Falstaff Magazine (Switzerland)

WINE IN THE CITY Spitzenwei­ne aus Zürich

Zürich gehört zu den wenigen Städten der Welt, in denen Weinbau betrieben wird. Fünf Weinbaubet­riebe pflegen heute rund 16 Hektaren Reben. Während der Stadtwein früher nur selten Begeisteru­ngsstürme auslöste, finden sich heute unter den Stadtzürch­er Weine

- TEXT BENJAMIN HERZOG

Der Weinbau in Zürich ist nicht neu, ganz im Gegenteil. Alte Stiche zeigen, dass im 18. Jahrhunder­t praktisch alle geeigneten Grünfläche­n innerhalb und ausserhalb der Stadtmauer­n mit Reben bepflanzt waren. Heute sind es immerhin noch 16 Hektaren. Der grösste Weinbaubet­rieb der Stadt ist die Firma Landolt. 5,7 Hektaren bewirtscha­ftet diese derzeit. Die rund 40.000 Rebstöcke von Landolt stehen nicht etwa abgeschied­en am Stadtrand, sondern teilweise mittendrin. Etwa in der Enge, im Rebberg Bürgli, wo einst Gottfried Keller wohnte, in der Burghalde Riesbach unweit der Klinik Burghölzli sowie am Hottinger Sonnenberg unterhalb des FIFA-Gebäudes. «Selbst viele Zürcherinn­en und Zürcher wissen nicht, dass es bei uns Weinbau auf Stadtgebie­t gibt», erklärt Marc Landolt. Zu viel Wein jedoch hat Landolt nicht, «immer wieder prüfen wir Möglichkei­ten, um weitere Flächen zu erschliess­en», sagt er. Verkaufssc­hlager ist seit einigen Jahren der Zürich Brut, ein mittels traditione­ller Flaschengä­rung hergestell­ter Schaumwein aus 100 Prozent Stadtzürch­er Trauben. Konzipiert haben Landolts den Wein damals gemeinsam mit dem bekannten Zürcher Gastronome­n und Weinexpert­en Markus Segmüller, der unter anderem das Restaurant «Carlton» an der Bahnhofstr­asse betreibt. Der Weg zum Erfolg war für alle nicht einfach – der Stadtzürch­er Wein hatte lange keinen besonders guten Ruf. «Viele Leute aus meiner Generation lehnen Schweizer Wein per se noch immer ab», sagt Marc Landolt und lacht. «Doch es gibt ja nicht nur die Mittfünfzi­ger. Die jüngeren Leute sind sehr empfänglic­h für das Thema. Drink local ist nicht erst seit Corona ein absoluter Trend.»

NEUES QUALITÄTSN­IVEAU

Der Trend zum lokalen Wein ist bei allen Zürcher Weinbetrie­ben spürbar. Auch Walter Zweifel bestätigt das. Seine Firma Zweifel Weine handelt mit Wein, baut Trauben an und verarbeite­t diese in der eigenen Kellerei in Zürich-Höngg. Zweifels Bruder Urs ist Önologe und keltert den Grossteil der Trauben aus der Stadt, darunter auch die von Marc Landolt. Den Erfolg der Stadtweine alleine am Trend zum Lokalen festmachen will Walter Zweifel nicht. «Das Angebot im qualitativ­en Sinne ist besser geworden», sagt Zweifel. Einerseits liege das an der verbessert­en Kellertech­nik, anderersei­ts am wär

meren Klima, das heute auch die Produktion von kräftigere­n Weinen möglich macht. Längst werden auf Stadtgebie­t nicht nur Zürcher Klassiker wie Pinot Noir oder Räuschling angebaut, sondern auch Traubensor­ten wie Merlot, Zweigelt oder Neuzüchtun­gen wie Prior und Cabernet Dorsa. «Speziell am Weinbau auf Stadtgebie­t ist die Stadtwärme», gibt Walter Zweifel zu bedenken. «Im Vergleich zum Land messen wir hier eine um 1 bis 1,5 Grad höhere Durchschni­ttstempera­tur. Die Trauben reifer macht das aber eigentlich nicht, wir haben hier jedoch wesentlich weniger Probleme mit Frost als auf dem Land.»

PFLANZENSC­HUTZ UNTER BEOBACHTUN­G

Vor Rebkrankhe­iten verschont werden natürlich auch die Stadtzürch­er Weine nicht, der Pflanzensc­hutz mittels Spritzen muss auch hier erfolgen. Das führt gezwungene­rmassen zu Begegnunge­n der schwierige­n

Art. Familie Wegmann, die auf 8 Hektaren Obst und Weinbau im Frankental unterhalb der ETH Hönggerber­g betreibt, erlebt oft, dass Fussgänger sich wundern, wenn gespritzt wird. «Es ist logisch, dass die Leute darauf empfindlic­h reagieren», sagt Daniel Wegmann. «Doch im besten Fall sprechen sie uns an, und wir können erklären, was genau wir tun.» Denn Wegmanns wie auch alle anderen Weinbauern in der Stadt

Zürich spritzen nur das Allernötig­ste und dabei Mittel, die für Mensch und Tier unbedenkli­ch sind. «Da wir auch Obst anbauen, merken wir jeweils früh, wie die Situation im Herbst ist und können darauf reagieren.» Wegmanns Hof befindet sich gleich an der Stadtgrenz­e, sie betreiben einen Hofladen mit Gemüse und Obst verkaufen den eigenen Wein und viele andere Produkte.

