Falstaff Magazine (Switzerland)
Gegen – zumindest ausserhalb Asiens. Manche lieben die würzigen Aromen, andere stören sich an den Ammoniaknoten. Circa 65 Grad Celsius, weshalb ein nicht zu heisses Wasserbad und eine langsame, kontrollierte Temperaturerhöhung entscheidend sind.
ZWEIERLEI EI IM «BENEDICT»
Zugänglicher sind andere Zubereitungsarten, die auf der ganzen Welt Millionen Fans haben. Das aus Israel stammende Frühstücksrestaurant «Benedict» etwa hat seinen Namen von einer der beliebtesten Ei-Zubereitungsarten: Wenn gerade keine Pandemie ist, gibt es an den Standorten in Tel Aviv und Berlin rund um die Uhr Frühstück – und es versteht sich, dass fast immer Eier im Spiel sind, etwa die namensgebenden Eggs Benedict, also pochierte Eier mit Sauce hollandaise (worauf es bei einer gelungenen Hollandaise ankommt, steht im Kasten auf S. 101). Omelettes in allen Varianten und Pancakes stehen ebenfalls auf der Karte.
Beides gelingt übrigens besonders locker und fluffig, wenn man einen Klecks Mayonnaise in den Teig gibt, sagt einer von Deutschlands besten Köchen, Tohru Nakamura, Zwei-Sterne-Zauberer aus München, der sich dank seiner japanischen Wurzeln auch mit asiatischen Einflüssen befasst. So nutzt er für seine Speisen bisweilen etwa ein Onsen-Ei, das er eine Stunde im Wasserbad bei 63 Grad Celsius gar ziehen lässt. Die Methode rührt von den heissen Quellen her, die sich über Japan verteilen und auf Japanisch «Onsen» heissen. Werden die Eier in diesem Wasser gegart, gerinnen Eiweiss und Eigelb langsam und geraten vollendet cremig, das Ei gleitet förmlich aus der Schale.
Überdies setzt Nakamura Eigelb manchmal als Gewürz ein, indem er es mit Salz und Zucker beizt und anschliessend über Blumenkohl oder Fisch raspelt. Torsten Michel, Drei-Sterne-Küchenchef der legendären «Schwarzwaldstube» in Baiersbronn, krönt schon mal ein Pilzkompott mit einem in geklärter Butter langsam gegarten Eigelb – das ist dann schon die hohe Kunst der Eierzubereitung.
Wobei man sagen muss: Es hat seinen Grund, warum viele Azubis in der Küche zunächst ein Spiegelei braten müssen. Ein feinfühliger Umgang mit Hitze zeigt sich in der vermeintlich simpelsten Speise der Welt. Selbst ein Starkoch wie Gordon Ramsay war sich nicht zu schade, am perfekten Rührei zu tüfteln. Sein Tipp: Ein
«PROBIEREN SIE EIN MIT ZUCKER UND
SALZ GEBEIZTES EIGELB MAL ALS GEWÜRZ, DAS SIE
ÜBER FISCH RASPELN.» TOHRU NAKAMURA
ZWEI-STERNE-KOCH
Stück Butter mit den Eiern schon in der kalten Pfanne verquirlen und dann langsam erhitzen, rühren und immer wieder von der Platte nehmen, «wie ein Risotto». Auf alle Fälle sollte man vermeiden, die Mischung zu grosser Hitze auszusetzen, dann passiert nämlich das, was nicht passieren darf: Sie wird trocken und bröselig. Wobei Ramsay das schon allein durch einen beherzten Klecks Eiweiss verhindert, den er kurz vor dem Servieren und Würzen unterzieht.
Wer mit Eiern arbeitet, lernt «Demut vor dem Produkt», findet auch Tohru Nakamura. Die chemischen Eigenschaften von Eiern, übrigens bei jenen von Hühnern genauso wie bei jenen von Wachteln oder anderen Vögeln, machen sie zwar zur begehrten Zutat – besonders in der Osterzeit (siehe auch Interview auf Seite 194) –, doch muss man sich ihnen behutsam nähern. Etwa, wenn man sie als Emulgator einsetzt, um zwei ursprünglich nicht mischbare Flüssigkeiten zu vereinen. Vor allem für die Emulsion von Fett und wasserhaltigen Flüssigkeiten ist Eigelb dank der reichlich enthaltenen chemischen Verbindung Lecithin prädestiniert: etwa für Hollandaise oder Mayonnaise (siehe Kasten rechts).
Zu viel Respekt sollte man aber auch wieder nicht haben, nur eine generelle Regel beachten: Temperaturkontrolle ist das A und O, damit die Zutaten wirklich nur gebunden werden und die Eier nicht stocken. Das gilt für eine Carbonara genauso wie für ein Parfait oder eine Vanillesauce, die man zur Rose abzieht – also so weit erhitzt, dass sie sämig wird, aber nicht gerinnt. Der kritische Punkt beginnt ab
Selbst Köche aus der obersten Liga wie Torsten Michel fingen ihre Kochkarriere damit an, ein
Spiegelei zu braten.
MAXIMALE QUALITÄT
Eine vermeintliche Selbstverständlichkeit soll zum Schluss nicht vergessen werden: Die Qualität des Grundprodukts ist von maximaler Bedeutung und hängt natürlich eng zusammen mit seinem Erzeuger, dem Huhn. «Ich plädiere dafür, dass man sein Gewissen an der Kasse nicht ausschaltet», sagt Tohru Nakamura. Und Torsten Michel meint: «Man schmeckt es wirklich, wenn Eier von freilaufenden Hühnern aus Biohaltung kommen.» Seit einiger Zeit sind zudem Initiativen präsent, die sich dem Schutz der männlichen Küken («Bruderhahn») verschrieben haben. Vielerorts müssen diese nämlich sterben, weil sie für die Eierindustrie nutzlos sind. Wahre Geniesser denken also weiter als nur bis zum nächsten Ei.
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