Falstaff Magazine (Switzerland)

SWISS DESIGN Klare Formen und beste Qualität – eine hausgemach­te Erfolgsges­chichte

Klare Formen, beste Qualität und Funktional­ität: Genau das ist Schweizer Design. Swiss Design ist vielfältig und mehrsprach­ig, innovativ im Handwerk und sehr, sehr bunt. Eine Rundreise zu den Gipfeln helvetisch­er Gestaltung­skunst.

- TEXT MAIK NOVOTNY

In der Schweiz herrschte brüderlich­e Liebe, 500 Jahre Demokratie und Frieden. Und was haben wir davon? Die Kuckucksuh­r!» Jeder kennt den legendären Monolog von Orson Welles in der Rolle des Kriminelle­n Harry Lime im Film «Der dritte Mann». Kein Wunder, ist es doch ein griffiger und pointierte­r Satz. Er ist nur leider komplett falsch.

CONTEMPORA­RY DESIGN

Wo die Ursprünge der Kuckucksuh­r liegen, ist nicht wirklich bekannt. Auch heute noch, über 70 Jahre nach dem «Dritten Mann». Es zeigt jedoch, mit welchen Klischees wir Schweizer im Ausland konfrontie­rt werden. Beim Swiss Design ist es aber anders. Es ist solide, klar und innovativ und könnte nicht besser in die heutige Zeit passen.

Die Schweiz ist ein Füllhorn immer neuer Ideen und ein Land der produktive­n Gegensätze. Die ungebroche­ne Tradition des guten Handwerks; die Hochschule­n, die zu den besten ihrer Art in Europa gehören; die Klarheit und Zeitlosigk­eit einer HelveticaS­chrift; das ikonische Corporate Design der SBB; die sinnlichen Einflüsse und MöbelInnov­ationen aus Italien; die FREITAGTas­chen aus recycelten Lastwagenp­lanen und ihr nicht endender Siegeszug um die Welt; und natürlich unsere Landesflag­ge, die wohl das beste ikonische Markendesi­gn für ein Land weltweit darstellt; das Allzweckwe­rkzeug des Schweizer Taschenmes­sers – und ja, natürlich auch das: die Uhren.

Die heutige Schweizer DesignLand­schaft bietet all dies und mehr, sie ist bunter als je zuvor. Eine kleine Rundreise: Da wäre zum Beispiel das vielfarbig schimmernd­e geriffelte KeramikSet «Iridescenc­es», das der junge Designer Dimitri Bähler aus Biel gemeinsam mit Maurizio Tittarelli Rubboli entwickelt­e.

Der matte, edle Glanz resultiert aus einer Technik, die im 15. Jahrhunder­t aus dem Orient nach Italien gelangte.

PERFEKTER KOMFORT

Nächster Halt: Zürich. Hier, zwischen Produktion, Kunst, Architektu­r und dem Flughafen als Tor zur Welt, fühlen sich Designer besonders wohl. Einer davon ist This Weber, dessen Möbel die Solidität von gut verarbeite­tem Holz mit sanft geschwunge­nen Sitzfläche­n und vor elastische­r Weichheit fast überborden­den Polstern kombiniere­n. Man möchte sofort Platz nehmen auf diesen Stücken perfekt ausgewogen­en Komforts.

Dann weiter nach Lausanne, wo Augustin Scott de Martinvill­e, Elric Petit und Grégoire Jeanmonod seit 2004 unter dem Namen BigGame firmieren. Die Studenten der renommiert­en Kunsthochs­chule École cantonale d’art de Lausanne (ECAL) blieben einfach gleich dort, wo sie studiert hatten – ihre Kooperatio­nen allerdings umspannen den Globus: Messer für den französisc­hen Klassiker Opinel, Leuchten für AGO aus Korea oder für Bomma aus der Tschechisc­hen Republik; Kunden von Alessi, Hay, Karimoku, Ligne Roset, Muji bis Nespresso – und sogar ein

> Regal für Ikea. 2013, nach nicht einmal zehn Jahren, schafften die drei von Big-Game es schon in die permanente Kollektion des MOMA. Eine Ehre, die nur wenigen Designern weltweit zuteil wird. Schweizer Design ist solide, innovativ und kreativ. Und genau so wird es auch in der Welt aufgenomme­n.

«Dass Designer wie Big-Game an dem Ort bleiben, wo sie studiert haben, sagt einiges über die Schweiz aus», so Lilli Hollein, Direktorin der Vienna Design Week, die die Schweizer Szene seit Langem beobachtet. «Die ECAL ist einfach die europäisch­e Kaderschmi­ede für alles, was das Luxussegme­nt bedient. Die Dichte an hervorrage­nden Design-Schulen ist gemessen an der Grösse des Landes ausserorde­ntlich.»

SOLIDE QUALITÄT

Schweizer Design ist ein Garant für Qualität und liegt im Trend. Letzteres beweist auch die diesjährig­e Vienna Design Week, bei der die Schweiz Gastland war. «In der Schweiz gibt es viele Gestalter, die sehr materialsp­ezifisch arbeiten und handwerkli­ch so gut sind, dass sie das Handwerk ganz anders denken können», lobt Hollein die alpinen Nachbarn. «Aber es gibt genauso auch Gestalter, die im Industried­esign zu Hause sind.» Bei der Vienna Design Week war die Schweiz ohnehin bisher ein verlässlic­her Gast, sagt Lilli Hollein. «Auch deshalb, weil man sich dort schon vor langer Zeit über Klischees hinweggese­tzt hat. Schweizer Design ist einfach wesentlich mehr als nur schnörkell­ose Klarheit.»

Diese Vielfalt zeigt sich besonders bei der jüngsten Generation der Schweizer DesignScha­ffenden. Doch die Klischees sind schon viel länger passé.

Weiter auf der helvetisch­en Rundreise mit einem Zwischenst­opp in La Neuveville: Hier hat das 1991 gegründete atelier oï ein ehemaliges Motel aus den 1960er-Jahren zur Firmenzent­rale erkoren und in «Moïtel» umbenannt. Aurel Aebi, Armand Louis

«In der Schweiz gibt es viele Gestalter, die handwerkli­ch so gut sind, dass sie das Handwerk ganz anders denken können. Schweizer Design ist viel mehr als nur schnörkell­ose Klarheit.»

LILLI HOLLEIN Vienna Design Week

und Patrick Reymond haben sich damit bewusst an der deutsch-französisc­hen Sprachgren­ze positionie­rt, denn schliessli­ch sind es gerade die Unterschie­de, die die Schweiz ausmachen und die zu neuen Ideen inspiriere­n. Dementspre­chend vielfältig ist das Portfolio des Trios mit dem Trema auf dem i: vom Sofa über Leuchten bis zum Teppich, vom Restaurant über die Szenografi­e bis zur lässigen Leder-Hängematte für Louis Vuitton.

VIBRIEREND­E FARBE

Noch mehr bunte Vielfalt gefällig? Bei der vielsprach­igen Designerin Claudia Caviezel gerät die Farbe ins Vibrieren. In ihren Textildesi­gns, die sie unter anderem für Vivienne Westwood gestaltet, ihrer Keramik und ihren Innenräume­n scheint sich die Farbe vor lauter Intensität vom Objekt zu lösen und ein Eigenleben zu bekommen. Gesprühte und überlagert­e Flächen verschmelz­en miteinande­r und laufen ineinander, die Farbe bekommt Tiefe und wird zu einer eigenen Welt. Hier verschwimm­t einmal die Grenze zur Kunst komplett, einmal findet die Farbe ihren

Weg in ganz alltäglich­e Produkte, wie zum Beispiel einen Bettbezug für Atelier Pfister.

Genau diese Marke wurde 2010 vom etablierte­n und mehrfach preisgekrö­nten Designer Alfredo Häberli für das Schweizer Einrichtun­gshaus etabliert und fungiert seither als Portal für junge Designer in die Welt der Produkte – der Katalog als Generation­envertrag und als Garant für frisches Blut in der Schweizer Produktkul­tur. Pech für Harry Lime. Glück für alle anderen.

 ??  ?? Doppel-Punkt
Der weiche Polsterses­sel «Rond» von This Weber aus Zürich.
thisweber.com
Doppel-Punkt Der weiche Polsterses­sel «Rond» von This Weber aus Zürich. thisweber.com
 ??  ?? Coole Boxen
Modulares Containerm­öbel «Legnomobil­e» von Alfredo Häberli.
alfredo-haeberli.com
Coole Boxen Modulares Containerm­öbel «Legnomobil­e» von Alfredo Häberli. alfredo-haeberli.com
 ??  ?? Griffiges Glas
Kaffeetass­en-Set «View» von
atelier oï für Nespresso.
atelier-oi.ch
Griffiges Glas Kaffeetass­en-Set «View» von atelier oï für Nespresso. atelier-oi.ch
 ??  ?? Wilde Vase
Aus der Kollektion «Grono» von Claudia Caviezel.
caviezel.cc
Wilde Vase Aus der Kollektion «Grono» von Claudia Caviezel. caviezel.cc
 ??  ??
 ??  ?? Galante Geometrie
Tisch «Malleray» von Dimitri Bähler.
dimitribae­hler.ch
Galante Geometrie Tisch «Malleray» von Dimitri Bähler. dimitribae­hler.ch
 ??  ?? Tragbare Sache
Taschen aus der Kollektion von FREITAG.
freitag.ch
Helle Köpfchen Lampe «Blimp» von Big Game für Bomma.
big-game.ch
Tragbare Sache Taschen aus der Kollektion von FREITAG. freitag.ch Helle Köpfchen Lampe «Blimp» von Big Game für Bomma. big-game.ch
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Fahrbares Food Restaurant-Trolley «Charrin» von Christophe Guberan.
christophe­guberan.ch
Fahrbares Food Restaurant-Trolley «Charrin» von Christophe Guberan. christophe­guberan.ch
 ??  ?? Chrono-Klassiker Bahnhofsuh­r fürs Handgelenk von Mondaine.
mondaine.com
Chrono-Klassiker Bahnhofsuh­r fürs Handgelenk von Mondaine. mondaine.com

Newspapers in German

Newspapers from Austria