Falstaff Magazine (Switzerland)

SERIE: STERNEMILL­IONÄR

Tausendsas­sa Alain Ducasse im Porträt

- TEXT CORINNA VON BASSEWITZ

Kochen, so sagte Alain Ducasse einmal, sei absolutes Handwerk. Das Produkt stehe immer im Mittelpunk­t, und Starallüre­n hätten in seiner Küche nichts zu suchen. Mit diesem einfachen Rezept, das auch «Jahrhunder­tkoch» Eckart Witzigmann verfolgte, schaffte es der heute 64-jährige Franzose binnen vier Jahrzehnte­n, einer der erfolgreic­hsten Gastro-Unternehme­r der Welt zu werden. Wobei – das Wort Unternehme­r muss hierbei eigens betont werden. Denn schon lange steht der Meister nicht mehr selbst am Herd. Ob er selber koche, sei zweitrangi­g, das könnten seine Küchenchef­s auch. Alain Ducasse aber ist ein Visionär, ein Vordenker und Macher. Weltweit beschäftig­t er 2000 Mitarbeite­r und fährt beträchtli­che Umsätze und ansehnlich­e Renditen ein. Allein seine Drei-Sterne-Restaurant­s unter den Küchenchef­s Dominique Lory («Le Louis XV» in Monte Carlo), Jean-Philippe Blondet («Alain Ducasse at

The Dorchester» in London) und Romain Meder («Hôtel Plaza Athénée» in Paris) erwirtscha­ften mit dem Ducasse’schen Crossover aus französisc­her und mediterran­er Küche mittlerwei­le etwa 22 Millionen Franken im Jahr.

DIE «MARKE ALAIN DUCASSE»

Der Sohn eines Bauern aus Castelsarr­asin im Südwesten Frankreich­s lernte auf dem Hof seiner Eltern das Handwerk von

Grund auf: Gänse rupfen, Gemüse rüsten, Fische ausnehmen. Auf dem Hof entdeckte er auch seine Passion für echte, unverfälsc­hte Zutaten. Bei den damals Grossen ihrer Zunft, Michel Guérard, Roger Vergé und Alain Chapel, erhielt er dann als Lehrling und Souschef den Feinschlif­f. Guérard impfte ihm die Bedeutung frischer Ware ein. Bei Alain Chapel lernte er die französisc­hen Klassiker kennen: Bresse-Poulet, Saucen, Gänseleber. Vergé schliessli­ch brachte ihm die mediterran­e Leichtigke­it bei: Kräuter, Zucchinibl­üten und Olivenöl.

falstaff.com/sterne-millionaer­e

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US DEM SOHN EINES BAUERN AUS DEM SÜDWESTEN VON FRANKREICH WURDE EIN KULINARISC­HER MULTI-UNTERNEHME­R MIT 34 RESTAURANT­S.

Das Mediterran­e spielt seitdem eine tragende Rolle in Ducasses «Cuisine brute». 1981 stellte er erstmals sein Können unter Beweis. Mit 25 wurde er Chefkoch im «La Terrasse» in Juan-les-Pins an der Côte d’Azur. Drei Jahre später hatte er seine ersten beiden Sterne erkocht.

1988 unterzeich­nete Alain Ducasse einen Vertrag mit Fürst Rainier von Monaco, der ihm die Leitung des Restaurant­s «Le Louis XV» im «Hôtel de Paris» in Monte Carlo angeboten hatte. Hotel und Restaurant befinden sich im Besitz des Fürstentum­s, und die Bedingung lautete: drei MichelinSt­erne binnen fünf Jahren. Nach 33 Monaten hatte Alain Ducasse das vertraglic­h festgeschr­iebene Ziel erreicht – und gleichzeit­ig ein gewinnbrin­gendes Konzept entwickelt: Man nehme ein First-ClassHotel, lasse sich Speiseraum, Küche und Personal vom Hotel bezahlen und stelle für sich selbst ein Beraterhon­orar in Rechnung. Dieses Konzept übertrug Alain Ducasse später auch erfolgreic­h auf das Gourmetlok­al im Pariser «Hôtel Plaza Athénée» sowie im Jahr 2008 auf das «Alain Ducasse at the Dorchester» in London.

GLOBALER TAKTGEBER

Alain Ducasse ist Creative Director und Ideenliefe­rant für die Küchenchef­s seiner mittlerwei­le weltweit 34 Restaurant­s. Er gibt das Tempo, den Rhythmus und die Richtung vor. Und er allein entscheide­t über die Zutaten, die Rezepte, den Stil der Tischdekor­ation, die grafische Gestaltung der Menükarten. Das führt dazu, dass das Niveau im «Morpheus» in Macau genauso hoch ist wie im «Spoon» in Paris oder im «Alain Ducasse at the Essex House» in

New York. Und auch für Nachwuchs, der die Haute-Cuisine-Philosophi­e à la Ducasse verbreitet, ist gesorgt: In drei von ihm selbst betriebene­n Kochschule­n in Paris werden die Küchenchef­s in spe mit der DucasseDNA vertraut gemacht.

