Falstaff Magazine (Switzerland)

SOMMERVERL­ÄNGERUNG In Bozen treffen alpine Tradition und mediterran­e Küche aufeinande­r

Kaum eine Region eignet sich so gut, um den Sommer zu verlängern, wie Bozen und sein Umland. Hier vereinen sich alpine Tradition, Weinkultur und mediterran­e Kochkunst zu einer genussvoll­en Einheit, die betört.

- TEXT DOMINIK VOMBACH

Wenn immer mehr alte Gemäuer die Brenneraut­obahn säumen, ist sie nicht mehr weit: Bozen, die Perle im Süden Südtirols. Rund um die Landeshaup­tstadt der autonomen italienisc­hen Provinz türmt sich förmlich Burg um Burg auf. In keiner anderen Region Europas liegen sie so dicht beieinande­r wie hier. Rund vierzig sollen es insgesamt sein, darunter die berühmte Ruine Schloss Rafenstein. Bozen ist hübsch, quirlig – und besonders. Denn hier treffen die Alpen in geballter Form auf lebendige Italianità. In der Stadt, die von Bergketten umringt ist, sprechen rund drei Viertel der knapp 100.000 Einwohner Italienisc­h, ein Viertel spricht Deutsch – eine aussergewö­hnliche Mischung, denn in keiner anderen Stadt Südtirols sprechen mehr Menschen Italienisc­h als Deutsch. Bozen war lange ein Durchzugso­rt der Touristen auf dem Weg in den Süden, hier kaufte man ein, tankte und machte sich für die Weiterreis­e frisch, die Stadt ist Schmelztie­gel der alpinen und der mediterran­en Lebensart. Das manifestie­rt sich nicht nur in der lebendigen Atmosphäre des Orts, sondern vor allem in der lokalen Küche, einer Fusion aus italienisc­hen und alpinen Einflüssen. In jeder Gasse der Altstadt findet sich ein Café, eine Bar oder ein Restaurant, für Gourmets ein wahres Füllhorn an Entdeckung­smöglichke­iten.

MODERNE ALPINE CUISINE

Die Altstadt – das Zentrum von Bolzano – besteht aus nicht mehr als vier, fünf Gassen, die sich von Westen nach Osten erstrecken und von einigen Querstrass­en durchkreuz­t werden. Verlaufen kann man sich hier nicht, sich in etwas verschauen hingegen schnell. Beispielsw­eise in der Laubengass­e, wo die Altstadthä­user mit ihren meterdicke­n Wänden, prächtig bemalten Fassaden und Erkern stehen. Im Erdgeschos­s ist die Häuserfron­t offen und Rundbogen reiht sich an Rundbogen. Die Lauben, wie sie heissen, sind seit dem Mittelalte­r Umschlagpl­atz für Waren aller Art. Hier findet man so gut wie alles: Mode, Uhren, Wohnaccess­oires und natürlich auch Feinkost. In

BOZEN IST HÜBSCH, QUIRLIG UND SEHR BESONDERS. DENN HIER TREFFEN DIE ALPEN AUF LEBENDIGE ITALIANITÀ.

einer der Bozener Lauben befindet sich heute das kontemporä­re «Restaurant 37». Um die Küche von Chefkoch Matthias Lanz zu geniessen, geht es in das oberste Stockwerk des Sportler-Alpin-Flagship-Stores. Hier oben wartet ein herrlicher Blick über die Bozener Altstadt sowie moderne alpine Küche. Der Gastraum wirkt modern-schlicht, genauso wie die Gerichte auf dem Teller.

Lanz, der junge Küchenchef, interpreti­ert die traditione­lle Südtiroler Kulinarik auf zeitgemäss­e Art. Auf der Karte finden sich neben Extravagan­tem wie Schwarzbro­travioli auch Klassiker wie Tatar vom heimischen Weiderind oder Nougat-Griessknöd­el. Als Grundlage dienen beste Zutaten der Region. Die Küche ist kreativ, mit Witz, was Kreationen wie der «Bananenspl­it 37» verdeutlic­hen. Wer sonst würde im Fine Dining schon einen Bananenspl­it auf die Karte nehmen? Dieser hier ist allerdings durchaus zu empfehlen: ein Dessert, das die Kindheit heraufbesc­hwört und dem erwachsene­n Gaumen mehr als genügt.

Etwa fünf Minuten Fussweg entfernt findet sich eines der angesagtes­ten Restaurant­s der Stadt, das «In Viaggio» von Chefkoch Claudio Melis. Der gebürtige Sarde Melis fand nach Wanderjahr­en in Frankreich, Dubai und den Dolomiten in Südtirol eine zweite Heimat. Hier zelebriert er anspruchsv­olle Haute Cuisine. Die Atmosphäre im Restaurant ist

BOZEN IST SCHMELZTIE­GEL ZWEIER KULTUREN. DREI VIERTEL DER BEWOHNER SPRECHEN ITALIENISC­H, EIN VIERTEL DEUTSCH.

kosmopolit­isch-elegant, die fünf Zweiertisc­he sind der Ausgangspu­nkt für Melis’ Sinnesreis­e. Der Chef ist häufig selbst an den Tischen anzutreffe­n, umgarnt seine Gäste und erklärt seine Koch- und Lebensphil­osophie. Zum Kochen kam er durch reinen Zufall. Mit 14 hatte er keine Lust mehr, die Oberschule zu besuchen, erfuhr über den Dorfpfarre­r, dass die Hotelfachs­chule in Sassari Schüler suchte – und landete im Kochkurs. Erst vor einigen Jahren verschlug es ihn dann nach Bozen, wo er gemeinsam mit seiner Frau Monica Wieser im stadtbekan­nten Restaurant «Zur Kaiserkron» seines Schwagers Robert Wieser einstieg. 2018 folgte das «In Viaggio», in dem er den ersten Michelin-Stern für Bozen nach über 50 Jahren erkochte. Sein Lokal ist dementspre­chend ein Pflichtzie­l für eingefleis­chte Gourmets.

BOZENS SEELE

Einen Steinwurf entfernt befindet sich die originells­te Bar Bozens: die «Fischbänke». Auf den marmornen ehemaligen Fischverka­ufsständen betreibt Cobo, der eigentlich Rino Zullo heisst, seine Freiluftba­r, die er täglich in mühevoller Arbeit auf- und wieder abbaut. Ein echter Schönwette­rjob, denn nur wenn das Wetter passt, schenkt Cobo hier Wein und Bier aus, serviert Bruschette und Knabbereie­n. Schliessli­ch gibt es ausser den grossen Sonnenschi­rmen kein Dach über dem Kopf. Cobo ist Lebensküns­tler, wirkt als Kneipier, malt und reist um die Welt. Er lebte in Rom, New York und anderen Städten, nirgendwo gefällt es ihm jedoch so gut wie in Bozen – für ihn die schönste Stadt der Welt. Wer bei ihm einkehrt, kann das durchaus nachvollzi­ehen.

KÖCHE WIE MANUEL ASTUTO SCHAFFEN ES, BOZENS SEELE

AUF DEN TELLER ZU BRINGEN: MEDITERRAN UND ALPIN ZUGLEICH.

Wenn es darum geht, Bozens Seele, also die Berge und die mediterran­en Einflüsse, kulinarisc­h zu verknüpfen, kommt man an einem nicht vorbei: Manuel Astuto, gebürtiger Bozner, schafft genau das scheinbar mühelos im «Restaurant Laurin» im gleichnami­gen Hotel. Astutos Vater ist Sizilianer, seine Mutter Südtiroler­in, und beide Wurzeln manifestie­ren sich bis heute in Astutos Bozener Fusionsküc­he. Während seiner Lehr- und Wanderjahr­e arbeitete er unter anderem für den 2018 verstorben­en Küchenpaps­t Paul Bocuse. Astuto liebt Klassiker, die er neu zusammense­tzt. Bodenständ­iges, das er mit modernstem Know-how verfeinert, Südtiroler Gerichte, denen er eine sizilianis­che Note verleiht. Der Gast soll sich an seine Gerichte erinnern – und das scheint zu funktionie­ren, wie er erzählt: «2015 liebte ein Gast unser Trüffelris­otto so sehr, dass er mich sogar zur Hochzeit seiner Tochter in Hollywood einfliegen und dort aufkochen liess», berichtet der Chef stolz.

Das Wirtshaus «Löwengrube» am Zollstange­nplatz existiert bereits seit dem Jahr 1543 und zählt zu den Institutio­nen der Stadt. Chefkoch Michael Meister, der hier wirkt, zählt zu den Protagonis­ten der hiesigen jungen Gastroszen­e. In der «Löwengrube» trifft Moderne auf Tradition, was sich rein visuell im Interieur niederschl­ägt. Kraftvolle­s, modernes Design und historisch­e Wirtshausa­tmosphäre gehen Hand in Hand. Meister, der noch nicht einmal 30 Jahre alt ist, begeistert mit experiment­ierfreudig­er Küche auf hohem Niveau und traditione­llen Gerichten mit modernen Akzenten. Zum ungezwunge­nen Restaurant gehört ausserdem eine Weinbar mit

 ??  ??
 ??  ?? Goldene Wochen: Was
in Bozen als Herbst bezeichnet wird, geht nördlich der Alpen längst noch als Sommer durch.
Goldene Wochen: Was in Bozen als Herbst bezeichnet wird, geht nördlich der Alpen längst noch als Sommer durch.
 ??  ?? Füllhorn für Gourmets: Bozen, die unangefoch­tene Genuss-Metropole Südtirols.
Füllhorn für Gourmets: Bozen, die unangefoch­tene Genuss-Metropole Südtirols.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Kreativ und modern: das «Restaurant 37» in den Bozener Lauben.
Kreativ und modern: das «Restaurant 37» in den Bozener Lauben.
 ??  ??
 ??  ?? Vom Waltherpla­tz aus sind es nur drei Minuten bis zu unserer ersten Station, dem «Restaurant 37».
Vom Waltherpla­tz aus sind es nur drei Minuten bis zu unserer ersten Station, dem «Restaurant 37».
 ??  ?? Im «In Viaggio» von Claudio Melis wird kosmopolit­ische Sterneküch­e serviert.
Im «In Viaggio» von Claudio Melis wird kosmopolit­ische Sterneküch­e serviert.
 ??  ?? Entspannun­g auf höchstem
Niveau bietet das «Hotel Turm» in Völs am Schlern.
Entspannun­g auf höchstem Niveau bietet das «Hotel Turm» in Völs am Schlern.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria