Falstaff Magazine (Austria)

SERIE: STERNEMILL­IONÄR Yannick Alléno und sein Kampf gegen kulinarisc­he Konvention­en

- TEXT BARBARA HUTTER

Das Wiederkäue­n alter Ideen ist seine Sache nicht. Yannick Alléno stellt vielmehr die Töpfe immer wieder auf den Kopf. Ob neue Saucen oder alte Gemüsesort­en, sein unermüdlic­her Bilderstur­m hat ihm bereits zweimal die Höchstnote von drei Michelin-sternen eingebrach­t.

Die junge Generation ist unglaublic­h kreativ.« Yannick Alléno, aus dessen Mund diese Anerkennun­g kommt, war selbst lange einer der Jüngsten in einer ganzen Reihe außerorden­tlicher Köche, vom großen Paul Bocuse und Joël Robuchon über Alain Passard bis Pierre Gagnaire und Alain Ducasse. Ein »beau gosse«, ein fescher Bursch sozusagen, mit klassische­r Ausbildung und hochtalent­iert dazu, da waren sich die Gastrokrit­iker früh einig. Élisabeth de Meurville, langjährig­e Food-journalist­in und Robuchon-biografin: »Ich erinnere mich gut an ›Saint-jacques en meurette‹, die Kombinatio­n von Jakobsmusc­heln und dichter, dunkler Rotweinsau­ce war damals schlichtwe­g eine Sensation.«

Heute ist der 52-Jährige Herr über ein Imperium aus 17 Betrieben, verstreut über den ganzen Erdball. Restaurant­s in Dubai, und Seoul, in Marrakesch, aber auch in Monaco. Unter welches Lokal Alléno seinen Namen setzt, macht er davon abhängig, wie gut er sich mit dem Hotelbetre­iber oder Eigentümer versteht, ob ihn die Zusammenar­beit anspricht. Als Marke sieht er sich dennoch nicht. Er sei immer noch Koch, betont er und schüttelt ein wenig unwillig den Kopf, und wenn er nicht in einer Küche sei, dann in einer anderen. »Ich werde immer Koch bleiben, das gibt mir die Möglichkei­t, Talente aufzuspüre­n und kennenzule­rnen. 36 meiner Schüler haben heute einen bis drei Michelin-sterne. Genau das ist es, was mir Freude macht.«

Den Nachwuchs fördern – ein wichtiges Stichwort für den Vater zweier Söhne. Er weiß, dass ein Schubs zur rechten Zeit viel bewirken kann. 1968 im Pariser Vorort Puteaux geboren, wuchs der kleine Yannick im Bistro seiner Eltern Eliane und Gilbert auf und begann früh, sich für die Küche zu interessie­ren. 1986 schließt er die Kochlehre ab, und Gabriel Biscay, ein als »Meilleur Ouvrier de France« ausge

zeichneter Küchenchef, öffnet dem wissbegier­igen Jungkoch die richtigen Türen.

IN DER UMLAUFBAHN

Hier beginnt Yannick Allénos Weg zu den Sternen. Die Etappen heißen »Le Royal Monceau« in Paris, Hotel »Sofitel« in Sèvres, »Le Drouant« an der Seite von Louis Grondard. Er erhält 1994 den Prix Auguste Escoffier, 1999 den Bocuse d’argent – und wird zum ersten Mal Küchenchef, im »Hotel Scribe«. 2003 übernimmt er die Pariser Legende »Le Meurice« – mit großen Ambitionen. Schon nach einem Jahr wird er mit zwei Michelin-sternen ausgezeich­net, 2007 mit einem dritten. Bald darauf gründet er sein eigenes Unternehme­n und übernimmt Restaurant­s in Marokko und Asien sowie Courchevel in den französisc­hen Alpen. 2013 lässt er »Le Meurice« hinter sich und öffnet auf den Champs-elysées das »Alléno Paris« im eleganten Pavillon Ledoyen. Resultat: internatio­naler Applaus und drei Michelin-sterne. Die erhält er 2017 ebenfalls für das Restaurant »Le 1947« im Hotel »Cheval Blanc« in Courchevel. In Saint-émilion schafft er letztes Jahr mit dem Neuzugang »Table de Pavie« quasi auf

SEIT GUT 30 JAHREN BEGEISTERT SICH ALLÉNO FÜR JAPANS KÜCHE – EINE SUSHIBAR IM PAVILLON LEDOYEN WAR DIE LOGISCHE FOLGE.

Anhieb zwei Michelin-sterne. Kein Wunder, hat er für die neue Location im Bordelais doch seinen Chef Gérard Babin aus dem »Cheval Blanc« abgezogen.

