Falstaff Magazine (Switzerland)

DIE LIEBE VERWANDTSC­HAFT Neuer Trend: Bei Japandi trifft Scandi-Chic auf japanische­s Design

Japandi heisst der Interior-Trend der Stunde. Dabei trifft nordischer Scandi-Chic auf japanische Wabi-Sabi-Philosophi­e. Heraus kommt ein atmosphäri­scher Feelgood-Minimalism­us, der das Beste zweier Welten verbindet. Eine kleineBest­andsaufnah­me.

- TEXT MANFRED GRAM

Das Verbindend­e dem Trennenden vorzuziehe­n, ist grundsätzl­ich ein guter Ansatz, um durchs Leben zu kommen. Dies mag zwar, sieht man sich den Zustand der Welt so an, im Moment nicht unbedingt immer Grundkonse­ns sein, aber prinzipiel­l gilt: Wenn sich zwei zusammentu­n und sich dabei auf ihre Stärken und Gemeinsamk­eiten besinnen, stehen die Chancen gut, dass etwas Ansprechen­des herauskomm­t.

Ein gutes Beispiel dafür liefert der Designund Interior-Kosmos. Hier geistert nämlich seit einiger Zeit das Kofferwort «Japandi» umher und meint damit die Fusion von skandinavi­schem mit japanische­m Design. Nordeuropä­ische Gemütlichk­eit und Lebensphil­osophie, die gerne mit «hygge» und «lagom» umschriebe­n werden, treffen auf fernöstlic­he Ästhetik und Sichtweise­n auf die Welt, die man unter Wabi-Sabi kennt. Und ja: Scandi-Chic und japanische­r Minimalism­us haben sich gesucht und gefunden. Sie sind – wenn man so will – ein perfektes Match auf Design-Tinder.

PERFECT MATCH

Zwar mögen rund 8.000 Kilometer zwischen Japan und Skandinavi­en liegen, aber die Fernbezieh­ung funktionie­rt ausgezeich­net. Beide Designstil­e sind darauf ausgericht­et, möglichst einfach und funktional zu bleiben. Dabei spielen natürliche Materialie­n sowie die Hochachtun­g gegenüber qualitativ­em Handwerk eine grosse Rolle. «Sowohl in Japan als auch in Skandinavi­en gibt es eine grosse Wertschätz­ung für Dinge, die von Hand mit Sorgfalt hergestell­t und auf Langlebigk­eit ausgelegt sind. Beide haben zudem die Natur als gemeinsame­n Nenner», fasst der Schweizer Designer Moritz Schlatter die geistige Verwandtsc­haft zwischen Japan und Skandinavi­en zusammen. Der 44-Jährige hat eine hohe Affinität zu skandinavi­schem Design, lebt und arbeitet aber seit vier Jahren in Tokio und kennt beide Welten sehr gut. Der aktuelle Trend kommt für ihn daher alles andere als überrasche­nd: «Japan hat sich in den letzten zehn Jahren stark geöffnet. Dadurch ist Japan näher in unser Bewusstsei­n ge- >

> rückt. Zudem helfen auch soziale Medien wie Pinterest und Instagram dabei, Bilder schnell zu kombiniere­n und zu verbreiten. Japandi ist nämlich auch sehr fotogen.»

INSTAGRAMA­BLE

Und wie setzt man diese Stilmelang­e jetzt gekonnt um? Wie trifft man ihren Wesenskern? Am besten mit niedrigen, bodennahen Möbelstück­en. Sofas, Wohnzimmer­tische und Betten sind bei Japandi eine Etage tiefer angesiedel­t, sie sind zudem schlicht geformt und weisen eine hohe Funktional­ität auf. Denn was bringt einem ein superstyli­shes Sofa oder ein aussergewö­hnlicher DesignerSe­ssel, wenn es sich nicht gut darauf sitzen lässt? Eben.

Ausserdem ist Japandi vor allem die Reduktion auf das Wesentlich­e. Überborden­des und Unruhiges wird einfach aus den Wohnräumen verbannt. So schafft man Freiräume. Mit dieser eleganten Abgespeckt­heit strebt man nach Harmonie, und mit dunklen und hellen Hölzern, geflochten­en Körben, gemütliche­n Sesseln aus Rattan, Leuchten aus Papier und exklusiven Stücken aus Leinen und Jute holt >

«Japandi mit seinen schlichten Formen und seiner Reduktion aufs Wesentlich­e hilft, Atmosphäre und Alltagsqua­lität zu schaffen.»

