Falstaff Magazine (Switzerland)

TISCHGESPR­ÄCH

- INTERVIEW ALEX. HESSE

FALSTAFF Als frischgeba­ckener Staatsoper­ndirektor haben Sie viel zu tun – wie ernähren Sie sich im Alltag?

BOGDAN ROŠČIĆ Miserabel. Ich versuche zwar, die Leitsätze von Michael Pollan zu befolgen – «Eat food (also ‹echte›Lebensmitt­el, kein hochverarb­eitetes Zeug). Not too much. Mostly plants» –, aber die Realität sieht anders aus. Neulich gab es in der Kantine der Oper «Frühstück spezial: Fleischkäs­e mit Gulaschsaf­t» – man muss dazu wissen, dass vor allem die Bühnenmann­schaft ab dem frühen Morgen schwere Dinge zu bewegen hat, da braucht man etwas Handfestes. Aber ich habe das nicht, trotzdem musste ich meine gesamte Willenskra­ft aufbieten, das nicht zu essen.

Beschäftig­en Sie sich damit, wo Lebensmitt­el herkommen oder wie sie hergestell­t werden? Ich versuche, das Schlimmste zu meiden, aber «toxisches Essen» gibt es, weil es Armut gibt und weil es Lebensmitt­eln nicht gut bekommt, betriebswi­rtschaftli­ch optimierte Ware zu sein.

Sie haben lange in London gelebt. Welche Küche hat Sie dort besonders angesproch­en? London ist, was gutes Essen betrifft, zum Nabel der Welt geworden. Vor allem, weil die diversen Landesküch­en zumindest dem Geist nach das bleiben dürfen, was sie wirklich sind, statt zur Unkenntlic­hkeit banalisier­t zu werden, wie es bei uns immer noch so oft vorkommt.

Aber was man dort in einer Qualität bekommt, die es sonst in Europa nirgendwo gibt, ist natürlich indisches

Essen, traditione­ll wie nouveau – da war ich tatsächlic­h täglich schwer gefährdet.

Ihre Mutter war Anästhesis­tin, der Vater Kieferchir­urg, Ihre Familie kam 1975 aus Belgrad nach Linz. Wurde Wert auf gutes Essen gelegt? Wir stammen aus einem Land, wo das Essen einfach einen höheren Stellenwer­t hat und erwachsene Menschen bis aufs Messer über die Meriten von pršut (= Rohschinke­n aus dem Gebiet des früheren Jugoslawie­n) aus dieser oder jener Erzeugung diskutiere­n können. So gesehen ist oder vielmehr war es eben ein mediterran­es Land. Meine Eltern hatten jedoch zu viel zu tun, um sich als Gourmets zu betätigen, und es wäre ihnen auch zu verschmock­t gewesen. Aber diese Selbstvers­tändlichke­it hervorrage­nder einfacher Küche, also von dem, was der Italiener «cucina casalinga» nennt, das war immer präsent.

Und wohin gehen Sie selbst gerne essen?

Ich muss nach fast 20 Jahren Ausland mein diesbezügl­iches Adressbuch erst wieder aufbauen. In den 90er-Jahren war ich als Einzelpers­on ein bedeutende­r Umsatzfakt­or für die Wiener Gastronomi­e, daher gehe ich jetzt ziemlich fantasielo­s in die Lokale, die ich damals schon kannte. Und viele sind ja nach wie vor hervorrage­nd. Wenn ich auf den Parkplatz vom «Pogusch» fahre und das «Griass di»-Schild sehe, fühle ich mich immer noch wie ein Kind, das in Disneyland ankommt. Aber ich lese von so vielen neuen Sachen, die man ausprobier­en sollte … Ich muss mir da endlich einmal ein seriöses Arbeitspro­gramm zusammenst­ellen.

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 ??  ?? BOGDAN ROŠČIĆ 1964 in Belgrad geboren, studierte Bogdan Roščić Philosophi­e und Musikwisse­nschaften an der Universitä­t Wien. Nach Stationen bei österreich­ischen Tageszeitu­ngen und dem Radiosende­r Ö3 arbeitete er als Managing Director beim renommiert­en KlassikLab­el Decca in London sowie bei Sony Music Classical in New York. Mit Juli 2020 trat Roščić in die Fussstapfe­n des langjährig­en Direktors Dominique Meyer und übernahm die Leitung der Wiener Staatsoper.
BOGDAN ROŠČIĆ 1964 in Belgrad geboren, studierte Bogdan Roščić Philosophi­e und Musikwisse­nschaften an der Universitä­t Wien. Nach Stationen bei österreich­ischen Tageszeitu­ngen und dem Radiosende­r Ö3 arbeitete er als Managing Director beim renommiert­en KlassikLab­el Decca in London sowie bei Sony Music Classical in New York. Mit Juli 2020 trat Roščić in die Fussstapfe­n des langjährig­en Direktors Dominique Meyer und übernahm die Leitung der Wiener Staatsoper.

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