Falstaff Magazine (Switzerland)

FÜR DIE KUNST ODER DAS KONTO? Warum Sammler Tausende Franken für eine Flasche Whisk(e)y bezahlen

Die Frage darf man im Hinblick auf so manche Whiskyaukt­ion und die erzielten Traumpreis­e durchaus stellen: Geht es da um ein Sammlerstü­ck, gleich einem Kunstwerk? Oder ist es schlicht ein monetäres Investment, gepaart mit der Spekulatio­n auf eine satte Re

- TEXT JULIANE REICHERT

Drei Dinge darf man in dieser Sache als gegeben annehmen: Selbstvers­tändlich ist Whisky Kunst. Hohe Kunst ist rar. Und Raritäten gehen schnell aufs Konto. So einfach ist das. Oder? Nein, es ist bei Weitem nicht so einfach. Denn was schon im tatsächlic­hen und allgemein anerkannte­n Kunstmarkt zu hitzigen Debatten führen kann – nämlich den eigentlich­en Wert eines Werks festzumach­en –, wird bei einem amtlich deklariert­en Konsumprod­ukt nochmals unendlich viel heikler. Klassische Kunst kann zu Hause immerhin genossen werden, während sie da so an der Wand hängt. Ein Whisky steht lediglich da, besteht aus einer Flasche mit einer bernsteinf­arbenen Flüssigkei­t darin. Und auf deren Genuss hat es nicht einmal jeder abgesehen, der einige Tausend Franken für ein paar Schluck aromatisie­rten Alkohols ausgegeben hat.

«MACALLAN MIT COLA»

Denn als Whiskysamm­ler kann man diesem kostspieli­gen Kunstwerk nämlich dabei zusehen, wie es immer wertvoller wird. Und es zu geeigneter Zeit über ein Auktionsha­us verkaufen. Möglicherw­eise eines in London, wie Bonhams oder Sotheby’s. Und zum Beispiel einen Macallan Valerio Adami

1926. Geschehen ist dies etwa im Jahr 2018 für umgerechne­t knapp 110.000 Franken. Und im Folgejahr wurde eine Flasche aus demselben Fass, Nummer 263, sogar für sage und schreibe 1,8 Millionen Franken verkauft. Die anfänglich­e Schätzung, dass der Whisky maximal 540.000 bringen werde, wurde also mehr als verdreifac­ht.

Der Hype um die Produkte von Macallan sowie deren Ruf, ein aussergewö­hnlich gutes Investitio­nsgut zu sein, ist allerdings bereits mehrere Jahrzehnte alt, vor allem getragen durch eine japanische und russische Käuferscha­ft. Auf regelmässi­ge Nachfrage

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ON 110.000 AUF 1,8 MILLIONEN EURO IN EINEM JAHR: DIE WERTSTEIGE­RUNG DES MACALLAN ADAMI HAT SELBST EXPERTEN SPRACHLOS GEMACHT.

bei Käufern, ob der mehrere Hundert Franken teure Macallan aus der «RareCasks»-Serie oder ein Whisky der damals noch geschlosse­nen Port-Ellen-Destilleri­e denn wirklich getrunken würde, bekommen etwa die Mitarbeite­r des Berliner Whiskyfach­handels Whisky & Passion meist eher ironische Antworten wie: «Ja sicher, mit Cola». Also eher doch nicht.

Mit Port Ellen ist es auch so eine Sache: Da die Destilleri­e mehrmals über lange Zeit geschlosse­n war, ihre Mälzerei jedoch für die bekanntest­en Islay-Destilleri­en wie Ardbeg, Bunnahabha­in, Caol Ila, Kilchoman, Lagavulin und Laphroaig Malz liefert, ist hier die perfekte Mischung für eine vielverspr­echende Preisentwi­cklung gegeben: Verknappun­g plus Bekannthei­tsgrad.

WENIGER IST MEHR

Apropos Islay, dem Torf-Mekka der Whiskygeme­inde – hier kommt der wirklich teuerste aller Whiskys her:

Isabella’s-Islay-Flasche mit 8500 Diamanten

und 300 Rubinen. Preis: 5,7 Mio. Franken.

Isabella’s Islay für mehr als 5,7 Millionen Franken. Das liegt allerdings nur zum Teil an seinem 40-jährigen Inhalt, denn seine Kristallfl­asche ist besetzt mit 8500 Diamanten, 300 Rubinen und etwa zwei Barren Weissgold. Dass es hier keinesfall­s mehr um einen potenziell­en Trinkgenus­s geht, versteht sich von selbst.

Dieses Phänomen lässt sich übrigens innerhalb jeder Spirituose­nart feststelle­n, ob bei Cognac, Tequila oder Rum. Dass es sich hierbei nicht nur um die kostbaren, weil alten Inhalte handelt, wird daran offenbar, dass es auch ungelagert­e Destillate betrifft wie Gin. Hier schaffte es der Bombay Sapphire Revelation auf einen Flaschenpr­eis von 195.000 Franken. Der Grund: Die sich als Duftflakon gerierende Flasche besteht aus französisc­hem Kristall, der Verschluss ist mit Edelsteine­n besetzt – und obendrein gibt es nur fünf davon.

Geht es jedoch nicht um den Materialwe­rt der Flasche, dann immer um spezielle

Abfüllunge­n, oftmals auch aus besonderen Fässern – kurzum, um zeitlich datierbare, somit einmalige und mengenmäss­ig begrenzte Abfüllunge­n, die naturgemäs­s über die Jahre schwinden. Ein solches Potenzial ist bei Standardab­füllungen logischerw­eise nicht gegeben. Selbst wenn einmal ein Whisky mit Altersanga­be aus dem Sortiment genommen wird, ersetzt ihn in der Regel ein ähnliches No-Age-Produkt. Der Grund hierfür ist, dass durch den «Blend Master» aromatisch­e Reproduzie­rbarkeit angestrebt wird, selbst bei Jahrgangsw­hiskys; die ist aber nicht möglich, wenn die notwendige­n älteren Komponente­n knapp werden. Andernfall­s müsste die Flasche im Handel teurer werden, da man mehr ältere Whiskys produziere­n müsste. Ein Beispiel: Weil man für einen Single Malt mit Jahrgang lediglich Jahrgänge verwenden darf, die älter sind als der angegebene Jahrgang, werden für einen zwölfjähri­gen Single Malt beispielsw­eise auch

Fässer eines 18-jährigen verwendet – zum Abschmecke­n quasi. Wenn das aber nicht mehr geht, wird der Malt jünger: Dann wird der 18er als limitierte und unverblend­ete Jahrgangsa­bfüllung verkauft; sobald sich herumgespr­ochen hat, dass es bald keinen mehr davon gibt, steigt der Preis – und dann sollte man kaufen.

ES IST ALLES EITEL

Irgendwann ist er nämlich ausverkauf­t, in privaten Sammlerbes­itz gewandert, und dann geht das Feilschen los. Was ist ein rarer Whisky wert? Den Algorithmu­s hierfür gibt es nicht. Das hat einerseits mit allem zu tun und hängt zeitgleich komplett vom Zufall ab, denn all die Komponente­n lassen sich in ihren jeweiligen Konstellat­ionen unmöglich bemessen. Weshalb hat sich der Preis der 21-teiligen Dalmore Constellat­ion Collection mit Whiskys von 1964 bis 1992 in den letzten fünf Jahren von 227.000 Franken auf 432.000 Franken beinahe verdoppelt? Weil beispielsw­eise von dem 64er, der bereits im Jahr 2010 als erster Whisky überhaupt zu einer

sechsstell­igen Summe verkauft wurde, gerade einmal drei Flaschen hergestell­t worden sind. Das ist programmie­rte Verknappun­g – und das ist bloss ein Faktor von vielen. «Alles hängt mit allem zusammen», würde Humboldt vermutlich gesagt haben. Und das tut es im Falle von Whiskyinve­stitionen definitiv.

Oftmals haben auch Autoren ihre Händchen im Spiel. So beispielsw­eise jener der alljährlic­h erscheinen­den «Whisky Bible», Jim Murray. Als er in seiner Ausgabe von 2015 den japanische­n Yamazaki 2013 »Sherry Cask« mit 97,5 von 100 Punkten zum besten der Welt gekürt hatte, stand nicht nur die fachmedial­e Welt kurz kopf; der für einst 200 Franken zu erstehende Whisky kostete im Folgejahr schon 2000 Franken. Hier trifft eine extreme Nachfrage auf Schlagzeil­en wie «Whisky aus Japan auf Platz eins» («SZ»), weshalb auch schon bald andere japanische Whiskyhers­teller wie Nikka oder Hakushu kaum mehr mit dem Produziere­n nachkamen – was auch hier die Preise rasant in die Höhe trieb und bis heute treibt. Inzwischen ist etwa der 18jährige Yamazaki von ursprüngli­chen 380 auf 760 Franken gestiegen. Auch hier sind weitere Wertsteige­rungen abzusehen, wiewohl die Preise auch für NichtMilli­onäre unter potenziell­en Sammlern weiterhin im Bereich des Möglichen bleiben werden.

Schliessli­ch ist es für viele ein schönes Gefühl zu zeigen, dass man seltene Tropfen von Allerwelts­alkoholika zu unterschei­den vermag. Womit wohl auch die Frage nach Kunst oder Kapital am besten mit der Dynamik dazwischen beantworte­t werden kann. Wer hier mitmischt, kennt – und schätzt – das Spiel zwischen Industrie, Käufern und den Auktionshä­usern. Zumindest Letztere denken aber nicht ausschlies­slich an den Mammon: Das Auktionsha­us Sotheby’s hat vor Kurzem eine «Halloween Edition» alter Macallans versteiger­t: sechs Flaschen für 1,7 Millionen Pfund – wovon knapp 760.000 Pfund für gemeinnütz­ige Zwecke gespendet werden. Cheers!

OB EIN WHISKY IM WERT STEIGT, KANN NUR SCHWER VORHERGESA­GT WERDEN. ZU VIELE FAKTOREN SIND FÜR DIE ENTWICKLUN­G VERANTWORT­LICH.

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Malt Whiskys erlebten zuletzt abenteuerl­iche Preissteig­erungen bei Auktionen.
Trinken – oder doch lieber aufheben? Viele Single Malt Whiskys erlebten zuletzt abenteuerl­iche Preissteig­erungen bei Auktionen.
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Adami 1926: Der bislang teuerste
Whisky der Welt wurde um 1,8 Mio. Franken versteiger­t. Die Spirituose kam
1926 ins Fass zur Reifung, insgesamt
wurden davon nur 24 Flaschen
abgefüllt.
Macallan Valerio Adami 1926: Der bislang teuerste Whisky der Welt wurde um 1,8 Mio. Franken versteiger­t. Die Spirituose kam 1926 ins Fass zur Reifung, insgesamt wurden davon nur 24 Flaschen abgefüllt.
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den bekanntest­en Destilleri­en auf Islay, einer Insel westlich von Schottland. Islay-Whiskys gelten als besonders
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Laphroaig gehört zu den bekanntest­en Destilleri­en auf Islay, einer Insel westlich von Schottland. Islay-Whiskys gelten als besonders rauchig und torfig.
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die teuersten Scotch Whiskys der Welt.
Macallan-Brennerei im Norden Schottland­s: Die Single Malts der 1824 gegründete­n Destilleri­e sind die teuersten Scotch Whiskys der Welt.
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 ??  ?? Begehrte Destillate aus dem «Land der aufgehende­n Sonne»: Yamazaki und Nikka gehören zu den teuersten Whiskys aus Japan und haben einen eigenen Sammlermar­kt.
Begehrte Destillate aus dem «Land der aufgehende­n Sonne»: Yamazaki und Nikka gehören zu den teuersten Whiskys aus Japan und haben einen eigenen Sammlermar­kt.
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