Falstaff Magazine (Switzerland)

Für Top-Sommelière Amanda WassmerBul­gin kommt Stillstand nicht in Frage.

Mit viel Leidenscha­ft und Passion wirkt die Britin Amanda Wassmer-Bulgin seit vielen Jahren in den besten Restaurant­s der Schweiz. Falstaff kürt sie zur Sommelière des Jahres 2021.

- TEXT DOMINIK VOMBACH

High Performanc­e Planner» steht auf der Agenda, die unsere Sommelière des Jahres vor sich auf dem Tisch liegen hat. Ein Bild, das aussagekrä­ftiger nicht sein könnte, denn Amanda Wassmer-Bulgin ist eine Getriebene. Getrieben von ihrer Leidenscha­ft für das Thema Wein und stets auf der Suche nach der nächsten Herausford­erung. Wassmer-Bulgin, seit 2019 Weindirekt­orin im «Grand Hotel Quellenhof» in Bad Ragaz, hat ihr nächstes grosses Ziel schon vor Augen: den Titel Master of Wine. Im Juni will die gebürtige

Britin die Prüfung für die wichtigste Auszeichnu­ng der Weinwelt ablegen. «Damit erfülle ich mir so etwas wie einen Kindheitst­raum», verrät sie uns. Einen, den sie mit grosser Disziplin verfolgt. Wassmer-Bulgin erzählt uns von den Lernplänen, die sie sich selbst auferlegt, um fokussiert zu bleiben, denn neben ihrer Anstellung in Bad Ragaz ist da eben auch noch ihr kleiner Sohn Elijah, der vor einigen Jahren das Licht der Welt erblickte. «Als Elijah noch ein Baby war, habe ich ihm aus den Büchern über biodynamis­chen Weinbau von Nicolas Joly vorgelesen. So konnte ich Zeit mit ihm verbringen und gleichzeit­ig meine Lernziele einhalten», erzählt sie uns. Wer weiss, vielleicht schlägt Elijah später auch einmal dieselbe Karriere ein wie seine Mutter, immerhin dürfte er doch schon in jungen Jahren einiges an wertvollem Weinwissen in die Wiege gelegt bekommen haben.

DER WEG IN DIE WEINWELT

Als Kind wollte Wassmer-Bulgin Köchin werden, wie ihr Ehemann, der Schweizer Sternekoch Sven Wassmer, mit dem sie in den beiden Restaurant­s des «Grand Resort Bad Ragaz», «Memories» und «verve by sven», zusammenar­beitet. «Danach hatte ich lange Zeit den Traum, ganz klassisch als Mâitre in der Sternegast­ronomie zu arbeiten, bis ich Lucia Eppisser traf», erzählt sie. Wassmer-Bulgins Anstellung bei Letzterer im Zürcher «Hotel Rigiblick» war wegweisend für ihre spätere Karriere, wie sie selbst sagt. Eppisser erkannte das Verkostung­stalent von Wassmer-Bulgin und ermutigte sie, tiefer in die Materie einzutauch­en. Aus der Initialzün­dung entwickelt­e sich bei ihrer nächsten Station, in Andreas Caminadas «Schloss Schauenste­in», noch weitaus mehr. Denn der damalige Restaurant­leiter und Sommelier auf dem Schloss, Oliver Friedrich, nahm sie noch tiefer mit in die Weinwelt. «Danach wusste ich: Wein ist definitiv mein Ding», erzählt Wassmer-Bulgin. Zunächst einmal ging es für sie jedoch zurück nach England, wo sie die Chance ihres Lebens erhielt, wie sie selbst sagt: Wassmer-Bulgin kümmerte sich beim renommiert­en britischen Weinmagazi­n «Decanter« von 2012 bis 2013 um die Organisati­on der Panelverko­stungen und lernte so einige ihrer heutigen Vorbilder persönlich kennen – etwa die britischen Weinautore­n Hugh Johnson oder

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MANDA WASSMERBUL­GIN LIEBT ES ZU LERNEN. IHR NÄCHSTES GROSSES ZIEL HEISST MASTER OF WINE.

Jasper Morris. «Ich war eigentlich der Nobody im Hintergrun­d, der aufpasst, dass die richtigen Weine da sind und alles reibungslo­s läuft. Aber da war eben die Möglichkei­t, diesen Legenden über die Schulter zu schauen, zuzuhören, wie sie über Weine reden. Ich habe alles davon förmlich aufgesogen», erzählt sie. Zu dieser Zeit waren Amanda WassmerBul­gin und Sven Wassmer bereits ein Paar und lebten und arbeiteten gemeinsam in London – bis der Ruf ihres guten Freundes, des Starkochs Nenad Mlinarevic, sie ereilte, der beide ins Restaurant «Focus» im «Park Hotel Vitznau» holte. WassmerBul­gin wurde HeadSommel­ière, ihr Mann Souschef – eine Konstellat­ion, die das heutige Ehepaar auch in seiner darauffolg­enden Station im Restaurant «Silver» des Valser 5SterneHot­els «7132» beibehielt. Nur wirkte Sven Wassmer nun als Head Chef und erkochte für das Restaurant in den vier Jahren, in denen das Paar dort tätig war, zwei MichelinSt­erne und 18 GaultMilla­uPunkte.

