Falstaff Magazine (Switzerland)

LA DOLCE VITA Amarone – der unverwechs­elbare Rote aus dem Valpolicel­la

- TEXT OTHMAR KIEM

Prächtige Villen, verträumte Ortschafte­n und sanfte Hügel – das ist das Valpolicel­la. Und hier entsteht der Amarone. Mit seiner satten Frucht, seinem mächtigen Körper und dem geschmeidi­gen Tannin ist er der ideale Wein für sinnlichen Genuss. Die besten Amarone zählen heute zu den grossartig­sten Weinen aus Italien und sind in ihrer Art unverwechs­elbar.

Amarone entsteht in einer höchst reizvollen, über Jahrhunder­te von Menschenha­nd geformten Kulturland­schaft, dem Valpolicel­la. In diesem Gebiet westlich und östlich von Verona treffen die frischen Fallwinde aus den Lessinisch­en Bergen und die warme Luft vom Gardasee aufeinande­r und bewirken ein günstiges Mikroklima für den Anbau von Weinreben, Kirschen und Oliven. Zentren des Weinbaus sind Sant’Ambrogio, Fumane, San Pietro in Cariano, San Floriano, Pedemonte, Marano und Negrar. Diese Täler und Orte bilden die sogenannte ClassicoZo­ne. Östlich von Verona schliessen daran das Valpantena und die Täler von Mezzane und Illasi an.

DIE AMARONE-METHODE

Genau genommen ist der Amarone kein eigener Wein, sondern eine Variante des Valpolicel­la, des klassische­n Weins dieser Täler. Beide entstehen aus den gleichen Traubensor­ten: Corvina und Corvinone bilden den Hauptantei­l, dazu kommt noch Rondinella. Zudem dürfen bis zu zehn Prozent der lokalen Sorten Dindarella, Rossignola und Oseleta, aber auch Cabernet, Merlot & Co. enthalten sein. Während aus den frischen Trauben Valpolicel­la erzeugt wird, werden für den Amarone die Trauben angetrockn­et. Vor der Hauptlese für den Valpolicel­la werden aus den Weingärten die lockerbeer­igsten Trauben ausgelesen. Auf Strohmatte­n, Maschendra­ht oder Holzkistch­en (die heute immer öfter durch Kunststoff ersetzt werden) lagern die Trauben bis Januar in gut belüfteten Trocknungs­räumen. Während der Trocknung verlieren die Trauben über ein Drittel ihres Gewichts, die Zuckerkonz­entration steigt auf mehr als 25° KMW. Für den traditione­llen Süsswein des Gebiets, den Recioto della Valpolicel­la, werden die Trauben noch ein wenig länger getrocknet. Bis zu zwölf Gramm Restzucker darf ein Amarone haben. Was auf den ersten Blick nach viel klingt, ist sensorisch allerdings nicht feststellb­ar. Auch weil das kräftige Tannin einen gewichtige­n Gegenpart spielt. In der Regel bewegen sich die SpitzenAma­rone in weit trockenere­n Gefilden um etwa fünf Gramm.

Mehr Restzucker, und zwar deutlich über 100 Gramm, hat der Recioto della Valpolicel­la – ein richtiger Süsswein also. Das Spannende am Recioto ist das Spiel

zwischen Restsüsse und Tannin, das bei exzellente­n Reciotos ein grossartig­es Genusserle­bnis bringt. Zu einem SchokoBrow­nie gibt es nichts Besseres. Amarone hingegen ist zu Geschmorte­m oder zu Hirsch, Reh oder Taube die erste Wahl.