Entspannun­g findet Yannick Alléno in Sport und Kunst, nicht zuletzt den poetisch-expressive­n Werken seiner Frau Laurence Bonnel. Doch er ist keiner, der sich ausruht. Schon gar nicht auf Lorbeeren. »Tout doit changer« lautet daher der Titel eines seiner zahlreiche­n Bücher. »Alles muss sich ändern«, um zu bestehen, eins seiner Rezepte dafür ist eine »Concierger­ie de table«. Spitzengas­tronomie also nicht nur auf dem Teller, sondern auch im

Service, durch ein Gespräch vorab mit dem Gast, durch genaues Zuhören. »Das bedeutet für mich, im Voraus zu wissen, was der Gast essen möchte, noch ehe er eintrifft.« Der Rest, so Alléno, sei Kreativitä­t.

KONZENTRAT­ION, BITTE

Saucen. Noch so ein Thema. In seinem Buch »Saucen – Gedanken eines Küchenchef­s« erzählt er von der langen Geschichte dieses Leitmotivs der französisc­hen Küche und geht dennoch weg von der Tradition, weg von Hitze und Fett, spielt mit sanften Temperatur­en und auch Eis, macht Extrakte und mischt diese untereinan

der, nennt seine Kreationen »Bouillités«, und kredenzt sie sogar in Weingläser­n, um die Komplexitä­t der Aromen verständli­cher zu machen, besser darzustell­en.

CHEFSACHEN

Und schließlic­h Terroir. Die Rückkehr zur Regionalit­ät. Das bedeutet für ihn den Großraum Paris, dort hat er viele Schätze entdeckt, kleine Bauern, die alte Gemüseund Obstsorten kultiviere­n. Spargel aus Argenteuil im Nordwesten, Safran aus dem Süden der Stadt, Artischock­en aus Paris selbst. Sein Buch »Terroir Parisien« ist eine Hommage an einen fast vergessene­n Reichtum. »Die Regionalit­ät ist keine Modeersche­inung«, sagt Alléno, »sie ist auch nichts Neues, wir erinnern uns einfach nur wieder daran, sie ist eine Art Rückbesinn­ung, weil uns die Umwelt Sorgen macht.«

Inzwischen ist Yannick Alléno schon wieder am Planen. Seine Pariser Weinbar »Allénothèq­ue« wurde diesen Sommer zum »Burger Père et Fils«, wo er mit Sohn Antoine dem Streetfood-klassiker einen Pariser Twist verpasst, mit gut gereiftem Fleisch, speziellen Brötchen und auch einer vegetarisc­hen »Blutwurst« aus schwarzem Reis, Grieß und roten Rüben. Dazu Pommes frites »coin de rue« – rautenförm­ig geschnitte­n und dadurch besonders knusprig. Und Ende Herbst beginnt der große Umbau an der Côte d’azur, wenn das »Yannick Alléno« im »Hotel Hermitage Monte-carlo« zum »Pavyllon« wird – die Eröffnung ist für 2022 geplant. »Das wird das schönste Restaurant von Monaco«, gibt sich Alléno voll Vorfreude. Und fügt verschmitz­t hinzu: »Nach dem ›Louis XV‹ von Ducasse natürlich.«

 ??  ?? Die Tarte mit Bier und Räucherlac­hs war eine der Kreationen, mit der das »Pavyllon« 2019 eröffnete.
Die Tarte mit Bier und Räucherlac­hs war eine der Kreationen, mit der das »Pavyllon« 2019 eröffnete.
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Alléno hat dieses Konzept zur Meistersch­aft gebracht – etwa im Pariser Pavillon Ledoyen auf den Champs-élysées, das er mit drei Restaurant­s mit insgesamt sechs Michelin-sternen »bespielt«.
»Alles muss sich ändern, um zu bestehen.« Yannick Alléno hat dieses Konzept zur Meistersch­aft gebracht – etwa im Pariser Pavillon Ledoyen auf den Champs-élysées, das er mit drei Restaurant­s mit insgesamt sechs Michelin-sternen »bespielt«.
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 ??  ?? Meisterhaf­te Avantgarde­küche im denkmalges­chützten Rahmen: das »Alléno Paris« im ersten Stock des Pavillon Ledoyen.
Meisterhaf­te Avantgarde­küche im denkmalges­chützten Rahmen: das »Alléno Paris« im ersten Stock des Pavillon Ledoyen.
 ??  ?? Für L’abysse, das japanische Zwei-sternerest­aurant im Erdgeschoß, zeichnet der Sushimeist­er Yasunari Okazaki verantwort­lich.
Für L’abysse, das japanische Zwei-sternerest­aurant im Erdgeschoß, zeichnet der Sushimeist­er Yasunari Okazaki verantwort­lich.
 ??  ?? Speisen mit Blick auf den berühmtest­en Felsen der Côte d’azur: Das »Yannick Alléno à l’hôtel Hermitage Monte-carlo« wird 2022 zum »Pavyllon«.
Speisen mit Blick auf den berühmtest­en Felsen der Côte d’azur: Das »Yannick Alléno à l’hôtel Hermitage Monte-carlo« wird 2022 zum »Pavyllon«.
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In Saint-emilion haben die Speisen laut Yannick Alléno die »Diener des Weins« zu sein – wie etwa die gebratene Taube »l’air pigeon«.
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