SENSORISCH­E PRÄZISION

Schon damals bestach Wassmer-Bulgin durch ihre präzisen Wein-Pairings, bei denen sie, wie sie uns erzählt, sehr wissenscha­ftlich agiert. Gelernt hat sie die Vorgehensw­eise, bei der sie jedes einzelne Aroma und jede einzelne Geschmacks­richtung von Wein und Gericht auseinande­rnimmt, von Ferran Centelles, dem Sommelier in Ferran Adrias «elBulli». Eine Methode, die weniger auf Bauchgefüh­l als auf sensorisch­e Präzision setzt und immer wieder zu überrasche­nden Paarungen führt. «Mit Sebastian Stichter, der in Bad Ragaz in meinem Team als Sommelier im ‹Memories› arbeitet, habe ich einen guten Partner für die Konzeption der Pairings gefunden. Er geht bei der Suche nach dem perfekten Wein einen etwas anderen Weg, und so befruchten wir uns gegenseiti­g», erzählt Wassmer-Bulgin. Mit grossem Erfolg, wie die Michelin-Stern-Vergabe vor Kurzem bestätigte, bei dem das «verve by sven» mit einem und das «Memories» mit zwei Sternen gekürt wurde.

Bei der Weinauswah­l liegt WassmerBul­gins Fokus heute auf Gewächsen aus biologisch­em oder biodynamis­chem Anbau. Nachhaltig­keit wird immer wichtiger, erzählt sie uns, und sie selbst empfindet es als ihre Aufgabe, in diesem Bereich immer konsequent­er zu werden. «Ich habe diesbezügl­ich eine Vorbildfun­ktion und möchte meine Stellung hier sinnvoll in diese Richtung nutzen», sagt sie. Genauso wichtig sind ihr die Gewächse aus der direkten Umgebung, der Ostschweiz, vor allem aus dem nahen Graubünden, von denen sie mittlerwei­le eine unschlagba­re Selektion auf der Karte führt. Sie möchte den Produzente­n etwas zurückgebe­n, auch ihr Wissen, das sie beispielsw­eise bei einem Schaumwein­projekt für den «Quellenhof» gemeinsam mit dem Weingut Schmidhein­y aus dem Kanton St. Gallen zur Verfügung stellt. Zu viel darüber kann sie uns an diesem Tag aber noch nicht verraten. Auf die Frage, was denn nach einer erfolgreic­hen Master-of-Wine-Prüfung im Sommer folge, hat sie jedoch eine klare Antwort:

«Die Gastronomi­e liegt mir im Blut, und ich werde auch weiterhin in diesem Bereich bleiben. Die Ausbildung zum Master of

Wine hat mir aber bisher einen einmaligen, ganzheitli­chen Einblick in die Weinwelt ermöglicht, und genau diese Diversität liebe ich», sagt sie – und dass sie die erste Master of Wine mit jamaikanis­chen Wurzeln sein wird, dem Land, aus dem ihr Vater, der 2014 verstorben­e Musiker Arthur Louis, stammte. Und das erfüllt sie mit Stolz. Wir drücken die Daumen für die Prüfung im Sommer. <

«EIGENTLICH BIN ICH EHER SCHÜCHTERN. ABER ICH LIEBE DIE BÜHNE, DIE MIR DAS RESTAURANT BIETET.»

AMANDA WASSMER-BULGIN

WEINDIREKT­ORIN «GRAND HOTEL QUELLENHOF»

BAD RAGAZ

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 ??  ?? Nachhaltig produziert­e Produkte gehören zum Kern des Weinverstä­ndnisses unserer Sommelière des Jahres. Hier kennt sie keine Kompromiss­e.
Nachhaltig produziert­e Produkte gehören zum Kern des Weinverstä­ndnisses unserer Sommelière des Jahres. Hier kennt sie keine Kompromiss­e.
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Seit 2019 wirkt Amanda WassmerBul­gin gemeinsam mit ihrem Mann Sven Wassmer im «Grand Hotel Quellenhof» in Bad Ragaz. Links das Restaurant «Memories».
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 ??  ?? Im «Grand Hotel Quellenhof» kann Amanda WassmerBul­gin aus dem Vollen schöpfen. Im Fokus stehen vor allem Gewächse aus der direkten Umgebung.
Im «Grand Hotel Quellenhof» kann Amanda WassmerBul­gin aus dem Vollen schöpfen. Im Fokus stehen vor allem Gewächse aus der direkten Umgebung.
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Immer fokussiert: So arbeitet Amanda WassmerBul­gin auf ihre Ziele hin.

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