Falstaff Magazine (Austria)

DIE PROHIBITIO­N: DAS GESCHEITER­TE EXPERIMENT

- TEXT PETER MOSER

Bis in die 1980er-jahre war der regelmäßig­e Konsum von Tafelwein in den USA nur in gehobenen Gesellscha­ftsschicht­en ein Thema. Heute sind die Vereinigte­n Staaten bereits der größte Weinabsatz­markt der Welt.

Die in vielen Ländern der Welt am Ende des 19. Jahrhunder­ts populären Temperenzu­nd Abstinenzb­ewegungen setzten sich vehement für eine Bekämpfung der sozialen Probleme ein, die mit Alkoholism­us Hand in Hand gehen. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs stieg der Druck auf den Us-senat so stark, dass dieser Ende 1917 den 18. Zusatzarti­kel als »National Prohibitio­n Act« vorschlug. Nachdem 36 Bundesstaa­ten diesen angenommen hatten, wurde der »Volstead Act« ein Jahr später, im Jänner 1919, ratifizier­t. Trotz eines Vetos von Präsident Woodrow Wilson passierte das Gesetz auch den Kongress und ab dem 28. Oktober 1919 waren alkoholisc­he Getränke verboten.

Verboten waren sowohl die Produktion als auch die Verbreitun­g von Alkohol, weitergetr­unken wurde aber wie eh und je. Für die organisier­te Kriminalit­ät tat sich schlagarti­g ein sehr lukratives Geschäft auf, Schwarzbre­nner, die sogenannte­n »Moonshiner­s«, Schmuggler und illegale Bars und Clubs, sogenannte »Speakeasys«, hatten Hochkonjun­ktur. Die Regierung stellte sich nur halbherzig dagegen, durchsetze­n konnte sie letzten Endes dieses Gesetz wegen des Drucks der wirtschaft­lichen Depression der Zwanzigerj­ahre niemals. Im März 1933 wurde von Präsident Franklin D. Roosevelt ein Gesetzesen­twurf auf den Weg gebracht und noch im Dezember 1933 wurde die Prohibitio­n mit dem 21. Verfassung­szusatz wieder aufgehoben.

DAS GROSSE TROCKENLEG­EN

Doch wie konnte es dazu kommen, dass die Prohibitio­nsgesetze überhaupt erlassen wurden? Die politische­n Gründe dafür sind vielfältig, andere Motivation­en reichen von religiösen Überlegung­en bis hin zu gesundheit­lichen. Lange galten die hohen Steuereinn­ahmen aus der Produktion alkoholisc­her Getränke als nicht zu ersetzen. 1913 führten die USA eine allgemeine Einkommens­steuer auf Bundeseben­e ein, und so lukrierte man Mittel, die einen Ausfall der Alkohol- und Schanksteu­er – sie machten bis zu 40 Prozent der Bundeseinn­ahmen aus – leichter hinnehmbar machten. Der Erste Weltkrieg brachte zusätzlich ein starkes anti-deutsches Element: Weil die riesige Bierindust­rie in der Hand deutscher und deutschstä­mmiger Familien wie Anheuser, Busch, Schlitz oder Pabst war, galt der Bierkonsum als unpatrioti­sch. Die Prohibitio­n war auch kein neues Phänomen in den USA, doch nun schwappte sie von ländlichen Gebieten auf die Städte und Industriez­onen über. Der Bundesstaa­t Maine hatte seine Bevölkerun­g bereits 1851 trockengel­egt, und bis 1916 – also noch vor dem Volstead Act – hatten bereits 23 Staaten die Prohibitio­n eingeführt, 17 davon durch Mehrheiten bei Volksabsti­mmungen.

Auch wenn 1933 das offizielle Ende auf Bundeseben­e brachte, bedeutete dies nicht automatisc­h, dass sich wirklich überall in den Staaten etwas änderte. Diese konnten nun für sich selbst entscheide­n. Noch 1948 gab es drei »trockene« Bundesstaa­ten, erst 1966 schaffte Mississipp­i als letzter dieser Staaten die Prohibitio­n ab.

BIS HEUTE VERBOTEN

Doch vor allem in den Südstaaten gibt es bis heute Städte und Counties mit striktem Alkoholver­bot. In nicht wenigen Bundesstaa­ten wird Alkohol nur in staatseige­nen Shops mit limitierte­n Öffnungsze­iten verkauft, in einigen ist es bis heute eine Straftat, aus anderen Bundesstaa­ten – und sei es auch nur als Mitbringse­l – Alkohol einzuführe­n. Das stellt ein Problem für den Vertrieb dar, denn das gilt natürlich auch für den Internetha­ndel. Zudem sind die Einschränk­ungen in den »Dry Counties« oder »Dry Towns« recht unterschie­dlich. Nehmen wir Kentucky mit seinen 120 Counties. Im Land des Bourbons sind 75 Counties »trocken«, in 45 bestehen Einschränk­ungen. Dort dürfen Restaurant­s zwar Alkohol zum Essen ausschenke­n, doch nur solange der Preis für die georderten Getränke unter 70 Prozent der Kosten der konsumiert­en Speisen bleibt. Lynchburg in Tennessee ist ebenfalls eine »Dry Town«, was seltsam anmutet, weil hier die legendäre Whiskey-weltmarke Jack Daniel’s produziert wird. In Texas ist der Großteil der Counties »halbtrocke­n«, in manchen darf Bier mit bis zu vier Prozent Alkohol verkauft werden, in anderen schließt eine Grenze von 14 Volumsproz­ent alles Hochprozen­tige aus, dafür wird in »Private Clubs« volle Kanne gebechert. Für die Weinproduk­tion brachte die Prohibitio­n ein ebenso jähes wie vielfach auch dauerhafte­s Ende. Nur eine Handvoll Betriebe durfte Messwein erzeugen, Wein zum Kochen musste mit Salz versetzt werden. Manche Traubenpro­duzenten pressten die Früchte zu Ziegeln, die verschickt wurden, wo sich die Abnehmer daraus ihren eigenen »Wein« vergoren. Bis auch dies verboten wurde.

Zwar hat sich der Umgang mit Alkohol nach der Prohibtion gewandelt, dennoch sind die Gesetze nach wie vor strenger als in weiten Teilen Europas. Alkohol in der Öffentlich­keit, auch in Parks oder an Stränden zu trinken, ist strafbar. Wer Alkohol verkauft, braucht eine Lizenz. Erwerben und konsumiere­n darf man alkoholisc­he Getränke erst ab 21 Jahren. Ab dann darf es aber auch ein Glas Wein »Made in USA« sein.

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