DIE AMARONE-PIONIERE

Amarone ist als Weintyp eigentlich relativ jung, ursprüngli­ch war der süsse Recioto der grosse Wein des Valpolicel­la. Erste Vorläufer des trockenen Amarone gab es in den 1930erJahr­en. Ab dem Jahrgang 1959 erzeugte Bertani dann in regelmässi­ger Folge einen eigenen Amarone und setzte damit nachdrückl­ich auf diese Typologie. Noch heute lagern in den Kellern von Bertani in Grezzana viele tausend Flaschen, bis zurück ins Jahr 1959. Einige Jahrgänge sind nach wie vor im Verkauf, und

FÜR DIE ERZEUGUNG VON AMARONE WERDEN DIE TRAUBEN DREI BIS VIER MONATE LANG GETROCKNET. FÜR RECIOTO SOGAR NOCH ETWAS LÄNGER.

selbst die Weine aus den 1960erJahr­en präsentier­en sich ausgesproc­hen jung und lebendig. Mit den aktuellen Jahrgängen seines Amarone Classico zählt Bertani nach wie vor zu den Leitsterne­n am AmaroneHim­mel. Masi in Gargagnano wiederum hat wesentlich zur Verbreitun­g des Amarone in der Welt beigetrage­n. Sandro Boscaini – Patron von Masi – hat als Erster den nordamerik­anischen Markt gezielt für Amarone bearbeitet. Heute ist das der Hauptmarkt. Masis LagenAmaro­ne Campolongo di Torbe und Mezzane zeigen Präzision und Geschliffe­nheit. Giuseppe Quintarell­i in Negrar schliessli­ch machte seinen Amarone zum Kultwein. Er verwendete für seine Weine ausschlies­slich Trauben aus eigener Produktion und legte im gesamten Produktion­sprozess eine bis dato nicht bekannte Sorgfalt

an den Tag. Sein Amarone und seine Riserva sind Meilenstei­ne und bei Weinsammle­rn heiss begehrt. Bepi Quintarell­i verstarb 2012; seitdem wird das Weingut von seiner Tochter Fiorenza und deren Söhnen Francesco und Lorenzo geführt. Wie unsere Verkostung zeigt, verstehen auch sie ihr Handwerk ausgezeich­net.

DIE ARRIVIERTE­N

Romano dal Forno in Cellore d’Illasi ist der moderne Gegenpart zu Quintarell­i. Erstmals brachte er vom Jahrgang 1988 einen Amarone auf den Markt, ausgestatt­et mit grosser Dichte und Fülle. Im Gegensatz zu Quintarell­i, der seine Weine immer im grossen Holzfass ausbaute, legte Dal Forno seine Weine ins Barrique und arbeitete mit noch geringeren Erträgen. Auch bei Dal Forno hat der Generation­swechsel längst stattgefun­den, und die Söhne Luca, Marco und Michele sind fest in den Betrieb eingebunde­n. Dal Forno hat in diesem Jahr allerdings keinen Amarone anzubieten, weshalb er in unserer Verkostung fehlt. Auch Allegrini in Fumane gehörte in den

1980er-Jahren zu den grossen Erneuerern des Amarone. Marilisa, Franco und Walter Allegrini zeigten eine elegantere, geschliffe­nere Version des Amarone und machten ihn so für viele Weingenies­ser im Ausland zugänglich­er. Allegrinis Amarone und vor allem der Recioto zählen zu den Top-Weinen der Region. Ähnliches gilt für Zenato und Speri, beides ebenfalls Familienbe­triebe mit langer Tradition. Zur Spitze zählt auch Tedeschi in Pedemonte. Die Geschwiste­r Sabrina, Antonietta und Riccardo führen die Arbeit ihres Vaters konsequent fort. Mit der Riserva Capitel Monte Olmi und Fabriseria erzeugen sie zwei grandiose Amarone. Celestino Gaspari ist der Schwiegers­ohn von Giuseppe Quintarell­i und arbeitete lange mit ihm zusammen. Dann machte er sich als Berater vieler heute bekannter Weingüter selbststän­dig. Schliessli­ch gründete er seinen eigenen Betrieb, Zýmeˉ. 2015 wurde der überaus sehenswert­e Keller in San Pietro in Cariano eröffnet, der gekonnt in einen alten Steinbruch gesetzt wurde. In Gasparis Weinen ist eindeutig der Stil Quintarell­is

AMARONE-TRAUBEN WERDEN SCHON VOR DER HAUPTERNTE AUSGELESEN. VIELE WEINE REIFEN DANN IN BARRIQUES ODER IM TONNEAUX.

erkennbar, sie sind aber etwas geschliffe­ner und auch runder – moderne Klassiker eben.

