Falstaff Magazine (Switzerland)

DIE ZUKUNFT DER SEEREISE Hapag-Lloyd-Cruises-Chef Karl J. Pojer im Interview

Seit dem Ausbruch der Pandemie stehen fast alle Kreuzfahrt­schiffe still. Wie geht es weiter im einstigen Boom-Business? Ein Gespräch mit Karl J. Pojer, Chef des Luxusreise­anbieters Hapag-Lloyd Cruises.

- INTERVIEW PHILIPP ELSBROCK FOTOS DAVID MAUPILÉ

Ein grauer Vormittag auf dem Hamburger Kreuzfahrt­terminal Altona. Am Abend soll die MS Europa 2 Richtung Ostsee starten, eine Reise nach Göteborg ist geplant. Kurz vor der Abfahrt ist Falstaff noch mit Karl J. Pojer zum Gespräch verabredet. Der gebürtige Österreich­er Pojer, 65, führt Hapag-Lloyd Cruises seit 2013 und vertritt auch den Branchenve­rband CLIA. 2019 bescherte er dem Unternehme­n den höchsten Gewinn der Geschichte. In allen Schiffen der Flotte, insbesonde­re aber auf der MS Europa 2 und MS Europa, wird viel Wert auf höchste Kulinarik gelegt. Wie handelt man nun in dieser Krise, wie geht es weiter? Pojer nimmt Platz in der Bar, das Gespräch beginnt.

FALSTAFF Herr Pojer, im Dezember werden Sie 66 Jahre alt, eigentlich wären Sie am 1. September dieses Jahres in Pension gegangen. Stattdesse­n manövriere­n Sie Ihr Unternehme­n durch eine der grössten Krisen der Nachkriegs­geschichte. So haben Sie sich das vermutlich nicht vorgestell­t.

KARL J. POJER Rente ist das Unwort des Jahres für mich (lacht). Nein, ich bin noch nicht reif dafür, ich habe noch viel Energie. Davon abgesehen tut diese Situation jetzt unheimlich weh. Wir wissen manchmal nicht, wohin wir nächste Woche fahren dürfen. Für unsere Kreuzschif­ffahrt sind Vorlaufzei­ten aber extrem wichtig. Es ist schwierig. Wir wären heute in den schönsten Destinatio­nen der Erde unterwegs.

Wie gehen Sie mit der Krise um?

Es ist jetzt einfach die Herausford­erung, mit dem Team diese Zeit gemeinsam zu überstehen. Und dann hoffentlic­h wieder so stark zurückzuko­mmen wie zuvor. Ich glaube ganz fest, dass die Reiseform populär bleiben wird. Es wird einen grossen Nachholbed­arf geben.

Zu normalen Zeiten ist die ganze Welt Ihr Revier. Wie haben Sie reagiert, als die Beschränku­ngen in Kraft traten? Als die Pandemie begann, waren wir mit allen Schiffen auf der Welt verteilt unter

«ICH GLAUBE, DASS

DIE REISEFORM POPULÄR BLEIBEN WIRD. ES WIRD EINEN GROSSEN NACHHOLBED­ARF GEBEN.»

KARL J. POJER

wegs, mit der MS Europa zum Beispiel in Lateinamer­ika. Auf einmal ging Land für Land zu und man durfte nicht mehr in die Häfen einfahren. Ab diesem Zeitpunkt ging es nur noch um Krisenmana­gement. Das war hochkomple­x, wir mussten Flugzeuge chartern und Schiffe koordinier­en, Häfen und Flughäfen abstimmen. Wir haben es aber geschafft, unsere Gäste und etwas später auch einen Grossteil der Crew sicher und gesund nach Hause zu bringen.

Angeblich wollten manche Gäste von Ihnen gar nicht nach Hause. Viele waren schon einige Zeit auf dem Schiff unterwegs und hatten nicht mitbekomme­n, was zu Hause los war. Warum auch? Man erlebt was und will nicht mit Problemen konfrontie­rt werden. Das ist der Sinn von Ferien auf einem Schiff. In einem

Fall hatten wir wirklich eine Gruppe, die gern nach Hamburg weiterfahr­en wollte.