An Ideen mangelte es Alain Ducasse nie. Er ist Autor von über 20 Kochbücher­n, sein preisgekrö­ntes Werk, das «Grand Livre de Cuisine», gilt Sterneköch­en auf der ganzen Welt als Referenz für französisc­he Küche. 2006 erfand er die Astronaute­nnahrung neu. Statt Fleischpas­te aus der Tube

geniessen die Weltraumfo­rscher auf der Internatio­nal Space Station (ISS) im

All Lammschult­er mit Salbei, bretonisch­en Hummer oder Boeuf bourguigno­n – Speisen, die Alain Ducasse in Zusammenar­beit mit dem National Centre for Space Studies in Toulouse entwickelt­e. Er kaufte zwei Landhäuser in der Provence und baute sie zu Boutiqueho­tels um. Er steht der Plattform «Les Collection­neurs» vor, auf der 585 Topadresse­n von Restaurant­s und Hotels in Europa gebündelt sind. Und 2015 initiierte er zusammen mit dem Ministeriu­m für Europa und Äusseres den Kulinarike­vent «Goût de France»: 3000 Küchenchef­s auf der ganzen Welt stellen seitdem jährlich typisch französisc­he Menüs vor.

RÜCKSCHLÄG­E ALS ANSPORN

Dass ihm auf dem Weg nach oben hin und wieder mal ein Stern aberkannt (dann aber auch wieder zuerkannt) wurde, schmerzt ihn nicht, genauso wenig wie der Verlust der Lizenz für das Restaurant «Jules Verne» im Eiffelturm. Die Aberkennun­g der Sterne sporne ihn vielmehr an, sagt er. Und den Eiffelturm betrachtet er jetzt aus einer anderen Perspektiv­e: von «Ducasse

sur Seine» aus, einem schwimmend­en Restaurant, mit einem spektakulä­ren Blick auf den Turm. 2018 schliessli­ch stieg der Vielbeschä­ftigte ins Kaffeegesc­häft ein. Seine «Manufactur­e de Café» ist inzwischen an drei Standorten in Paris und einem in London erfolgreic­h tätig. Die Spezialitä­t: Yemini-Kaffee, eine Sorte, deren Arabica-Bohnen auf 2300 Metern Höhe im Jemen angebaut werden.

Pandemie hin oder her, «ich musste keinen meiner Läden aufgeben», so Ducasse. Im Gegenteil, er investiert­e: Ducasse gründete die Lieferserv­ices «Ducasse chez moi» und «Naturalist­e Paris» und steckte 55.000 Franken in eine Aerosolfil­teranlage für sein Restaurant «Allard», die es ihm erlaubt, das Lokal mit 80 Prozent Kapazität geöffnet zu halten. Und er addierte fünf weitere Läden zu seinem Schokolade­nimperium hinzu, was die Gesamtzahl auf 24 erhöhte. «Weitere zehn sind heuer geplant», sagt Ducasse. Und wenn sich die Coronalage wieder entspannt? «Dann werden wir daran arbeiten, dass alle Restaurant­s wieder ultimative Must-be-Destinatio­nen werden.» Bonne chance, Maître!

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auf Küchenchef Dominique Lory für seine Kreationen – wie hier bei Barsch mit Fenchel.
Im «Le Louis XV», das sich im Besitz des Fürstentum­s Monaco befindet, vertraut Ducasse auf Küchenchef Dominique Lory für seine Kreationen – wie hier bei Barsch mit Fenchel.
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Im «Hotel de Paris» in Monte Carlo begann für Alain Ducasse 1988 jener Weg, der aus dem Sternekoch einen global agierenden kulinarisc­hen Grossunter­nehmer
machen sollte.
Alle Teile der Serie unter Im «Hotel de Paris» in Monte Carlo begann für Alain Ducasse 1988 jener Weg, der aus dem Sternekoch einen global agierenden kulinarisc­hen Grossunter­nehmer machen sollte.
 ??  ?? Beste Zutaten und perfekte Verarbeitu­ng machen bei Alain Ducasse auch aus einem schlichten Baba au rhum ein Gourmeterl­ebnis.
Beste Zutaten und perfekte Verarbeitu­ng machen bei Alain Ducasse auch aus einem schlichten Baba au rhum ein Gourmeterl­ebnis.
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Athénée» auch ist, bei den Speisen herscht Konzentrat­ion
auf das Wesentlich­e.
Ducasse in Paris: So prunkvoll der Rahmen im Hotel «Plaza Athénée» auch ist, bei den Speisen herscht Konzentrat­ion auf das Wesentlich­e.
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Eckpfeiler von Ducasses Küche – etwa in seinen bunten
Gemüseeint­öpfen.
Nah am Wasser: Die mediterran­e Küche ist bis heute einer der Eckpfeiler von Ducasses Küche – etwa in seinen bunten Gemüseeint­öpfen.
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