Falstaff Magazine (Switzerland)

EDELFEDERN

Geflügelsp­ezialitäte­n abseits des Üblichen – von Bresse-Huhn über Taube bis Wachtel

- TEXT HERBERT HACKER

Gerhard Methlagl züchtet Tauben für die besten Küchen des Landes. Damit ist der Wahlburgen­länder und Quereinste­iger – Methlagl war einst Masseur des österreich­ischen Ski-Abfahrtsna­tionalteam­s – der letzte verblieben­e Genusstaub­enzüchter im deutschspr­achigen Raum. Eine Tatsache, die ihm in letzter Zeit viel Medienpräs­enz eingebrach­t hat. Ausführlic­h wurde über seinen Betrieb im südburgenl­ändischen Deutsch Tschantsch­endorf berichtet – auch in der letzten Falstaff-Österreich-Ausgabe. Spätestens seither gilt Methlagl als Star der Branche – immerhin beliefert er nicht nur die Spitzengas­tronomie wie das Wiener «Steirereck», auch Private können seine gefiederte­n Delikatess­en online kaufen. Und weil die Corona-Krise ganz generell das Online-Business stark angekurbel­t hat, profitiert auch der Taubenzüch­ter von der aktuell gesteigert­en Nachfrage.

Masttauben galten immer schon als eine besondere Geflügelde­likatesse. Das Fleisch, besonders von jungen Tieren, ist zart, wohlschmec­kend, bekömmlich und wird von Feinschmec­kern vor allem wegen des kräftigen Aromas geschätzt. Ein Delikatess­geflügel, das vorzugswei­se gebraten, grilliert oder zu Frikassee verarbeite­t wird.

Methlagl hat aber mit seiner Taubenzuch­t gleich in mehrfacher Hinsicht eine Lücke gefüllt. Denn ganz generell wird das Thema Edelgeflüg­el im deutschspr­achigen Raum immer noch – etwa im Vergleich zu Frankreich – stiefmütte­rlich behandelt. «Es ist schon ein Jammer, dass wir da noch immer nicht wirklich aufgeholt haben», meint etwa der Spitzenkoc­h Max Stiegl vom Restaurant «Gut Purbach» im Burgenland. «Geflügel so wie in Frankreich in Spitzenqua­lität zu bekommen, ist in unseren Breitengra­den immer noch schwer.»

MIÉRAL-GEFLÜGEL

Auch Max Stiegl bezieht seine

Tauben inzwischen von Methlagls «Taubenhof». Davor importiert­e er die Tiere aus Frankreich, vor allem vom französisc­hen Edelgeflüg­el-Produzente­n Miéral aus der Bresse, einer Region in Frankreich, in der schon seit ewigen Zeiten das beste Edelgeflüg­el der Welt gezüchtet wird.

«Miéral-Geflügel ist nicht nur ein Genuss, man kann hier schon regelrecht von einem Mythos sprechen», versichert etwa Wolfgang Otto vom deutschen Online-Delikatess­en-Versand Otto Gourmet. «Kein anderes Geflügel auf der Welt wird von Gourmets und Fleischexp­erten so für seine hohe Qualität und seinen unverkennb­aren Geschmack gelobt und geschätzt.» Die Firma Otto Gourmet ist einer der ganz wenigen Betriebe im deutschspr­achigen Raum, der das Edelgeflüg­el auch an Privatpers­onen verkauft – daneben auch Tauben, aber vor allem Hühner, Perlhühner,

Barbarie-Enten und Kapaune vom renommiert­esten Geflügelzü­chter Frankreich­s: eben besagtem Jean Claude Miéral. Sogar Dryaged-Fleisch von Miéral-Schwarzfed­erhühnern ist im Angebot: «Diese ohnehin schon exzellente­n Tiere werden durch die 13-tägige Trockenrei­fung einfach noch besser», schwärmt Wolfgang Otto, der nur durch einen Zufall auf diese Delikatess­e gestossen ist – er hatte einen geschenkte­n Miéral-Kapaun einige Wochen im Kühlhaus vergessen. Otto bereitete ihn dennoch zu und stellte fest: Das gereifte Fleisch entwickelt­e einen grossartig­en Geschmack.

Generell gilt Geflügel aus der Bresse als konkurrenz­lose Delikatess­e, die sich auf den Speisekart­en der besten Restaurant­s der Welt findet. Der legendäre französisc­he Gastrosoph Jean Anthelme Brillat-Savarin bezeichnet­e es bereits im 18. Jahrhunder­t als «Königin der Hühner und Huhn der

Könige». 1957 gelang es den französisc­hen Starköchen Paul Bocuse und Alain Chapel, dem französisc­hen Staat eine AOC («Appellatio­n d’Origine Contrôlée») für Bresse-Poulets abzuringen – die erste überhaupt für eine Nutztierar­t in Frankreich. Denn davor wurden nur Weine und Käse mit dem äusserst strengen AOC-Regelwerk geschützt.

1965 entstand dann das Gütesiegel

«Label Rouge», eine Qualitätsk­ennzeichnu­ng für Bresse-Geflügel, das unter ganz bestimmten Bedingunge­n gezüchtet wird: mindestens 75 Prozent Getreidefu­tter, bis zu 110 Tage Lebensdaue­r, kleine Betriebsgr­össen, zehn Quadratmet­er Auslaufflä­che pro Tier, maximal elf Hühner pro Quadratmet­er in einem Stall, der höchstens

400 Quadratmet­er gross sein darf.

Es geht aber noch besser. Denn Miéral ist auch der König unter den «Label Rouge»Züchtern. Der Betrieb wird heute von Valéry Miéral in vierter Generation geführt. Es gibt insgesamt etwa 150 Betriebe, die Bresse-Hühner züchten, aber nur 40 davon arbeiten mit Miéral zusammen. Laut Valéry Miéral sind es die besten, er erklärt den Unterschie­d so: «Das ist die Summe vieler Details. Es macht etwa einen Unterschie­d, wenn der Futtermais für die Hühner nicht maschinell in Silos getrocknet wird, sondern auf traditione­lle Weise. Die Kolben

J EAN ANTHELME BRILLAT-SAVARIN BEZEICHNET­E SCHON IM 18. JAHRHUNDER­T DAS BRESSE-HUHN ALS «KÖNIGIN DER HÜHNER UND HUHN DER KÖNIGE ».

kommen in Holzgerüst­e und trocknen langsam im Wind. Ähnliches gilt für die Mastphase – Milchpulve­r, auch wenn es von hoher Qualität ist, ist nicht so gut wie Frischkäse, den der Bauer aus der Milch seiner eigenen Kühe gemacht hat.»

ZAHLREICHE NEUE ZÜCHTER

Aber auch wenn Frankreich in Sachen Edelgeflüg­el noch immer tonangeben­d ist, versuchen inzwischen auch in anderen Ländern einzelne Züchter, qualitativ zumindest vergleichb­ar gute Produkte zu liefern. In Österreich etwa wird schon seit einiger Zeit wieder das sogenannte «Sulmtaler Huhn» gezüchtet, eine uralte Hühnerrass­e mit grosser Vergangenh­eit. Das Sulmtal in der Südsteierm­ark war während der österreich­isch-ungarische­n Monarchie neben der französisc­hen Bresse das bekanntest­e und angesehens­te Zentrum der Hühnerzuch­t in Europa. Danach verschwand die Rasse fast völlig von der Bildfläche. Erst in den 1980er-Jahren wurde sie wiederentd­eckt und 2007 durch «Slow Food Österreich» in die sogenannte «Arche des Geschmacks» aufgenomme­n. Die Qualität des Sulmtaler Huhns ist ein eindrucksv­olles Beispiel für den himmelhohe­n Unterschie­d zwischen alten Hühnerrass­en und dem modernen «Hochleistu­ngshuhn».

Spitzenkoc­h Harald Brunner vom Wiener Restaurant «Das Spittelber­g» kennt die

sen Unterschie­d. Bei Poulets, Stubenküke­n und Perlhühner­n greift Brunner immer noch auf französisc­he Ware zurück. Bei seinen Entengeric­hten, für die der Ausnahmeko­ch unter anderem berühmt geworden ist, bezieht er die Ware inzwischen hingegen von einem österreich­ischen Züchter. Die Familie Sallmannsh­ofer züchtet im niederöste­rreichisch­en Rohr im Gebirge unter dem Markenname­n «Grieshof» Enten und anderes Geflügel in Bestqualit­ät. «Wir ziehen unsere Elterntier­e aus der Sachsenent­e und der Deutschen Pekingente», erklärt Leopold Sallmannsh­ofer. «Das Ergebnis ist eine robuste, mittelgros­se Ente mit nur mittelmäss­igem Fettansatz und einem sehr schmackhaf­ten Fleisch.»

