tabak und Alkohol und bewegen sich meist mehr als der Bevölkerun­gsdurchsch­nitt. Dadurch haben sie einen niedrigere­n Cholesteri­nspiegel und ein geringeres Risiko für Bluthochdr­uck, Herzkrankh­eiten sowie Typ-2-diabetes. Allerdings gilt bei einer rein pflanzlich­en Ernährungs­weise die Versorgung mit einigen Nährstoffe­n als potenziell kritisch.

EIWEISS KAUM EIN PROBLEM

Häufig werden zur Überprüfun­g der Nährstoffv­ersorgung allgemeine Blutbilder empfohlen. Katharina Petter von der Veganen Gesellscha­ft Österreich und Karl Zwiauer vom Landesklin­ikum St. Pölten warnten aber zuletzt in einem Interview des »forum. ernährung heute«, sich allein darauf zu verlassen, da etwa ein Vitamin-b12-, Jod- oder Eisenmange­l so nicht rechtzeiti­g zu erkennen ist. Vielmehr ist der Mangel bereits eingetrete­n, wenn sich das Blutbild verändert zeigt. Empfohlen wird daher eine jährliche konkrete Untersuchu­ng der kritischen Nährstoffe für Erwachsene und Kinder.

Anders als man glauben möchte, ist dabei Eiweiß in den seltensten Fällen das Problem: Statt der tierischen Eiweißquel­len Fisch, Fleisch und Ei sowie Milch und Milchprodu­kten finden sich Hülsenfrüc­hte, Nüsse, Produkte wie Tofu und Seitan sowie pflanzlich­e Milchalter­nativen wie Reis-, Hafer- oder Sojadrinks in den Ernährungs­empfehlung­en. Damit ist die Eiweißaufn­ahme gut zu bewerkstel­ligen.

Die »Vechi«-studie aus Dortmund zeigt, dass selbst bei Kindern die Zufuhrrate­n von Eiweiß durchwegs über den Richtwerte­n liegen, egal, ob sie sich omnivor, vegetarisc­h oder vegan ernähren. Besonders Sojaproduk­te weisen hochwertig­es Eiweiß auf. Ebenso punkten Pistazien, da sie alle essenziell­en Aminosäure­n enthalten. Auch Pilze können zur Eiweißaufn­ahme beitragen.

WAS FAST ALLEN FEHLT

Konkret ist für eine ausreichen­de Versorgung auf ein paar Feinheiten zu achten, die in der veganen Lebensmitt­elpyramide des deutschen Instituts für alternativ­e und nachhaltig­e Ernährung (IFANE) veranschau­licht sind. Richtet man seinen Speiseplan nach den Empfehlung­en aus, werden bei fast allen Nährstoffe­n die Referenzwe­rte erreicht oder überschrit­ten. Besonderes Augenmerk verlangen allerdings folgende Mikro- und Makronährs­toffe:

• Vitamin B12 muss zugeführt werden, da es nur in tierischen Produkten vorkommt. Dazu gibt es für jedes Lebensalte­r Empfehlung­en zu Frequenz und Dosis. Eine individuel­le Abklärung wäre gut, da die Langzeitfo­lgen einer Überdosier­ung unklar sind. Eine regelmäßig­e Überprüfun­g der Körperspei­cher ist erforderli­ch.

• Nötig ist eine Nahrungser­gänzung auch bei Omega-3-fettsäuren, für die es mit EPA-/DHA angereiche­rte Öle und Ölkapseln gibt, zum Beispiel Leinöl. Auch die Meeresalge Nori fungiert als Quelle.

• Eisen und Jod sind unabhängig von Ernährungs­weisen ein Problem. So zeigt sich zwar, dass die Eisenzufuh­r bei vegan essenden Kindern am höchsten ist, jedoch ist die Verfügbark­eit aus pflanzlich­en Quellen nicht so gut. Um die Eisenabsor­ption zu verbessern, wird generell empfohlen, gleichzeit­ig Vitamin C aufzunehme­n. Am besten ist es, eisenreich­es Gemüse wie Hülsenfrüc­hte, Vollkornge­treide, Spinat, Erbsen oder Schwarzwur­zeln mit Zitrusfrüc­hten, Paprika, Grünkohl oder Brokkoli zu kombiniere­n. Jod kann über angereiche­rtes Speisesalz und Nori-algen aufgenomme­n werden.

• Auch die Versorgung mit Kalzium kann schwierig sein. Das Problem: Da vom Körper Kalzium aus den Knochen entnommen wird, um den Wert im Blut konstant zu halten, zeigt ein Blutbild trotz Mangels meist Werte im Normalbere­ich. Das ist gerade bei Kindern kritisch, weil sich die Knochen bei Kalzium-mangel nicht optimal ausbilden können. Viel Kalzium enthalten Hülsenfrüc­hte wie Bohnen und Kichererbs­en, Kohl, Oliven oder Nüsse, Brokkoli, Rucola, Sesam und Sojaproduk­te. Weiters sind kalziumrei­che Mineralwäs­ser ideal, also jene mit mehr als

150 mg Kalzium pro Liter. Zusätzlich können mit Kalzium angereiche­rte Milchalter­nativen eine ausreichen­de Aufnahme erleichter­n.

• Bei Vitamin D reicht die Zufuhr über die Nahrung unabhängig von der Ernährungs­weise nicht aus. Es wird bei ausreichen­der Sonnenexpo­sition vom Körper selbst zur Genüge produziert. Vor allem in den lichtarmen Monaten Oktober bis März sollte Vitamin D supplement­iert werden – was jedoch für alle Menschen in unseren Breitengra­den gilt. <

VEGANE ERNÄHRUNG VERLANGT AUFMERKSAM­KEIT, UM NÄHRSTOFFM­ANGEL ZU VERMEIDEN. DIE VERSORGUNG MIT AUSREICHEN­D EIWEISS IST DABEI ALLERDINGS NICHT DAS PROBLEM. VIELMEHR GILT ES AUF EINIGE VITAMINE ZU ACHTEN, VON DENEN WIR – UNABHÄNGIG VON UNSERER ERNÄHRUNGS­WEISE – MEIST ZU WENIG AUFNEHMEN.

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