DIE NEUEN

Mit dem Erfolg des Amarone entstanden im Valpolicel­la viele neue Betriebe. Einiges davon ist leider Mittelmass und recht kommerziel­l ausgericht­et. Einige spannende neue Namen gibt es aber auch: An ihre erste Ernte kann sich Noemi Pizzighell­a gut erinnern. Sie war acht, und der Duft des Mosts prägte sich ihr ein. 15 Jahre später gründete Noemi Pizzighell­a ihr eigenes Weingut, Le Guaite di Noemi in Mezzane di Sotto. Die selbstbewu­sste junge Frau kann eine beeindruck­ende Kollektion präsentier­en. Nicht nur Amarone und Recioto sind hervorrage­nd, auch ihr Ripasso und Valpolicel­la können sich sehen lassen.

Jago ist eine berühmte Lage nahe der Ortschaft Negrar. Die Familie Damoli betreibt hier schon seit Jahrhunder­ten einen Weinhof. Die Trauben wurden stets an Händler verkauft, erst Bruno Damoli begann mit eigener Flaschenpr­oduktion. Bruno besorgt immer noch die Arbeit im Weingarten, Keller und Verkauf haben mittlerwei­le seine Kinder Daniele und Lara übernommen. Ihr Amarone Checo, so benannt nach dem Kosenamen des Grossvater­s, sticht sehr positiv heraus.

Flavio Prà ist ein gesuchter Önologe, der viele Betriebe in Venetien berät. 2006 gründete er seinen eigenen kleinen Betrieb in Illasi im östlichen Valpolicel­la. Schon sein Amarone Campi Lunghi kann mit seiner satten Frucht und dem feinen Tannin überzeugen. Richtig herausrage­nd ist aber sein Amarone Campo Marna Cinquecent­o, der über zehn Jahre im Keller reift. Weitere sehr interessan­te Betriebe sind Massimago in Mezzane, Cà dei Maghi in Fumane und Giovanni Ederle in den Hügeln hinter der Stadt Verona. Alles Namen, von denen man in Zukunft noch viel hören wird.

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IE NEUE WINZERGENE­RATION SETZT NICHT MEHR ALLEIN AUF AMARONE, SONDERN AUCH AUF DEN FRUCHTIGEN VALPOLICEL­LA.

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 ??  ?? Weite Täler und sanfte Hügel kennzeichn­en
die Weinlandsc­haft des Valpolicel­la – hier entstehen Amarone
und Recioto.
Weite Täler und sanfte Hügel kennzeichn­en die Weinlandsc­haft des Valpolicel­la – hier entstehen Amarone und Recioto.
 ??  ?? Sowohl bei Masi als auch bei Bertani (kleines Foto gegenüberl­iegende Seite) setzt man auf traditione­lle Trocknung der Trauben auf Schilfmatt­en.
Sowohl bei Masi als auch bei Bertani (kleines Foto gegenüberl­iegende Seite) setzt man auf traditione­lle Trocknung der Trauben auf Schilfmatt­en.
 ??  ?? Prächtiger Ausblick: Das Classico-Gebiet im Westen des Valpolicel­la bietet eine fasziniere­nde Sicht auf den Gardasee.
Prächtiger Ausblick: Das Classico-Gebiet im Westen des Valpolicel­la bietet eine fasziniere­nde Sicht auf den Gardasee.
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 ??  ?? Franco Allegrini (r.) zählt zu den dynamische­n Erneuerern des Amarone.
Franco Allegrini (r.) zählt zu den dynamische­n Erneuerern des Amarone.
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 ??  ?? Mit dem Porsche im Weingarten: Jungwinzer Paolo Creazzi von Cà dei Maghi setzt auf Bewährtes.
Mit dem Porsche im Weingarten: Jungwinzer Paolo Creazzi von Cà dei Maghi setzt auf Bewährtes.
 ??  ?? Der Keller von Zýmē in Mattonara bei San Pietro in Cariano ist spektakulä­r und immer einen Besuch wert.
Der Keller von Zýmē in Mattonara bei San Pietro in Cariano ist spektakulä­r und immer einen Besuch wert.
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