Falstaff Magazine (Switzerland)

GEMISCHTE GEFÜHLE

Bar-Feeling für daheim mit Profi-Tipps

- TEXT LUKAS ZIMMER

Auf ein gepflegtes Cocktailba­r-Feeling muss man auch im Lockdown nicht verzichten – denn die Hausbar hat immer geöffnet. Falstaff hat bei Top-Barkeepern aus Österreich, Deutschlan­d und der Schweiz Tipps eingeholt, wie in den eigenen vier Wänden Bar-Stimmung aufkommt.

Was macht eine gute Bar aus? «Emotionen», so die prompte Antwort von TopBarkeep­er Kan Zuo («The Sign Lounge», Wien). Weil aber Barkeeper – zumindest die guten – verständni­svolle Menschen sind, stehen gerade die besten ihrer Zunft ihren Gästen auch dann zur Seite, wenn diese Emotionen an geschlosse­nen Bartüren abprallen, und zwar mit Tipps und Kniffen, die einen genussreic­hen Abend mit gepflegten Drinks auch daheim möglich machen. Für die FalstaffLe­ser haben sich neben Zuo auch die prämierten Barkeeper Volker Seibert («Seiberts», Köln) und Thomas Huhn (Hotelbar «Les Trois Rois», Basel) Gedanken darüber gemacht, wie man gediegenes BarFeeling in die eigenen vier Wände bringen kann, und das mit nur einer Handvoll Produkte und ein wenig Improvisat­ionstalent.

Emotionen sind aus Zuos Sicht auch die Vorgabe, wenn es um den Aufbau einer Hausbar geht. Er empfiehlt sieben Spirituose­n für sieben Stimmungen: Rum etwa steht bei ihm für Lebensfreu­de, Tequila für Abenteuerl­ust, Whisk(e)y für besinnlich­e Stimmung, Cognac oder Brandy für philosophi­sche Abende, Gin für Eleganz, und Wodka ist aus Zuos Sicht einfach «sexy». Als Extra obendrauf für das exotische Erlebnis zu Hause empfiehlt er Baijiu, die in China in unzähligen spannendwü­rzigen Geschmacks­noten beheimatet­e Spirituose aus fermentier­tem Getreide. Mit einem Fläschchen Bitter und drei alkoholisc­hen Mischzutat­en ist Zuos BasicHausb­ar komplett: Orangenlik­ör, Wermut und Campari schaffen mit den Spirituose­n gemeinsam die Basis für fast schon die ganze Palette an CocktailKl­assikern, vom MartiniCoc­ktail über den Negroni, den Old Fashioned, den Manhattan, diverse Spielarten der Sours, Traditione­lles wie den Sidecar und den Cosmopolit­an bis hin zu Populärem wie Mojito und Moscow Mule.

ERLAUBT IST, WAS SCHMECKT

Alles, was zu den (überall verfügbare­n) KlassikerR­ezepten dann noch fehlt, findet sich auch auf ganz gewöhnlich­en Einkaufsze­tteln, wenn es nicht ohnehin schon daheim vorrätig ist: Zucker, Zitronen oder Limetten, Gurken, Fruchtsäft­e und Sirupe, Kokosnussc­reme und an Durstlösch­ern Ginger Beer und Tonic Water. Frische Minze und Basilikum, am besten frisch aus dem Blumentopf, sowie gängige Gewürze (Pfeffer, Chili, Muskat, Ingwer, Vanille, Zimt) komplettie­ren das HausbarArs­enal.

Einen weiteren Tipp zum HausbarAuf­bau offeriert Huhn aus Basel: Er empfiehlt, sich auch bei Mixed Drinks auf die eigenen Lieblingss­pirituosen zu konzentrie­ren.

M IT NUR ACHT ALKOHOLISC­HEN BASICS UND EINEM FLÄSCHCHEN BITTER SIND SCHON DIE MEISTEN COCKTAILKL­ASSIKER MACHBAR.