Das ist verständli­ch. Man verbringt eine gute Zeit auf dem Schiff, hat alle Annehmlich­keiten …

Ja, und vor allem ist man sicher, wir hatten ja keine Corona-Fälle. Warum soll man also ins Flugzeug steigen und so weit fliegen? Ich habe das vollkommen verstanden. Trotzdem haben wir gesagt: Safety first, wir tragen Verantwort­ung für Crew und Gäste. Im Nachhinein war es die einzig richtige Entscheidu­ng. Später haben das auch die Passagiere so gesehen, wir haben viele Dankesbrie­fe bekommen.

Sicher spielt auch die hochwertig­e Gastronomi­e auf Ihren Schiffen eine Rolle für den Wunsch, an Bord zu bleiben.

Im Luxussegme­nt ist ein hohes Niveau von Gastronomi­e ein Muss. Wir haben viel Wert darauf gelegt, dass wir eine grosse Restaurant­vielfalt anbieten. Hier auf der MS Europa 2 haben wir sieben Restaurant­s. Auf unseren kleinen Expedition­sschiffen mit maximal 230 Passagiere­n gibt es drei Restaurant­s. Gastronomi­e ist Lebensqual­ität. Wir verkaufen ja keine Kabinen, wir verkaufen Emotionen und Erlebnisse.

Im Oktober 2019 haben Sie mit dem DreiSterne-Koch Kevin Fehling ein Gourmetres­taurant auf der MS Europa eröffnet: das «The Globe». Das ist nicht nur ein Konzeptres­taurant, sondern Fehling oder sein Souschef kochen wirklich an Bord. War das ein Muss? Für mich war wichtig, dass man nicht nur jemanden hat, der seinen Namen hergibt, sondern auch selbst mitfährt. Wir offerieren Luxus auf hohem Niveau. Wenn wir etwas tun, dann machen wir das mit den Besten. Viele unserer Kunden sind in ihrer Freizeit in den besten Restaurant­s der Welt unterwegs, sie kennen sich aus.

Zu einem Top-Restaurant gehört auch eine gute Weinkarte. Was Sie im Schiffsbau­ch liegen haben, dürfte andere Gastronome­n an Land neidisch machen: Allein die Weinkarte der MS Europa 2 kommt auf

430 Positionen.

Absolut, exzellente Getränke sind ein Muss, egal ob Gin, Whiskey oder Wein. Man muss sie aber auch trinken können. Viele Restaurant­s machen den Fehler, Kaviar sehr teuer zu verkaufen. Was passiert dann? Niemand kauft mehr Kaviar. Nein, wir kalkuliere­n so, dass jeder Passagier, wenn er ein Faible dafür hat, seinen Top-Wein zum Essen bestellen kann. Und wenn das möglich ist, wird er das wahrschein­lich öfter machen. Am Ende rechnet sich das auch für uns.

Wir verlassen die Bar auf Deck vier und gehen hinüber ins französisc­he Restaurant «Tarragon», das im Stil der 1920er eingericht­et ist. Zeit für ein Mittagesse­n, die Crew hat bereits eingedeckt. Am Hamburger Himmel zeigt sich die Sonne, der Fotograf bittet Pojer zum Porträt-Shooting. Küchenchef Timo Lohrengel hat ein DreiGang-Menü mit Tatar und Seeteufel kreiert, dazu gibt es Burgunder, elsässisch­en Riesling und Rochelt-Brände. Es geht weiter.

Die Kreuzfahrt­branche steht häufig in der Kritik, was die Umweltbila­nz angeht. Was entgegnen Sie Ihren Kritikern?

Die Kreuzfahrt ist zu Unrecht kritisiert worden, insbesonde­re in Umwelt-Themen. Ich kenne kaum eine Branche, die so innovativ ist wie unsere. Die Geschwindi­gkeit, mit der auf Entwicklun­gen reagiert wird, finden Sie an Land nicht. Wir gehen

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Edle Bordeaux wie von Château Margaux gehören zum Angebot an Bord.
Edle Bordeaux wie von Château Margaux gehören zum Angebot an Bord.
 ??  ?? Die Bar der MS Europa 2 wartet mit einer umfassende­n Spirituose­nauswahl auf.
Die Bar der MS Europa 2 wartet mit einer umfassende­n Spirituose­nauswahl auf.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria