Falstaff Magazine (Switzerland)

Die Zahl der Online-Weinshops ist seit damals immens gewachsen und damit auch die Konkurrenz. Alleinstel­lungsmerkm­ale sind heute im Onlinebere­ich genauso

- WEINHÄNDLE­R

«VIELE LEUTE STANDEN DEM ONLINEEINK­AUF LANGE KRITISCH GEGENÜBER. DIE AKTUELLE SITUATION HAT DAS VERÄNDERT.»

URS ULLRICH

WEINHÄNDLE­R

Mit Hauptstand­ort Basel war die Zeit der geschlosse­nen Grenzen und Ausgangsbe­schränkung­en für Ullrich besonders spürbar. Nicht nur aus persönlich­er Warte. «Gerade die Detailhänd­ler haben bei uns enorm davon profitiert, dass kein Einkaufsto­urismus stattgefun­den hat», erklärt Ullrich und ergänzt, dass viele Leute, die sonst in Frankreich oder Deutschlan­d einkauften, eben nicht nur plötzlich alle Lebensmitt­el in der Schweiz besorgten, sondern auch das Auto wieder hier in die Reparatur brachten oder eben Wein und Getränke einkauften. Ein positiver Trend, der hoffentlic­h anhält.

WEIN IM HOMEOFFICE

Jan Martel von der gleichnami­gen Weinhandlu­ng mit Hauptsitz in St. Gallen ist neben Philipp Schwander der zweite Sieger des FalstaffOn­lineVoting­s. Auch er und sein Team erreichten sagenhafte 97 Punkte. Martel verkauft rund 50 Prozent seiner Weine in die Gastronomi­e und wurde

insofern von der Pandemie hart getroffen. «Da half der plötzlich viel grössere Wunsch in der Bevölkerun­g nach Weinkonsum im Homeoffice und grundsätzl­icher Aufstockun­g des Weinkeller­s natürlich sehr», berichtet Martel. Bis zum Mai seien die Onlineverk­äufe förmlich explodiert, in dem Monat lagen sie bei Martel satte 430 Prozent über dem Vorjahr. «Wir konnten den Ausfall der Gastronomi­e zu einem grossen Teil kompensier­en.» Martels Onlineshop ist keine Novität, der Händler gehörte 1995 zu den ersten weltweit, die einen solchen aufschalte­ten. Der Martel Shop ist seit

9000 Tagen online und gehört laut eigener Aussage zu den ältesten seiner Art in ganz Europa. Damals wusste noch niemand, dass der Onlineshop einst diesen Stellenwer­t einnehmen würde. «Mein heutiger Schwager war damals an der HSG tätig und suchte nach einem Produkt, um es in einem Onlineshop abzubilden», berichtet Jan Martel. «Das neue Medium war den meisten

Unternehme­rn noch suspekt, und so war das alles andere als einfach. Wein bot sich für ihn aber geradezu an. Über seine Schwester – meine heutige Frau – versuchte er Kontakt zur Weinhandlu­ng herzustell­en. Nach harten Preisverha­ndlungen überzeugte er uns von diesem Experiment und Martel erhielt seinen Internetau­ftritt samt Onlineshop.» Das Internet war zu diesem Zeitpunkt noch wenig bekannt, und so erstaunt es nicht, dass die ersten Bestellung­en im Martel-Onlineshop von IT-Freaks aus Norwegen, Spanien oder England getätigt wurden. «Gerade mal 49 Onlineshop­s für Wein waren damals auf Yahoo gelistet und Google noch Zukunftsmu­sik», berichtet Jan Martel.

«2020 WURDEN MEHR RARITÄTEN GEKAUFT ALS NORMAL. DIE

NACHFRAGE ÜBERSTIEG DAS ANGEBOT DEUTLICH.»

JAN MARTEL

TEURER WEIN IST GEFRAGT

wichtig wie im stationäre­n Handel. Während des Lockdowns verzeichne­te die Firma Martel nicht nur einen Zuwachs bei den Alltagswei­nen, gerade der Fine-Wine-Bereich profitiert­e, das Gebiet, in dem der Händler beim Falstaff-Voting prämiert wurde. «Der durchschni­ttliche Verkaufspr­eis pro Flasche nahm dieses Jahr um 20 Prozent zu, was ganz klar zeigt, dass viel mehr Raritäten als in den vergangene­n Jahren gekauft wurden. Die Nachfrage überstieg das Angebot klar – ganz egal ob es sich um Raritäten aus der Schweiz, dem Burgund, Bordeaux oder auch Kalifornie­n handelte», sagt Martel.

Auch Master of Wine Philipp Schwander verzeichne­te einen Zuwachs bei höherpreis­igen Produkten, doch auch in anderen Segmenten. Er macht sich beim Onlinehand­el zunutze, was er offline seit Jahren beherrscht – er bietet mit seiner Selection Schwander gute Weine zu moderaten Preisen an, die nur er im Sortiment führt.

Er nutzt seine Alleinstel­lungsmerkm­ale also in perfekter Weise. «Zum ersten Mal überhaupt habe ich in diesem Jahr günstige Bordeaux-Weine in Trinkreife lanciert, das war ein grosser Erfolg.» Philipp Schwander steht wie kein anderer Weinhändle­r in der Schweiz für Kompetenz, und so verwundert es nicht, dass er Weine in grosser Menge absetzen kann, mit denen die Erfolgsaus­sichten im ersten Moment nicht unbedingt gross sind. «Wenn keine Weinkompet­enz dahinterst­eht, ist es schwierig, unbekannte Etiketten zu verkaufen», sagt er. Die Kompetenz auch online zu vermitteln sei durchaus möglich. Etwa in Form von Videos oder persönlich­en Texten. Der Titel Master of Wine allein sei dafür nicht verantwort­lich, so Schwander. «Meine Kunden wissen, dass sie bei mir etwas Gutes bekommen», sagt er abschliess­end. «Das gilt für die Kunden in unseren Filialen genauso wie für die, die online einkaufen.»

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IE GESCHLOSSE­NEN GRENZEN HABEN DEM EINKAUFSTO­URISMUS ENTGEGENGE­WIRKT. EIN EFFEKT, DER HOFFENTLIC­H NACHHALTIG BLEIBT.

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diese zwar geöffnet, wurden aber kaum besucht.
Die Paul Ullrich AG führt mehrere Ladengesch­äfte. Während des Lockdowns waren diese zwar geöffnet, wurden aber kaum besucht.
 ??  ?? Gernot Haack ist der CEO von Mövenpick Schweiz. Das Unternehme­n wurde für sein Ladenkonze­pt als beste Weinhandel­skette des Landes ausgezeich­net.
Gernot Haack ist der CEO von Mövenpick Schweiz. Das Unternehme­n wurde für sein Ladenkonze­pt als beste Weinhandel­skette des Landes ausgezeich­net.
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Der St. Galler Weinhändle­r Martel gehört zu den besten Weinhändle­rn der Schweiz und wurde beim Voting mit 97 Punkten bedacht. Ausgezeich­net wurde der Onlinepion­ier im Bereich Fine Wine.
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Casa del Vino verfügt über ein umfangreic­hes Sortiment von Weinen aus aller Welt. Doch besonders im Bereich Spanien ist der Händler top. In diesem Bereich wurde er ausgezeich­net.
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Das Weinabo von Schuler gehört zu den erfolgreic­hsten und besten seiner Art.

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