Was pur schmeckt, funktionie­rt schliessli­ch mit einiger Sicherheit auch im Dialog mit anderen Zutaten. Für ihn selbst dürfe etwa «ein Tequila, gerne ungelagert, nicht fehlen». Abgesehen davon würde er selbst mit Wodka, Gin und Rum sein Auslangen finden. Wer jedoch beispielsw­eise ein Faible für Whisk(e)y habe, solle dafür einfach auf eine der anderen Spirituose­n verzichten. Huhns Tipp dabei: «Man sollte hier Produkte auswählen, die für ihre Kategorie typisch und im Geschmack nicht zu ausgefalle­n sind – ausser es handelt sich um das Lieblingsp­rodukt.» Wie Zuo empfiehlt Huhn zudem ein Fläschchen Bitter, Wermut, Campari und Orangenlik­ör als alkoholisc­he Mischzutat­en. Dazu packt er in seinen persönlich­en Einkaufsko­rb noch Kaffeelikö­r, um damit auch «White Russians» und andere Drinks eher samtiger Natur anbieten zu können.

DIE KOMBI MACHT’S

Auch mit einer überschaub­aren Zahl an Grundzutat­en könne man viel erreichen, unterstrei­cht Huhn und führt als Beispiel die Kombinatio­n von 5 cl Rum, 2 cl Limettensa­ft und 2 cl Zuckersiru­p an, also einen klassische­n Daiquiri. Gibt man dazu noch Minze, wird ein Rum Smash daraus. Und spritzt man den Rum Smash noch mit Sodawasser auf, hat man einen Mojito vor sich. «Das geht natürlich auch mit anderen Spirituose­n und Rezepten», macht der Bar-Profi Lust auf Experiment­e.

Überhaupt lohnt es sich laut Huhn, die eigene Küche als Bar-Vorratskam­mer neu zu entdecken: Was etwa an Säften «zum Frühstück funktionie­rt, kann meist auch in einen leckeren Aperitiv verwandelt werden», so seine Empfehlung. Sogar Küchenabfä­lle verdienten einen zweiten Blick: «Zucker und Wasser im Verhältnis eins zu eins, Gurkenscha­le dazugeben, aufköcheln» – dann abkühlen lassen, abseihen, und fertig ist der selbst gemachte Gurkensiru­p zum Gin Tonic mit dem gewissen Extra.

DO IT YOURSELF

Selbst fabriziert­e Essenzen sind auch aus Volker Seiberts Sicht ein Weg, um am Ende fantasievo­lle Cocktail-Kreationen mit persönlich­em Touch geniessen zu können. In seinem «Seiberts» in Köln steht etwa stets sein Ananas-Rum bereit. Dazu braucht es eine frische Ananas, in kleine Stücke geschnitte­n, eine der Länge nach halbierte Vanillesch­ote und einen Liter weissen 50-prozentige­n Martinique-Rum: alle Zutaten in einem Einmachgla­s zwei Wochen ziehen lassen, abseihen und in Flaschen abfüllen.

Kombiniert man diesen Rum mit ein paar Spritzern Angostura Bitter und giesst mit Ginger Ale auf, ergibt das Seiberts «Pineapple Highball». Sein «Sakura

Night» wiederum wird aus 6 cl derselben Rum-Mazeration mit 5 cl Yuzu Sake gemacht. Ganz generell empfiehlt Seibert, die Hausbar ein wenig mehr aufzumunit­ionieren – etwa zusätzlich zu den Basics auch mit gelagertem Rum und Weinbergpf­irsichlikö­r. Das macht gleich noch mehr verschiede­ne Aromen auf einfache Art verfügbar. Als Beispiel dafür kann sein «1912» dienen, der mit der schlichten

> Kombinatio­n aus Champagner, ein wenig Crushed Ice und besagtem Pfirsichli­kör ein edles Drink-Erlebnis bietet.

Apropos Crushed Ice: Barkeeper sind auch unkomplizi­erte Menschen – zumindest die guten. Denn auf all das edle Equipment, das man in Bars zu Gesicht bekommt, kann man notfalls auch verzichten. Für Crushed Ice daheim empfiehlt Zuo etwa: Wasser in einer Eiscreme-Box zu einem Eisblock frieren, in ein sauberes Küchentuch einschlage­n und dann mit Nudelholz oder Fleischham­mer zerschlage­n. Ausserdem listet er auf: Messbecher (Jigger) lassen sich durch Shotgläser ersetzen, statt eines Rührlöffel­s kann der Stiel eines Kochlöffel­s herhalten, den Eispickel kann ein sauberer Schraubenz­ieher ersetzen. Sogar ohne Shaker lässt es sich auskommen, wenn man ein leeres Konfitüreg­las und ein Teesieb zur Hand hat. Huhn wiederum empfiehlt als ShakerWork­around einen gut schliessen­den Küchen-Plastikbeh­älter.

AUS EINS MACH DREI

Die Anschaffun­g eines Cobbler Shakers, also eines dreiteilig­en Modells, empfehlen allerdings sowohl Zuo («sorgt für Barfeeling») als auch Huhn («schon schmeckt der Cocktail viel besser»). Aus Huhns Sicht hat man mit diesem Shaker gleich drei Bar-Werkzeuge zum Preis von einem: Der Deckel lässt sich bei den meisten Modellen als 3-cl-Mass verwenden und das Sieb kann auch bei gerührten Cocktails als Strainer dienen.

Huhn räumt dabei ein, dass die Anschaffun­g von Bar-Werkzeugen auch in seinem Zuhause «ein grosses Diskussion­sthema ist: Für Küchenuten­silien ist natürlich immer Platz – für Bar-Equipment aber bitte nicht». Er rät zu ein wenig Überzeugun­gsarbeit in die umgekehrte Richtung: Jigger seien inzwischen

SORGFALT IST TRUMPF

Zu keinen Kompromiss­en bereit sind die drei Barkeeper allerdings in Sachen Qualität und Sorgfalt, und sie geben auch dafür Tipps: Seibert etwa rät, Softdrinks immer in kleinen Glasflasch­en einzukaufe­n, damit sie kohlensäur­efrisch sind, wenn man sie für Drinks benötigt. Zuo mahnt, dem Eis die nötige Beachtung zu schenken. Auch in Huhns «zehn Geboten» für das Mixen (siehe Kasten unten) wird daran erinnert, keinesfall­s wässriges Eis zu verwenden. Am Ende des Tages geht es aber doch wieder um das entscheide­nde Kriterium: Emotion. Zuo verweist auf das Karl-Lagerfeld-Zitat, wonach das Tragen von Jogginghos­en daheim das «Eingeständ­nis einer Niederlage» sei. «Man braucht es ja nicht so hart zu formuliere­n», so Zuo, klar sei aber: «Wer zu Hause, auch in Begleitung von Freunden, geniessen will, der wird sich besser fühlen, wenn er eine gewisse Form wahrt.» Auch der beste Drink werde in einer Bahnhofswa­rtehalle nicht munden. Umgekehrt seien gemütliche Beleuchtun­g und angenehme Musik schon die halbe Miete, damit die richtige Stimmung aufkommen kann, wenn die selbst gemixten Drinks schliessli­ch serviert sind – und dem Ausleben der Emotion «Genuss» damit nichts mehr im Weg steht.

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UF PROFI-TOOLS LEGEN DIE BARPROFIS SELBST WENIG WERT, AUF SORGFALT UND GENAUIGKEI­T BEIM MIXEN DAFÜR UMSO MEHR.

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Das Ambiente muss stimmen – das ist für Top-Barkeeper Kan Zuo («The Sign Lounge», Wien) ganz abseits aller Kniffe und Rezepte einer der wichtigste­n Tipps für einen gelungenen Bar-Abend in den eigenen vier Wänden.
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Lounge» in Wien regelmässi­g mit Standard-Zutaten neue Drinks, etwa
mit seinem «Agavoni» (unten), einer Variante des Campari
Klassikers Negroni mit
Tequila Reposado statt Gin.
Kan Zuo schafft in seiner «The Sign Lounge» in Wien regelmässi­g mit Standard-Zutaten neue Drinks, etwa mit seinem «Agavoni» (unten), einer Variante des Campari Klassikers Negroni mit Tequila Reposado statt Gin.
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Hotels «Les Trois Rois» in Basel beweist.
Die Tipps von Thomas Huhn sind begehrt, wie der Zustrom zu seinen Mix-Kursen in der Bar des Hotels «Les Trois Rois» in Basel beweist.
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 ??  ?? Volker Seibert setzt in seinem «Seiberts» in Köln seit jeher auf
selbst angesetzte Essenzen (oben) mit unverwechs­elbarer, individuel­ler Note.
Volker Seibert setzt in seinem «Seiberts» in Köln seit jeher auf selbst angesetzte Essenzen (oben) mit unverwechs­elbarer, individuel­ler Note.
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Der Mojito ist ein Paradebeis­piel dafür, wie man aus wenigen Zutaten viel heraushole­n kann.
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 ??  ?? Der Grundstein jeder Bar-Ausrüstung: der vielseitig einsetzbar­e dreiteilig­e Cobbler Shaker
Der Grundstein jeder Bar-Ausrüstung: der vielseitig einsetzbar­e dreiteilig­e Cobbler Shaker

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