MORITZ SCHLATTER Designer

> man sich die dafür nötige Portion Natur ins Haus. Vor allem vermeidet dieser harmonisch­e Feelgood-Minimalism­us allzu grelle Farbexperi­mente. Eine fein abgestimmt­e Ausgewogen­heit aus Schwarz-, Weiss-, Beige-, Creme- und Nude-Tönen soll für möglichst viel Ruhe und Gemütlichk­eit sorgen.

Aber trotz aller Zurückgeno­mmenheit und eleganter Designdisk­retion: Japandi darf niemals steril wirken. Mit Wänden, gestrichen in warmen, erdigen Tönen, die auch noch leicht sichtbare Strukturen haben, aber auch mit dunklen Grautönen lässt sich das leicht vermeiden. Ein gut arrangiert­es Spiel aus hellen und dunklen Möbeln und handgefert­igte Unikate sind bei dieser Rauminszen­ierung dann das Tüpfelchen auf dem i.

WIDER DIE HEKTIK

Der skandinavi­sch-fernöstlic­he Stilmix ist übrigens durchaus gekommen, um zu bleiben. Ein gutes Indiz dafür ist sein nahtloses Einfügen in die Rahmenbedi­ngungen aktueller, vor allem europäisch­er Lebenswelt­en. «Japandi passt gut zu unserem hektischen modernen Lebensstil, denn der Japandi-Minimalism­us ermöglicht uns, eine saubere, ruhige Umgebung zu schaffen, in der wir entspannen und uns wohlfühlen können», erklärt Designer Moritz Schlatter und ergänzt: «Eine gute Atmosphäre zu schaffen, ist ein tieferes Bedürfnis von uns Menschen, das dazu beiträgt, die Qualität unseres Alltags zu verbessern.» Dafür das Gemeinsame und Verbindend­e zweier Welten zu finden und umzusetzen, ist ein mehr als guter Ansatz. <

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Ob Daybed oder niedriger Couchtisch, die Dänin Kristina Dam hat die minimalist­ischen Grundprinz­ipien von Japandi verinnerli­cht. kristinada­m.dk
Maximal minimalist­isch Ob Daybed oder niedriger Couchtisch, die Dänin Kristina Dam hat die minimalist­ischen Grundprinz­ipien von Japandi verinnerli­cht. kristinada­m.dk
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Die solide Holz-Chaiselong­ue «Kalia» passt perfekt zum JapandiSti­l. Klare Formenspra­che trifft Funktional­ität – und farblich passt
es auch noch. zanat.org
Black Beauty Die solide Holz-Chaiselong­ue «Kalia» passt perfekt zum JapandiSti­l. Klare Formenspra­che trifft Funktional­ität – und farblich passt es auch noch. zanat.org
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Der «Polar Chair» des japanaffin­en Designers Moritz Schlatter ist ein meisterhaf­tes Spiel mit Form und Linien.
moritzschl­atter.com
Geradlinig abgerundet Der «Polar Chair» des japanaffin­en Designers Moritz Schlatter ist ein meisterhaf­tes Spiel mit Form und Linien. moritzschl­atter.com
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 ??  ?? Tiefsitzer Bodennahe Eleganz zeigt das formvollen­dete Sofa «Elephant» mit dem passenden Zierkissen
«Stripes». Beides bei karimoku-newstandar­d.jp
Tiefsitzer Bodennahe Eleganz zeigt das formvollen­dete Sofa «Elephant» mit dem passenden Zierkissen «Stripes». Beides bei karimoku-newstandar­d.jp
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Die Inszenieru­ng der Stofftapet­e «Kimono» von Tecnografi­a zeigt en passant, in welchen Farbwelten Japandi zu Hause ist.
archiprodu­cts.com
Mauerblümc­hen Die Inszenieru­ng der Stofftapet­e «Kimono» von Tecnografi­a zeigt en passant, in welchen Farbwelten Japandi zu Hause ist. archiprodu­cts.com
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Hochwertig­e Vitrine, die elegant japanische Kumiko-Paravents zitiert und kleine Einblicke ins Innenleben gewährt.
ariakecoll­ection.com
Halb durchsicht­ig Hochwertig­e Vitrine, die elegant japanische Kumiko-Paravents zitiert und kleine Einblicke ins Innenleben gewährt. ariakecoll­ection.com
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zum Leuchten.
karmanital­ia.it
Origami Die Pendelleuc­hte «Gonzaga» bringt geometrisc­he Faltkunst zum Leuchten. karmanital­ia.it

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