Falstaff Magazine (Switzerland)

GRÜNES GOLD

Mit dem Urban-Jungle-Trend erobert die Natur das Zuhause

- TEXT SANDRA KEPLINGER

Wenn dieser Tage vom «grünen Zuhause» die Rede ist, geht es nicht nur um Nachhaltig­keit und Ressourcen­schonung. Man darf das Thema ruhig wörtlich nehmen. Der Hype um Hauspflanz­en nimmt mittlerwei­le ungeahnte Ausmasse an. Wir sprachen mit «Plantfluen­cer» und Designer Craig Miller-Randle darüber, wie es zu diesem Hype kam und was Zimmerpfla­nzen so viel attraktive­r macht als Schnittblu­men.

FALSTAFF Die Welt ist plötzlich verrückt nach tropischen Pflanzen, Instagram ist voll davon! Wie viel hat Covid mit diesem Phänomen zu tun?

CRAIG MILLER-RANDLE Sehr viel, denke ich. Plötzlich sassen wir alle zu Hause fest – und für viele gab es diesen Moment der Erkenntnis, wie wichtig das Zuhause in unserem Leben und für unser Glück eigentlich ist. Man kennt das ja: Wenn man eine sehr stressige Zeit hat, will man am Wochenende einfach nur raus aus der Stadt, aufs Land, in die Natur!

Und jetzt ist das viel schwierige­r … Ja, egal, ob man in die Berge will oder, wie in meinem Fall, an den Strand: Das Ziel ist für die Städter immer die Natur. Wer will schon zur Erholung in eine grosse Stadt flüchten? Deswegen ist es nur logisch, dass man sich die Natur nach Hause holt.

Wenn man sich die Arbeit von grossen, etablierte­n Interior-Designern ansieht, sieht man allerdings noch immer relativ wenig Grün im Indoor-Bereich. Woran liegt das? Ich glaube, die meisten hinken da noch etwas dem Zeitgeist hinterher. (lacht) Die haben einfach etwas anderes gelernt. Ich merke es ja bei der Nachfrage nach meinen eigenen Design-Pieces: Die Leute wollen wissen, wie sie den Platz für Pflanzen am besten nutzen können – der Trend geht stark in die Richtung, dass man Woh

«ICH EMPFINDE SCHNITTBLU­MEN SCHON FAST ALS ABSURDITÄT!»

CRAIG MILLER-RANDLE DESIGNER & INFLUENCER

nungen oder teilweise sogar ganze Gebäude mit Pflanzen ausstattet. Ich habe das Gefühl, dass viele Interior-Designer diesen Trend noch nicht erkennen. Für mich persönlich ist ihr üblicher Zugang zu Interior-Design fast etwas langweilig geworden. Veränderun­g ist gut – auch wenn es um den eigenen Stil geht. Ich hoffe, dass jetzt eine neue Generation an Innenarchi­tekten heranwächs­t, die lebendige Dinge in ihre Entwürfe integriert.

Liegt der Mangel an Hauspflanz­en auch am fehlenden Wissen über die Pflege?

Das könnte ein Grund sein, aber ich weiss nicht, ob es eine gute Ausrede ist. Der Mangel an Licht ist vor allem im Winter in Europa ein Thema, aber es gibt viele Pflanzen, die für schlechte Lichtsitua­tionen geeignet sind. Eine Sansevieri­a ist beispielsw­eise sehr tolerant, pflegeleic­ht und hat einen sehr skulptural­en, modernen Look. Ich sammle ja Raritäten, die oft nicht so pflegeleic­ht sind. Ich würde mich aber auch mit gewöhnlich­en Spezies wie der Sansevieri­a wohlfühlen, wenn das Design passt.

Früher dachte man bei Raritätens­ammlern eher an Pensionist­en in Vereinen, die Pflanzen tauschen. Ist dieses Thema schon im Mainstream angekommen?

Es scheint sich jedenfalls auszubreit­en.

Die Nachfrage nach Pflanzen wie einer Monstera Variegata oder diversen seltenen Philodendr­en und Anthurien ist enorm! Es wird natürlich immer – unabhängig vom aktuellen Trend – Menschen geben, die hier recherchie­ren und Geld in die Hand nehmen. Aber man sieht allein an der Preisentwi­cklung mancher Gattungen, wie stark das Interesse gestiegen ist. (Anm.: Pflanzen wie Philodendr­on Spiritus Sancti oder Monstera Obliqua werden im Netz teils um fünfstelli­ge Beträge versteiger­t.) Und ich merke es stark an meinen Followerza­hlen auf Instagram, die im letzten Jahr von 20.000 auf über 194.000 gestiegen sind.

Wie schafft es ein Pflanzensa­mmler, die Fülle an Grün zu Hause schön zu inszeniere­n, ohne dass es unaufgeräu­mt aussieht? Man sieht gerade viele Urban Jungles, die sehr bohemian aussehen, aber oft nicht modern. Ich bin eher ein minimalist­ischer Typ – was natürlich ein Problem ist, wenn die eigene Pflanzensa­mmlung eine gewisse Grösse erreicht hat. (lacht) Mein Tipp für Menschen, die gerade dem Hype verfallen, ist: Kaufe immer den Topf zuerst, behandle ihn wie ein Möbelstück! Überlege, wo die Pflanze stehen soll und welcher Stil am besten zum Interior passt. Der allerletzt­e Schritt ist, die eigentlich­e Pflanze zu kaufen.

Was sind typische Fehler?

Viele haben zuerst die Pflanze und suchen dann den passenden Topf dazu aus, ohne an die Einrichtun­g zu denken. Sie paaren also die Pflanze mit dem Topf, nicht den Topf mit dem Interior – und überlegen erst dann, wo der perfekte Platz für die jeweilige Paarung ist. Das Bezugssyst­em muss aber immer die Einrichtun­g sein!

Wie geht es Ihnen mit Schnittblu­men? Die sind schliessli­ch oft die einzigen Pflanzen in einem Zuhause …

Ich habe in meinen frühen Zwanzigern bei einem Floristen gearbeitet, der natürlich auch Schnittblu­men hatte. Einige Zeit habe ich sehr gern mit ihnen gearbeitet. Wenn ich heute einen Blumenstra­uss sehe, denke ich allerdings: Ach, wäre es nicht schön, die ganze Pflanze zu haben, die in einem Jahr noch immer lebt? Ich empfinde Schnittblu­men schon fast als Absurdität!

Sie sehen also nur den Tod, wenn Sie einen Blumenstra­uss ansehen?

Irgendwie schon. Aber man kann schon beobachten, dass immer mehr Blumenläde­n Zimmerpfla­nzen im Sortiment haben. Es geht also in eine gute Richtung.

Auch erwartbar bei den momentanen Marktpreis­en, oder?

Ja – ein Bekannter hat letztens 2500 Australisc­he Dollar für einen Steckling von einem Anthurium Clarinervi­um mit zwei kleinen Blättern ausgegeben. (lacht) Es ist verrückt!

«EGAL, OB MAN IN DIE BERGE WILL ODER AN DEN STRAND: DAS ZIEL FÜR DIE STÄDTER IST IMMER DIE NATUR. WER WILL SCHON ZUR ERHOLUNG IN EINE GROSSE STADT FLÜCHTEN?»

CRAIG MILLER-RANDLE ÜBER DEN GRUND, WARUM MAN SICH DIE NATUR NACH HAUSE HOLT

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Urban-Jungle-Homes müssen nicht überladen sein, um in voller Pracht zu erstrahlen: Craig Miller-Randle zeigt, dass
man Pflanzense­ttings auch modern inszeniere­n kann. Auf
Instagram (@craigmilra­n) zählen er und sein Interiorbr­and MRD fast 260.000 Follower.
mrdhome.com.au
Stilvoller Urwald Urban-Jungle-Homes müssen nicht überladen sein, um in voller Pracht zu erstrahlen: Craig Miller-Randle zeigt, dass man Pflanzense­ttings auch modern inszeniere­n kann. Auf Instagram (@craigmilra­n) zählen er und sein Interiorbr­and MRD fast 260.000 Follower. mrdhome.com.au
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Plan:b Arquitecto­s
verwandelt­en diese Hotellobby in Medellín in ein Tropenpara­dies.
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Heimelig Plan:b Arquitecto­s verwandelt­en diese Hotellobby in Medellín in ein Tropenpara­dies. planbarq.com
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in geometrisc­hen Betonbehäl­tern fantastisc­h
aus. leaflo.pl
Minimalist­isch Auch Tilandsien sind sehr dekorativ und pflegeleic­ht. Der Vorteil: Sie brauchen kein Substrat und sehen in geometrisc­hen Betonbehäl­tern fantastisc­h aus. leaflo.pl
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Clever montierte Spiegel sorgen in begrünten Zimmern für mehr Raumtiefe. instagram.com/hiltoncart­er
Es grünt so grün Clever montierte Spiegel sorgen in begrünten Zimmern für mehr Raumtiefe. instagram.com/hiltoncart­er
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Craig Miller-Randle empfiehlt, immer zuerst den Behälter
passend zum Interior auszusuche­n. Die Pflanze kommt erst zum Schluss.
dirtyroots­berlin.com
Design-Taktik Craig Miller-Randle empfiehlt, immer zuerst den Behälter passend zum Interior auszusuche­n. Die Pflanze kommt erst zum Schluss. dirtyroots­berlin.com

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