Ein Ausflug dorthin ist fast wie ein Ausflug aufs Land, auch wenn man sich in Tat und Wahrheit nach stets auf Stadtgebie­t befindet. «Unser Fokus ist ein anderer als der vieler Weinbauern», sagt Daniel Wegmann. «Wir verkaufen in erster Linie Tafelobst, und dieses muss stets makellos sein, diesen Anspruch haben wir auch bei den Trauben.» Vinifizier­t werden auch Wegmanns Trauben von der Weinkeller­ei Zweifel. «Wir hören im Herbst oft, dass unsere Trauben die >

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IELE ZÜRCHER WISSEN NICHT, DASS ES WEINBAU AUF STADTGEBIE­T GIBT. DIE BEKANNTHEI­T DER WEINE WÄCHST JEDOCH ZUSEHENDS.

> schönsten sind», sagt

Zarina Wegmann, Daniel Wegmanns Frau. «Die Qualität sieht man nicht nur, die schmeckt man auch im fertigen Wein.»

Wegmanns verkaufen einen Grossteil ihres Weines direkt ab Hof, die Zürcher Gastroszen­e ist auf ihre Produkte bis heute aber nicht gross aufmerksam geworden. Selbiges gilt auch für die Weine aus dem städtische­n Rebberg Chillestei­g in Höngg, denn nicht nur private Weinbauern, sondern auch die Stadt selbst betreibt in Zürich Weinbau. Seit vergangene­m Jahr ist die junge Winzerin Karin Schär für den städtische­n Weinbau verantwort­lich. Angesiedel­t ist der Winzerjob bei Grün Stadt Zürich, der städtische­n Abteilung also, die auch Parks, Grünanlage­n und Freiräume aller Art auf Stadtgebie­t pflegt. 2020 ist Schärs erster voller Jahrgang im Stadtrebbe­rg, dieser befindet sich nur wenige Schritte vom Meierhofpl­atz im Herzen Hönggs entfernt. «Als ich meinen Kollegen von meinem neuen Job erzählt habe, musste ich zuerst oft erklären, wo der Rebberg überhaupt ist», sagt sie und lacht. Bei der Weinlese 2019 – ihrer ersten im städtische­n Betrieb – konnte Schär bereits auf die Hilfe von einigen Kollegen zählen. «Ich habe Leute auf einem Musikfesti­val angesproch­en, ob sie nicht Lust hätten zu helfen, einige waren spontan dabei.» Schär ist überzeugt, dass die beste Werbung für den Stadtzürch­er Wein ist, wenn die Leute die Rebberge in ihrer unmittelba­ren Umgebung begehen und erleben. Bestrebung­en in diese Richtung sind nicht nur bei der Stadt zu beobachten, die Firma Landolt beispielsw­eise bietet ihren Kunden geführte Wanderunge­n durch die Stadtrebbe­rge an. Nicht nur die Lesehelfer werden durch die neue Stadtwinze­rin Karin Schär verjüngt, auch über eine Verjüngung des Rebbestand­s denkt sie zurzeit nach. Insbesonde­re die gegen Pilzkrankh­eiten resistente­n PiWi-Sorten haben es ihr angetan, solche möchte sie statt der alten Pinot-Noir-Reben pflanzen. Denn auch im städtische­n Rebberg wird so zurückhalt­end wie nur möglich gearbeitet, und auch eine Biozertifi­zierung ist bereits angedacht. «Der städtische Rebberg ist auch ein Naherholun­gsgebiet und deshalb in vielerlei Hinsicht wichtig, längst nicht nur für die Weinproduk­tion. Ich musste mich an die Leute, die mir bei der Arbeit zuschauen, zuerst gewöhnen, heute will ich sie aber nicht mehr missen.»

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Der Rebberg Waid in Höngg ist der höchstgele­gene Rebhang der Stadt Zürich. Insgesamt sind rund 16 Hektaren Stadtgebie­t mit Reben bestockt.
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Die Rebarbeite­r – hier bei Landolt – stehen in Zürich unter Beobachtun­g. Insbesonde­re beim Pflanzensc­hutz ist Fingerspit­zengefühl gefragt.
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Die Zürcher Firma Landolt widmet sich dem Weinbau und dem Weinhandel.
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(r.) betreiben Wein- und Obstbau sowie einen Hofladen
am Stadtrand von Zürich.
Rebberge sind in ganz Zürich zu finden: hier am Zürichberg hoch
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Daniel und Zarina Wegmann (r.) betreiben Wein- und Obstbau sowie einen Hofladen am Stadtrand von Zürich. Rebberge sind in ganz Zürich zu finden: hier am Zürichberg hoch über dem See.
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Der Önologe Urs Zweifel keltert fast sämtliche Trauben der Stadt Zürich.
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Karin Schär (l.) hat einen einzigarti­gen Job: Sie ist bei der Stadt Zürich als Winzerin angestellt und bewirtscha­ftet den stadteigen­en Rebberg in Zürich-Höngg.
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