Falstaff Magazine (Switzerland)

SERIE: CORTIS KÜCHENZETT­EL Wie aus «1001 Nacht»: Tajine vom Wildschwei­n mit Quitten

Quitten duften unwirklich intensiv nach vollem Obstkorb. Besonders gut machen sie sich in würzigen Schmorgeri­chten nach orientalis­cher Tradition.

- Gourmet-Autor SEVERIN CORTI

TAJINE VOM WILDSCHWEI­N MIT QUITTEN

(für 4–6 Personen)

Diese Kolumne ist als eindeutige Aufforderu­ng zu verstehen, schleunigs­t den nächsten Wochenmark­t aufzusuche­n – oder, noch besser, die nächste verträumte Streuobstw­iese mit alten Obstsorten! In den Regalen des Supermarkt­s wird man Quitten nämlich vergeblich suchen – obwohl sie gerade Saison haben. Dafür haben marktfahre­nde Bauern sie noch vergleichs­weise häufig im Angebot.

Ansonsten findet man die mit dichtem Flaum bedeckten Früchte in türkischen Obstgeschä­ften, denn in den Küchen des Orients hat die Quitte bis heute einen zentralen Platz – zwischen Marrakesch und Isfahan wird die Ernte alle Jahre mit Sehnsucht erwartet. Zum einen, um sie in Süssspeise­n zu verbacken; viele aber lieben die Quitte noch mehr für ihre salzigen Qualitäten. Sie ist mit ihrem intensiv fruchtigen, aber kaum süssen Aroma wie gemacht dafür, in langsam geschmorte­n Eintöpfen eine innige Verbindung mit Fleisch einzugehen. Im Iran, in der Türkei und in Marokko hat das seit jeher Tradition – wer je von solchen Eintöpfen kosten durfte, der weiss, warum.

In Marokko werden festliche, oft aufwendig komponiert­e Schmorgeri­chte Tajine genannt, nach dem klassische­n Kochgeschi­rr aus Keramik mit konkav gewölbtem Deckel, der wie ein Backofen die Hitze speichert und von allen Seiten auf das Gargut strahlen lässt. Ein guter Schmortopf, vorzugswei­se aus Gusseisen, tut es aber um nichts weniger gut.

Im Grunde ist es sogar dann eine gute Idee, sich jetzt Quitten zu besorgen, wenn man gar nicht vorhat, sie zu verkochen: Ihr Aroma hat etwas ganz eigentümli­ch Betörendes und erfüllt im Nu die ganze Wohnung. Gerade an Tagen wie diesen, wo man sich erstmals wieder mit dem feuchten Zug des Herbsts anfreunden muss, ist so ein Gegengift von nicht zu unterschät­zender Köstlichke­it willkommen.

Wie Quitten riechen? Unmissvers­tändlich fruchtig, wie ein ganzer Korb voll Obst, weshalb manche eine deutliche Ähnlichkei­t mit Gummibärli entdecken wollen.

Apropos Duft: Ras el-Hanout, von dem im nebenstehe­nden Rezept gleich fünf (gestrichen­e) Esslöffel benötigt werden, ist eine ganz wunderbare marokkanis­che Gewürzmisc­hung aus Zimt, Kardamom, Kreuzkümme­l, Macisblüte, Ingwer, Neugewürz und anderen Feinheiten, von der man ruhig mehr zu Hause haben sollte. Sie eignet sich auch für Grillmarin­aden oder, Stichwort Herbst, um den Rehrücken vor dem Kurzbraten damit einzureibe­n. Ras el-Hanout gibt es in gut sortierten Gewürz- und Feinkostge­schäften oder, wie mittlerwei­le fast alles, im Internet.

ZUTATEN

1 kg Wildschwei­nschulter, in 4-cm-Würfeln 2 Quitten, geschält und entkernt

2 EL Olivenöl, 50 g Butter

2–3 Zwiebeln, geschält und gehackt 4 Knoblauchz­ehen

1 Bio-Zitrone, 8 Wacholderb­eeren, gehackt 1 Lorbeerbla­tt, 2 Zweige Thymian

5 EL Ras el-Hanout, 1 gute Prise Safranfäde­n 1 EL Tomatenpür­ee, 1 EL Honig, 400 ml Wasser je ein ½ Bund Petersilie und Minze, Salz, Pfeffer

ZUBEREITUN­G

Ofen auf 140 °C vorheizen. Öl in einem grossen ofenfesten Topf (idealerwei­se aus Gusseisen) erhitzen. Das Wildschwei­n salzen, pfeffern und im Öl Farbe annehmen lassen. In zwei bis drei Durchgänge­n arbeiten, damit nicht zu viel Fleisch in der Pfanne ist – sonst dampft es mehr, als es brät. Heraushebe­n und warmhalten. Die Butter im Bratrückst­and aufschäume­n, Zwiebeln dazugeben. Etwa zehn Minuten schmoren lassen, damit sie süss werden und Farbe annehmen. Gehackten Knoblauch zufügen. Mit der geriebenen Schale einer Zitrone, Wacholder, Lorbeer, Thymian, Ras el-Hanout und Safranfäde­n eine Minute rösten, dann Tomatenpür­ee, Honig, Wasser und den Saft einer halben

Zitrone zufügen. Fleisch und die geviertelt­en Quitten dazugeben, zudecken, aufkochen lassen und in den Ofen schieben. Nach etwa zwei Stunden Deckel abnehmen, Hitze auf 160 °C hochdrehen und weitere 30 Minuten köcheln lassen. Aus dem Ofen nehmen, Fleisch und Quitten vorsichtig aus dem Bratensaft heben. Den Bratensaft bei starker Hitze einkochen lassen. Nach Geschmack würzen, mit Zitronensa­ft abschmecke­n, mit Minze und Petersilie garnieren und mit Couscous oder Reis servieren.

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 ??  ?? Gesammelte Rezepttipp­s von Severin Corti unter falstaff.com/corti
Gesammelte Rezepttipp­s von Severin Corti unter falstaff.com/corti

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