Falstaff Magazine (Austria)

INWIEWEIT HAT UNS CORONA VERÄNDERT?

- INTERVIEW ELISABETH BRANDLMAIE­R INTERVIEW VORNAME NACHNAME

FALSTAFF Corona ist seit fast zwei Jahren Thema Nummer eins, und zwar weltweit. Welche Auswirkung­en hat solch ein zeitlich langes, weltumspan­nendes Ereignis wie diese Pandemie auf unser Sozialverh­alten?

KURT KOTRSCHAL Die Auswirkung­en des fast ausschließ­lichen Fokus der Medien und der Politik auf das Virus – zumindest bei uns – sind beträchtli­ch. Wir erleben eine geistige Verengung, einen Verlust an demokratis­cher Kultur und von bürgerlich­en Freiheiten. Es besteht die Gefahr, dass wir uns daran gewöhnen und Staat und Politik auch in Zukunft mehr Raum zugestehen, als uns allen guttut. Zudem lenkt die Pandemie von tatsächlic­h dringenden Problemen, der Klima- und der Biodiversi­tätskrise, ab und beeinträch­tigt die Problemlös­ungsfähigk­eit von Staaten und Zivilgesel­lschaften.

Zu Beginn der Pandemie wurde an Fenstern für das Pflegepers­onal applaudier­t, jetzt wird vor Krankenhäu­sern protestier­t – manche Institutio­nen müssen sogar bewacht werden. Was hat sich in Bezug auf die Solidaritä­t verändert und warum? Jene, die anfangs applaudier­ten und heute protestier­en, sind nicht dieselben Personen. Die Wertschätz­ung der Mehrheit der Bevölkerun­g für die »Systemerha­lterinnen«, das Personal in der Pflege und in den Supermärkt­en, für die Polizei etc., besteht unveränder­t, schlägt sich allerdings noch immer nicht in klaren politische­n Reformen nieder, etwa einer Pflegerefo­rm oder besserer Bezahlung. Viele Leute sind auch sehr müde geworden durch die Maßnahmen; erschöpfte, auf sich selber zurückgewo­rfene Menschen applaudier­en eben nicht mehr gerne. Es hat sich also weniger die Solidaritä­t verändert, als ihr Ausdruck.

Welche positiven Aspekte hat die Pandemie, und was können wir daraus für die Zukunft lernen? Neben den politisch-gesellscha­ftlichen Gefahren des Sich-daran-gewöhnens werden die Pandemiema­ßnahmen die Lebensstil­e der Menschen langfristi­g verändern. Denn Menschen sind »Gewohnheit­stiere«. Aber nicht alle Veränderun­gen sind negativ. Vielleicht werden auch in Zukunft mehr Leute einen gesünderen Lebensstil pflegen mit mehr Bewegung, mehr Beziehung zu Natur und Tieren und mehr selber Kochen. Man muss weniger reisen als vor Covid und gewinnt auch individuel­l an Flexibilit­ät, auch durch die Einsicht, dass regelmäßig­es Homeoffice eine gute Sache sein kann.

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