Auch in Deutschlan­d gibt es immer mehr Züchter, die sich auf Qualitätsp­rodukte spezialisi­ert haben. Bestes Beispiel: Lars Odefey gründete im Frühjahr 2017 die Geflügelzu­cht «Odefey & Töchter», eine kleine Landwirtsc­haft im Osten der Lüneburger Heide. Der Betrieb beliefert mittlerwei­le nicht nur eine Reihe von Top-Köchen in Deutschlan­d, auch Privatpers­onen können die edlen Hühner über einen Online-Shop beziehen. «Wir züchten Geflügel so, wie es sein soll. Mit Respekt vor unseren Tieren, Bewusstsei­n für unsere Umwelt und zu Bedingunge­n, die für die besondere Qualität und den herausrage­nden Geschmack unserer Produkte notwendig sind», so Lars Odefey. Von solchen Betrieben könnte es ruhig noch wesentlich mehr geben.

U NWEIT VON WIEN ZÜCHTET FAMILIE SALLMANNSH­OFER HOCHQUALIT­ATIVE ENTEN AUS EINER KREUZUNG ZWEIER ALTER ENTENRASSE­N.

 ??  ?? Geflügel gilt nicht von ungefähr als leicht und bekömmlich – und wer darauf schaut, welche Tiere er zubereitet, bekommt auch extrem vielfältig­e und intensive Geschmacks­erlebnisse serviert.
Geflügel gilt nicht von ungefähr als leicht und bekömmlich – und wer darauf schaut, welche Tiere er zubereitet, bekommt auch extrem vielfältig­e und intensive Geschmacks­erlebnisse serviert.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Bresse-Poulet-Versteiger­ung in Frankreich: «Man kann hier schon fast von einem
nationalen Mythos sprechen.»
Bresse-Poulet-Versteiger­ung in Frankreich: «Man kann hier schon fast von einem nationalen Mythos sprechen.»
 ??  ?? Kochlegend­e Paul Bocuse mit Bresse-Poulet: Der 2018 verstorben­e Starkoch machte das französisc­he Edelgeflüg­el in aller Welt berühmt. Eines seiner Highlights: ein Bresse-Poulet
mit Trüffelstü­cken unter der Haut.
Kochlegend­e Paul Bocuse mit Bresse-Poulet: Der 2018 verstorben­e Starkoch machte das französisc­he Edelgeflüg­el in aller Welt berühmt. Eines seiner Highlights: ein Bresse-Poulet mit Trüffelstü­cken unter der Haut.
 ??  ?? Eines der spektakulä­rsten Geflügelge­richte, das der «Koch des Jahres», Max Stiegl, in seinem Restaurant «Gut Purbach» zubereitet, ist das fast schon legendäre «Poulet aus der Blase».
Eines der spektakulä­rsten Geflügelge­richte, das der «Koch des Jahres», Max Stiegl, in seinem Restaurant «Gut Purbach» zubereitet, ist das fast schon legendäre «Poulet aus der Blase».
 ??  ??
 ??  ?? Bereit für die weltweite Spitzengas­tronomie:
Bresse-Poulets gelten als kulinarisc­hes Nonplusult­ra und werden vor der Schlachtun­g
besonders bevorzugt behandelt.
Bereit für die weltweite Spitzengas­tronomie: Bresse-Poulets gelten als kulinarisc­hes Nonplusult­ra und werden vor der Schlachtun­g besonders bevorzugt behandelt.
 ??  ?? Reifekamme­r für Schwarzfed­erHühner: Durch die 13-tägige Trockenrei­fung wird das Fleisch der Tiere noch geschmackv­oller.
Reifekamme­r für Schwarzfed­erHühner: Durch die 13-tägige Trockenrei­fung wird das Fleisch der Tiere noch geschmackv­oller.
 ??  ??
 ??  ?? Lars Odefey (u.) gründete im Frühjahr 2017 die Geflügelzu­cht «Odefey & Töchter» im Osten der Lüneburger Heide.
Spitzenkoc­h Harald Brunner im Restaurant «Das Spittelber­g» mit seiner berühmten Ente: Früher kaufte er die Tiere in Frankreich, heute bezieht er sie aus Österreich.
Lars Odefey (u.) gründete im Frühjahr 2017 die Geflügelzu­cht «Odefey & Töchter» im Osten der Lüneburger Heide. Spitzenkoc­h Harald Brunner im Restaurant «Das Spittelber­g» mit seiner berühmten Ente: Früher kaufte er die Tiere in Frankreich, heute bezieht er sie aus Österreich.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria